Foto: Alan Attridge
The Forecast
Der Tübinger Filmemacher Marcus Vetter hat in der Vergangenheit bereits einige aufsehenerregende Filme produziert. Ob »Hunger«, »Cinema Jenin« oder »The International Criminal Court« – sie alle wurden gefeiert. Jetzt hat er einen neuen Pfeil im Köcher: »The Forecaster«. Diesmal widmet er sich Martin Armstrong, einem Mann, der die Weltwirtschaft wie kaum ein anderer versteht und etliche signifikante Vorgänge vorhergesagt hat. Und auch jetzt gibt es eine beunruhigende Vorhersage.
Etwas scheinbar Unerwartetes vorhersehen – das ist der Stoff, aus dem viele Science Fiction-Romane gewoben wurden. Wer wollte nicht schon mal in die Zukunft schauen, sich in einen DeLorean setzen und wie Marty McFly mit Dr. Emmett Brown in die Zukunft reisen? Doch ist der Blick in die Zukunft tatsächlich nur Science Fiction? In diesem konkreten Fall sicherlich. Im Falle eines gewissen Martin Armstrong, der am 1. November des Jahres 1949 in New Jersey das Licht der Welt erblickte, nicht. »Forecaster« – das Orakel – nennt man ihn gerne. Man sagt ihm nach, er könne die Zukunft der Weltmärkte vorhersagen. Und dafür gibt es Belege.
Der schnelle Wertverlust des Dollars anno 1986 – Armstrong wusste es davor. Der »Schwarze Montag« am 19. Oktober 1987 – auch ihn hat Armstrong vorhergesehen. Ebenso wie den Nikkei-Crash 1989 oder jüngst die Finanzkrise 2008. Und Armstrong war nicht irgendwer, sein Wort hatte Gewicht. Er war Ökonom des Jahrzehnts, die Japaner nannten ihn »Mr. Yen« und dann verschwand er von der Bildfläche. Verhaftet, unter zweifelhaften Umständen verurteilt und zwölf Jahre lang hinter Gittern verbracht.
Im Jahr 2011 wurde er entlassen. Kaum raus aus dem Gefängnis, erinnerte er sich an seine Zeit in Haft und stellte seinem Anwalt eine heute nicht ganz unbedeutende Frage: »Wo ist dieser Deutsche, der mich interviewen wollte?« Dieser Deutsche war der Tübinger Regisseur Marcus Vetter und das Ergebnis dieser Frage kann ab dem 7. Mai jeder im Kino sehen. Dann startet »The Forecaster«.
Der Tübinger Regisseur begleitete Martin Armstrong drei Jahre lang. Er sprach mit ihm, hörte ihm auf seinen Seminaren zu, interviewte Armstrongs Wegbegleiter. Herausgekommen ist eine spannende Portrait-Doku über einen Mann, der früher mit Milliarden von Dollar hantierte. Und einen Mann, wie es ihn auf dem Planeten kein zweites Mal gibt. »Er ist ein sehr interessanter Mensch«, sagt Vetter über seinen Protagonisten. »Es macht Sinn, ihm zuzuhören. Das, was er sagt, hört man sonst nicht.«
Der nächste Crash steht kurz bevor
Martin Armstrong ist ein Mann mit einem schier unglaublichen Geschichtswissen. »Das hat fast schon autistische Züge«, so Vetter. Mit diesem Wissen hat er Geldsysteme bis in die Antike analysiert und ist zu einem erstaunlichen Fazit gekommen: Regierungen haben schon immer Schulden gemacht, ohne diese zurückzahlen zu wollen. Die Welt verliefe immer in Zyklen, nur wollen das die Menschen, vor allem Politiker, nicht wahrhaben und versuchen, dagegen zu agieren. Immer mit dem selben Ergebnis: vergeblich. Es ging immer nach oben und es ging eben genauso immer nach unten mit der Wirtschaft. Und es gab immer signifikante Dellen. Die nächste steht uns laut Armstrong bevor: Im Oktober 2015 werden weltweit die Staatsschulden einbrechen. Das sagt »das Orakel«.
Das Brisante an dieser Aussage speist sich aus der Historie. Denn bislang lag Armstrong mit seinen Vorhersagen immer richtig. Geholfen hat ihm dabei ein Computermodell, das er selbst entwickelt hat und das alle Geldströme der Welt verfolgt, und die ominöse Zahl Pi. »An diesen Pi-Tagen scheinen relativ oft entscheidende Dinge zu passieren«, sagt Vetter. Das sei belegt. Und trotzdem fällt es schwer, dies zu glauben. »Selbst wenn man von so vielen Menschen gehört hat, dass Armstrong immer richtig lag, fällt es jemandem, der nicht an Hokuspokus glaubt, schwer, das zu glauben«, sagt auch der Regisseur des Films. Und ergänzt: »Es würde mich aber nicht wundern.«
Um dies als Spinnerei abzutun, dafür beschäftigt sich Marcus Vetter schon viel zu lange mit Martin Armstrong. Bereits im Jahr 2000 suchte er für einen Film einen Spieletheoretiker. Dabei sei immer der Name Armstrong gefallen. Nur saß er zu der Zeit bereits im Gefängnis. Im Jahr 2008 versuchte der Tübinger Regisseur einen Vorstoß, Armstrong für einen anderen seiner Filme zu interviewen. Dieses bekam er nicht genehmigt. Doch zum Glück hat Armstrong dieses einmalige Gedächtnis. Alexander Steinle
The Forecaster Kinostart: 7. Mai
u. a. im Kino Musuem, Tübingen
Mehr Infos auf www.theforecaster-movie.com