Traber Artistenfamilie
»Seit vielen Generationen dreht sich bei den Trabers nachweislich alles rund ums Seil. Wie sahen die Anfänge Ihrer Artistenfamilie aus?«
»Ich stamme aus der ältesten Artistendynastie Deutschlands, wenn nicht sogar Europas ab. Wir können 500 Jahre Entertainment nachweisen. 1512 sind wir zum ersten Mal aktenkundig positiv aufgefallen. Bisher hat sich die Tradition von Generation zu Generation weitergegeben. Als Hochseilartist hat man natürlich den Anspruch, spektakuläre Aktionen zu machen, deswegen waren wir auf der Zugspitze, am Deutschen Eck, am Brandenburger Tor, an der Loreley, bei den Niagarafällen, auf dem Eiffelturm in Paris, in Pakistan, in Japan. Ich habe sogar bei James Bond, im Film Moonraker, mitgewirkt. Auch für viele andere Filme habe ich Stunts gemacht.«
»Ist es der Ehrgeiz oder der Geschäftssinn, der Sie kontinuierlich zu neuen Stunts und Rekordversuchen treibt?«
»Es ist beides. Es geht darum, in den Medien präsent zu sein und den Namen Traber zu pflegen. Ein Rebstock oder ein Rosenstrauch muss auch gepflegt und geschnitten werden, damit die neuen Blüten wachsen. So müssen bei uns auch immer neue Herausforderungen her. Das war schon immer unser Credo.«
»Ihre Familie hat bereits unzählige Rekorde gebrochen und neue aufgestellt. Was gibt es da noch für Herausforderungen und Ziele?«
»Ich habe noch zwei große Träume. Ich möchte für mein Leben gerne auf einem Seil in die zweite Etage des Eiffelturms hochfahren, das sind circa 125 Meter. Und ich möchte auch noch mit einer Harley zur Freiheitsstatue in New York hochfahren. Das sind die Träume, die ich noch habe. Wir arbeiten auch bereits daran, aber das Ganze ist sehr speziell, deshalb ist es schwer, die Genehmigungen zu bekommen. Aber jetzt freuen wir uns erst einmal darauf, nach Bad Wimpfen zu kommen.«
»Was können die Besucher bei Ihrer Show auf dem Talmarkt in Bad Wimpfen erwarten?«
»Wir präsentieren zunächst unser Standardprogramm. Dazu gehört ein Mast mit 52 Metern Höhe, auf dem unter anderem im Handstand und Kopfstand balanciert wird. Auch die klassische Hochseilarbeit wird mit einem Lauf auf dem Seil zu sehen sein. Für die Besucher spannen wir ein kleines Seil, das 40 Zentimeter hoch und 4 Meter lang ist. Belohnt werden sie mit einer Urkunde. Da jede Ehe auch ein Drahtseilakt ist, bieten wir auch die Gelegenheit oben auf dem Seil, nach dem Motto »Schatz, für dich gehe ich sogar in die Luft«, ein Eheversprechen zu geben. Wir sind gespannt, wer Spaß daran hat, diese einmalige Sache mitzumachen.«
»Wie kam es dazu, dass Sie sich auf Auftritte mit einem fahrbaren Untersatz spezialisiert haben?«
»Ich laufe auch auf dem Seil, aber ich bin natürlich der Spezialist für außergewöhnliche Aktionen. Ich bin zum Beispiel in Düsseldorf mit einem Wohnwagengespann auf dem Seil gefahren. Oder mit einem Smart zum Stuttgarter Fernsehturm hoch. Ich bin geboren in Stuttgart und wollte damit meine Verbundenheit zur Stadt demonstrieren. Am Deutschen Eck habe ich einen Hochgeschwindigkeitsrekord auf dem Hinterrad aufgestellt. Ich habe sechs, sieben Guinnessrekorde und ein paar Rekorde, die ich mir selbst geschenkt habe, die ich mir zuliebe gemacht habe. Zum Beispiel der Handstand auf einem Fahrradlenker auf einem Seil auf der Zugspitze. Das war etwas, das ich aus Leidenschaft und zur Ehre der Familie gemacht habe. Auch als Gedenken an Onkel Alfred, der 1953, als ich gerade zur Welt gekommen bin, über die Zugspitze gelaufen und gefahren ist. Das haben wir 1999 dann auch gemacht. Aktionen mit Motorrädern und Autos dokumentieren die Tradition, sich mit den Gegebenheiten der Zeit zu beschäftigen. Wir können auch mit Stelzen laufen und zeigen auch Fahrradpyramiden auf dem Seil. Aber es ist eben die Herausforderung, die Spaß macht.
»Das heißt, es ist die Herausforderung und der Nervenkitzel, der Sie antreibt?«
»Nein, es ist kein Nervenkitzel, den brauche ich nicht. Da kommt der Profi durch. Wir machen das für den Aha-Effekt beim Publikum, damit die Zuschauer sagen »Mann, das war klasse«. Das war schon immer unser Antrieb. Das Material hat sich geändert. Wir sind nun so ausgerüstet, dass wir in Städten wie Bad Wimpfen unseren Gittermast mit 52 Metern aufbauen können, weil er ganz modern hydraulisch ausfährt. Das wäre früher gar nicht möglich gewesen. Wir sind zeitmäßig angepasst.«
»Angst ist nur ein Hindernis«
»Sie haben gesagt, dass Nervenkitzel bei Ihnen keine Rolle spielt, wie sieht es mit der Angst aus?«
»Respekt ist wichtig, Angst ist nur ein Hindernis. Man muss wissen, was man macht und gut trainieren. Denn wenn man losläuft, muss man auf der anderen Seite natürlich auch ankommen. Man kann unterwegs ja nicht sagen, dass man jetzt absteigt. Wenn man losgelaufen oder losgefahren ist, weiß man, dass man auf der anderen Seite ankommen muss.«
»Trotz des Wissens, dass es kein zurück gibt, verzichten Sie auf ein Sicherheitsnetz. Warum wagen Sie so lebensgefährliche Aktionen ohne Netz und doppelten Boden?
»Auch wenn es sich lapidar anhört: Weil noch nie ein Meister vom Himmel gefallen ist. Man trainiert viel und arbeitet mit seiner Familie zusammen. Ein Sicherheitsnetz gibt es schon, der Artist ist durch sein Training gesichert und er ist auch verbunden mit dem, was er tut – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Leute haben natürlich Angst um uns und fürchten um unser Leben. Aber umso schöner ist es, wenn wir auf der anderen Seite angekommen sind und alles gut gegangen ist.«
»Spürt man als Vater aber nicht doch eine gewisse Angst, wenn die eigenen Kinder ohne Sicherheitsnetz in so luftiger Höhe turnen?«
»Wir sind ja so aufgewachsen. Mein Vater hat mich schon balancieren lassen, als ich ein Jahr alt war. Ich bin mit fünf Jahren das erste Mal übers Seil gelaufen. Was uns sehr zurückgeworfen hat, war natürlich der Unfall von meinem Sohn Johann Traber Junior.
»Hat sich seit dem Unfall im Mai 2006, bei dem sich Ihr Sohn schwer verletzte, als der 52 Meter hohe Mast, auf dem er balancierte brach, etwas verändert?«
»Wir wissen, warum es passierte, das ist ganz wichtig. Wenn wir es bis heute nicht wüssten, hätten wir wahrscheinlich aufgehört. Aber wenn man weiß, was passiert ist, und versucht, das dann auszumerzen, damit das nicht noch einmal passiert, hat man wieder neuen Mut weiterzumachen. Der Unfall liegt nun hinter uns, wir haben genug gelitten. Wir haben auch eine Kapelle gebaut und haben einen sehr guten Draht nach oben.«
»Das heißt, Sie sind gläubig?«
»Ja klar, wir taufen unsere Kinder alle auf dem Seil. Sie werden zum Pfarrer, der Mutter und dem Taufpaten übers Seil getragen. Das ist ein wichtiger Fakt für uns, der uns hilft, uns beschützt und uns die Angst nimmt, von der wir immer behauten, dass wir sie nicht haben.«
»Der Faktor Angst spielt also doch eine Rolle in Ihrem Leben. Wenn Sie keine Angst vor der Höhe haben, wovor haben Sie dann Angst?«
»Vor dem Üblichen. Ob alles hält und ob wir unsere Gage kriegen (lacht).«
»Ihre Kinder sind mit dem Hochseil aufgewachsen. Wie und ab welchem Alter haben Sie die Drei an das Seil herangeführt?«
»Ich habe hinter dem Haus Nussbäume. Zwischen die habe ich ein Seil gespannt und ihnen das Seillaufen beigebracht. Man sieht automatisch, wann sie so weit sind und von alleine hinlaufen und hochwollen. Man nimmt sie dann an die Hand und bringt es ihnen spielerisch bei. Und dann kommt natürlich der Ehrgeiz dazu, irgendwann wollen sie es alleine probieren.«
»Gab es denn nie Phasen, in denen Sie den Kindern die Angst vor der Höhe nehmen mussten?«
»Nein. Ich habe meinen Sohn schon früh auf dem Motorrad mitgenommen und er hat sich oben auf meine Schultern gestellt. Ob das jetzt 50 Meter oder 100 Meter hoch war, war ihm egal, weil der Papa dabei war.«
»Der Satz »Die Familie ist wie ein Sicherheitsnetz, das einen auffängt, wenn man ins Straucheln gerät«, passt in diesem Hinblick wie die Faust aufs Auge zu ihrer Familie.
»Das ist auch genau so. Man geht ja als Familie durch das Leben, Hand in Hand. Wir sind auch froh und stolz, dass wir noch zusammenwohnen. Wir haben hier in Breisach einen großen Platz, wo jeder sein Haus und auch seinen Privatbereich hat, wenn man sich mal zurückziehen will. Wir sind eine Großfamilie und leben das auch.
»Ich wollte Fahrlehrer werden«
»Gab es auch Zeiten, in denen Ihre Kinder einen anderen Berufsweg einschlagen wollten?«
»Ja klar. Auch bei mir gab es das als Jugendlicher. Es wäre ja nicht normal, wenn es nicht so wäre. Aber im Endeffekt hat sich die Tradition über all die Jahre immer gehalten.«
»Was für einen Beruf hätten Sie ausüben wollen, wenn Sie die Karriere als Hochseilartist an den Nagel gehängt hätten?«
»Ich wollte mal Fahrlehrer werden, weil ich gut Auto fahren kann. Klar herrscht nicht jeden Tag Friede, Freude, Eierkuchen und man ist nicht immer mit allem zufrieden, das wäre gelogen. Wichtig ist aber nur, was am Ende übrig bleibt.«
»Wie läuft das tägliche Training ab? Gibt es feste Abläufe?«
»Es läuft unterschiedlich ab. Man merkt bei der Arbeit, während der Veranstaltung, was klappt und was man noch einmal trainieren muss. Das tägliche Leben gibt es meistens vor. Zwei bis vier Stunden sind wir täglich ungefähr mit dem Training beschäftigt, um fit zu sein.«
»Spezielles Krafttraining gibt es also nicht?«
»Nein, das machen wir nicht. Die Balancierstange wiegt je nach Übung 30 bis 35 Kilo. Kraft haben wir also automatisch. Auch meine Mädchen sind kräftig durch die Arbeit. Sie haben auch LKW Führerscheine. Es geht ja nicht nur darum, das Frühstück zuzubereiten.Wir haben einen Vollzeitjob.«
»Was für ein Gefühl ist es, in schwindelerregender Höhe über den Köpfen der Zuschauer die Kunststücke aufzuführen?«
»Ein Schönes. Es ist wie fliegen. Es ist ein ganz erhabenes, wunderschönes Gefühl. Die begeisterten Zuschauer sind der Antrieb. Wenn alles gut geht, ist es der schönste Beruf der Welt.«
»Sie sind in Ihrer langen Karriere aber bestimmt auch schon öfter in brenzlige Situationen gekommen, in denen es gefährlich wurde.«
»Natürlich, schon viele Male. Ich bin schon drei Mal abgestürzt. Aber das ist eben eine Begleiterscheinung. Das ist vergleichbar mit Leuten, die viele Kilometer im Jahr Auto fahren, die haben dann auch mal einen Unfall, daran muss man ja nicht mal selbst schuld sein.«
»Es gibt also nichts das Sie dazu bewegen könnte Ihren Beruf als Hochseilartist an den Nagel zu hängen?«
»Nein, im Gegenteil. Ich kann mir nichts Schöneres wünschen, als dass die Dynastie der Familie Traber noch lange Zeit weiterlebt. Wenn man so ein Unternehmen 30, 40 Jahre geführt hat und daran hängt und Leidenschaft dafür verspürt hat, ist es nicht einfach, damit plötzlich aufzuhören.«
»Irgendwann wird der Tag kommen, an dem Sie das Zepter als Oberhaupt der Familie weitergeben müssen. Wer, glauben Sie, wird die Rolle als Manager des Familienunternehmens übernehmen?«
»Das war ja eigentlich schon klar. Ich habe ja nur einen Sohn, er hätte den Part übernommen. Keine Ahnung, wie lange ich den Beruf noch ausführen kann, aber ich habe noch lange nicht vor aufzuhören und hoffe, dass es irgendwann mal mein Enkel übernimmt oder meine Tochter, solange er noch zu klein ist. Es soll in der Familie bleiben. Man muss das Ganze ja zusammenhalten. Mit Liebe und Strenge, das gehört beides zusammen.«
Traber Show
Do. 25. Juni - Di. 30. Juni,
Talmarkt, Bad Wimpfen
Informationen zu den Showzeiten unter: