Sebastian Bielendorfer
Seine Bücher standen viele Wochen auf den vorderen Plätzen der Bestsellerlisten. Jetzt hat »das Lehrerkind« Bastian Bielendorfer den Stift gegen die Comedybühne getauscht. MORITZ-Redakteur Christoph Schwärzler hat ihn interviewt.
Es ist jetzt vormittags um elf Uhr. Für einen Künstler ist das doch eine recht frühe Zeit für ein Interview.
Ich bin jetzt gerade meinem Eselsmilch-Bad entstiegen, das ist richtig. Vor einer halben Stunde bin ich von meinem Diener geweckt worden. Jetzt gehe ich erstmal zur Fußpflege und dann schau ich mal wie der Tag so verläuft – so ist mein Leben natürlich nicht wirklich. Ich lebe ganz genau so wie jeder andere, der einen Job hat. Ich muss ja irgendwie auch die Sachen schreiben, die ich mache. Sei es auf der Bühne oder in meinen Büchern. Ich habe nur eben die Freiheit, dass ich nicht Punkt acht auf der Matte stehen muss.
Woher kommt diese Arbeitsmoral?
Ich habe einfach so einen preußischen Arbeitsethos. Ich bin Westfale. Mein Vater schläft drei Stunden am Tag und eigentlich wartet er nur darauf, dass die Schule wieder anfängt. Dementsprechend ist das bei mir so eingebaut. Ich hatte schon immer einen hohen Arbeitsethos, behaupte ich jetzt einfach mal. Ich hoffe, die anderen würden das auch sagen.
»Meine Eltern hatten Tränen in den Augen«
Sie spielen im Januar in Tübingen. Haben Sie eine besondere Beziehung zu dieser Stadt?
Bisher habe ich noch keine Beziehung zu Tübingen, ich war noch nie dort. Aber nach meinem Auftritt wird sich das sicher ändern. Und ich habe mich hier einmal um einen Studienplatz beworben. Allerdings habe ich keine Zulassung für Psychologie bekommen und dann in Osnabrück studiert - und dieses Jahr nach 18 Semestern abgeschlossen! Meine Eltern hatten Tränen in den Augen. Das erste Mal im Leben. Für meine Eltern war das enorm wichtig. Für die ist ja was ich mache, maximal auf dem Niveau eines Schiffschaukelbremsers auf der Kirmes. Als ich dann Akademiker wurde, war das für sie ein ganz besonderer Tag. Ich hätte das im Vorfeld gar nicht gedacht, aber es war wahnsinnig wichtig für sie.
War es auch für Sie wichtig, das Studium nach so langer Zeit doch noch abzuschließen?
Ich weiß nicht, ob ich es getan hätte, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es meinen Eltern wichtig ist. Ich glaube, wahrscheinlich schon, weil ich eben diesen Arbeitsethos habe. Trotzdem war es ein Riesenspagat. Ich bin an 150 Tagen im Jahr auf Bühnen unterwegs, außerdem schreibe ich auch noch Bücher. Parallel dazu dann noch sieben mündliche Prüfungen plus eine Diplomarbeit abzuliefern, war schon extrem heftig. Allein das hat deswegen ja auch acht Semester gedauert. Andere machen das ist zwei oder drei Semestern. Aber zum Glück ist es gut ausgegangen.
Ist die Psychologie eine Option wenn sie nach der Schriftstellerei und der Comedy etwas anderes machen wollen?
Ehrlich gesagt ist mein Traum ein Leben lang von dem leben zu können was ich momentan tue. Aber wenn es garnicht anders ginge – warum soll ich mich dann beim Döner-Imbiss bewerben wenn ich Psychologe werden könnte? Ähm, oder bin! Immerhin bin ich‘s! Ich habe ein Diplom! Das ist aber eine Frage, die ich mir erst stelle, wenn es soweit ist.
»Ich bin eigentlich der Typ auf der Bühne«
Die Bühnenfigur und den privaten Bastian Bielendorfer kann man nicht so richtig trennen. Sind sie auch im Privaten ein Komiker?
Ich bin jetzt auf jeden Fall kein tiefdepressiver Charakter, was Komikern ja gerne nachgesagt wird. Ehrlich gesagt, bin ich aber auch niemand, der die Festtafel an sich reißt und Witze erzählt. Dafür habe ich ja im Endeffekt die Bühne. Ich bin eigentlich der Typ auf der Bühne. Ich erzähle aus meinem echten Leben, meine privaten Geschichten. Ich bin ein Lehrerkind, das ist auch nicht übertrieben. Meine Eltern waren wirklich Lehrer an meinen Schulen, mein Onkel war der Direktor. Deshalb lässt sich das bei mir nicht so stark trennen wie bei völligen Kunstfiguren, die eine Perücke oder einen pinkfarbenen Jogginganzug tragen. Ich erzähle halt ein Stückweit aus meinem Leben. Zum Beispiel von meiner Hochzeit. Die hat auch genau so stattgefunden. Wenn mich Leute auf der Straße ansprechen, sagen die oft: »Sie sind doch das Lehrerkind«. Mein Name wird deutlich weniger wahrgenommen als meine Rolle. Was für mich aber ok ist. Es ist ja schon wenn die Leute einen erkennen.
Werden Sie oft erkannt?
Drei bis vier Mal die Woche. Das ist noch überschaubar und in einem Maß, mit dem man gut leben kann. Ob ich eine so unfassbare Bekanntheit erreichen wollte wie etwa ein Thomas Gottschalk, weiß ich nicht. Dann kann man nicht einmal mehr auf eine öffentliche Toilette gehen, ohne beim Pinkeln Autogramme geben zu müssen. So bekannte Leute leben dann im Zweifelsfall auch weit weg. Die wissen dann schon, warum sie nicht in Deutschland bleiben. Und ich würde gerne weiter hier leben.
Wie kommt Ihre Frau damit zurecht, dass Sie ganz private Dinge in die Öffentlichkeit bringen und beispielsweise auf der Bühne von Ihrer Hochzeit erzählen?
Sie bleibt im Hintergrund. Sie hatte nie das Bedürfnis in den Medien oder auf dem roten Teppich als Person stattzufinden. Ich habe sie bei keinem Interview oder einer öffentlichen Veranstaltung je dabei gehabt. Das will sie nicht. Dementsprechend ist das Bild, das die Leute haben, wenn ich auf der Bühne von uns erzähle, natürlich eines, das sie sich selbst in ihrem Kopf machen. Deswegen kann meine Frau damit leben, weil sie trotzdem ihre Privatsphäre hat. Außerdem kann sie auch über meine Geschichten lachen. Ich erzähle ja nichts Bösartiges. Zum Beispiel bei unserer Trauungszeremonie oben auf einem Leuchtturm. Die Standesbeamtin hält eine Rede und ganz am Ende zitiert sie Heinrich von Kleist. Mein Vater brüllt dann ungelogen rein: „Das ist unpassend! Heinrich von Kleist war unglücklich verheiratet und hat sich umgebracht!“ Das hat mein Vater während unserer Trauung wirklich gemacht. Und wenn man Komiker von Beruf ist, dann kann man das nicht liegen lassen.
Kann man sagen, dass das Leben Ihre Inspirationsquelle ist?
Das ist es doch bei jedem. Die größte Eigenschaft eines Komikers ist, das du Dinge aus dem Leben nimmst, die vielleicht jeder kennt aber nicht bemerkt und dann das Komische daran entdeckst. Da gibt es so viele Beispiel. Etwa Verhaltensweisen, die jeder zeigt, aber eben unbewusst. Wenn jemand undeutlich spricht, fragen wir nur zweimal nach. Beim dritten Mal tun wir so, als hätten wir verstanden was unser Gegenüber gesagt hat. Wir lachen dann höflich und hoffen, dass der andere nicht nochmal wiederholt was wir gerade nicht verstanden haben. Das macht jeder Mensch auf der Welt. Niemand fragt dreimal nach. Wenn du das dem Publikum erzählst, hast du immer das Gefühl, 95 Prozent wissen sofort wovon die Rede ist.
Der 24. Dezember steht jetzt vor der Tür. Wie wird bei Familie Bielendorfer Weihnachten gefeiert?
Relativ traditionell. Ich komme ja aus einem klassischen Lehrer-Bildungs-Haushalt. Dementsprechend gibt es kein großes Brimborium. Auch als ich ein kleines Kind war, hat sich mein Vater nicht durch den Kamin abgeseilt, oder so. Allerdings haben meine Eltern einmal den betrunkenen Hausmeister meiner Großeltern als Weihnachtsmann eingeladen, was mich zu Tode erschreckt hat. Mein Vater hatte ganz viele Sachen aufgeschrieben, die ich falsch gemacht habe in meinem Leben. Ich war erst fünf und habe fürchterlich angefangen zu brüllen. Heute ist das nicht mehr so. Heute sitzen wir einfach zusammen und sind ein bisschen gemütlich.
»Ich find‘s schön, dass Weihnachten so entschleunigt«
Trotz dieser traumatischen Erfahrung mit dem betrunken Hausmeister: Sind Sie ein Weihnachtsfan?
Naja, ich find‘s schön, dass Weihnachten so entschleunigt. Ich bin in einem Job unterwegs, bei dem man echt viel durch die Gegend tingelt und an Weihnachten hält die Welt eben mal kurz an. Und das ist zumindest in meinem Job sehr angenehm. Es gibt über Weihnachten keine Shows, man kommt mal zusammen und hat ein paar Tage, an denen man mal nicht im ICE sitzt. Das mag ich an Weihnachten schon gerne. Ich finde aber, Weihnachten sollte eher besinnlich als besinnungslos sein. Das wird ja auch oftmals ein bisschen anders interpretiert.
Also lieber den einen oder anderen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt als die große Sause?
Ein schöner Glühwein, wenn er nicht aus dem Tetrapack kommt und man am nächsten Morgen schielt, ist schon etwas Gutes. Wir haben in Köln ja auch einen großen Weihnachtsmarkt.
Sind Sie in der Vorweihnachtszeit dort regelmäßig anzutreffen?
Ehrlich gesagt, als Kind hat man ja die Tendenz da 27 Mal hin zu rennen, als Erwachsener reichen zwei Besuche, bei denen man an Frittiertem erstickt und sich am Glühwein verschluckt. Der ganz große Zauber des Weihnachtsmarkts lässt ein bisschen nach, wenn man älter wird, glaube ich.
Sie wohnen inzwischen in Köln, sind aber in Gelsenkirchen geboren. Da ist natürlich das erste was einem in den Sinn kommt: Sind Sie Schalke-Fan? Interessieren Sie sich überhaupt für Fußball?
Ne, ich bin Borussia-Fan. Das ist sehr ungewöhnlich. In Gelsenkirchen wird man entweder als Schalkefan auf die Welt gedrückt oder man kann mit Fußball nichts anfangen. Bei mir war Zweiteres der Fall. Jedenfalls bis ich meine heutige Frau kennengelernt habe. Das war vor zwölf Jahren. Ich kam bei ihren Eltern in Dortmund ins Wohnzimmer und ihr Vater saß auf dem Sessel mit einem Wimpel über dem Kopf und schaute Borussia. Bei der Entscheidung ob ich seine Tochter bekomme oder nicht, war es für ihn sehr wichtig ob ich Schalke Fan bin. Ich bin dann spontan zum BVB konvertiert, kann man sagen. Die Frau habe ich ja bekommen, es hat also funktioniert.
Sie sind also offensichtlich weiterhin BVB-Fan?
Ist auch momentan ein angenehmeres Gefühl, glaube ich, als Schalke-Fan zu sein. Obwohl die ja wieder im Aufwind sind. Zwischendurch war es ja ganz schön bitter. Meine Eltern sind Schalke-Fans.
Fußball interessiert Sie also nur am Rande. Wo liegen dann Ihre Interessen?
Definitiv beim Film. Ich bin so ein alter Filmnerd. Ich kann wahrscheinlich alle Oscar-Preisträger bis 1920 aufsagen. Ich bin im Kino sozialisiert worden und bin noch heute ein riesen Fan. Ich habe zu Hause eine Leinwand und einen Fernseher, der abstrus groß ist, so dass meine Frau immer nörgelt. Ich kann mich da bis heute nicht so richtig lösen. Und natürlich Lesen, denn ich schreibe Bücher.
Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?
Der letzte Film, den ich gesehen habe, war »Kingsmen«. Das sagt Ihnen jetzt vielleicht nichts, aber es ist eine Action-Komödie, so ein bisschen James Bond auf lustig. Den Film empfehle ich den Tübingern. Aber der ist ab 16. Also nicht die Kinder traumatisieren!
»Man sollte seine Ziele immer so stecken, dass man sie am Horizont sehen kannn«
Sie haben drei Bücher geschrieben, sie haben ein Bühnenprogramm auf die Beine gestellt. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Jeder träumt doch davon, einmal in der großen Arena zu spielen. Ich finde, man sollte seine Ziele immer so stecken, dass man sie zumindest am Horizont sehen kann, sonst träumt man rum. Ich spiele mittlerweile vor 300 bis 400 Leuten, das ist momentan meine Realität und ein großer Segen. Wenn ich das Ganze jetzt noch zwei, drei Schritte größer machen und gut davon leben könnte – so würde ich schon meinen Lebensplan beschreiben. Abgesehen davon, dass ich mit meiner Frau eine Familie gründen will.
Bastian Bielendorfer – Das Leben ist kein Pausenhof Do. 12. Januar, 20 Uhr, Sudhaus, Tübingen, www.koko.de