Foto: Flames Fire Company
Die Tonne Reutlingen
Neue Heimat für die »Tonne«. Nach 14 erfolgreichen Jahren in der Planie 22 zieht die Bühne in den ersten Theaterneubau der Reutlinger Stadtgeschichte. MORITZ-Volontär Alexander Hinssen hat das Gebäude einmal genauer unter die Lupe genommen.
Nordische Götter, die im Schneesturm einen wilden Feuerzauber entfachen. Teenager im Internetwahn und Kickstarterfirmen, die »Wötze« verkaufen. Szenen eines Bauprojekts in schwarz-weiß untermalt von metallischen Klängen. Bei der Eröffnung des Theaterneubaus in der Jahnstraße ging es heiß und kalt, poetisch, sozialkritisch und amüsant zu. Typisch »Tonne« eben, oder nicht?
Der Lange Weg zur neuen »Tonne«
Nur ein Mann scheint in norddeutscher Gelassenheit den Trubel des Eröffnungswahnsinns hinter sich zu lassen. Mit laut knirschendem Walkie-Talkie an der roten Hose und aufmerksamem Blick sucht sich Enrico Urbanek kurz vor den Eröffnungsfeierlichkeiten seinen Weg durch die verwinkelten Gänge des zweistöckigen Neubaus. Seit 2001 ist der gelernte Matrose der Intendant der »Tonne« und hat das Theaterhaus aus dem unruhigen Fahrwasser einer drohenden Insolvenz in ruhigere Gewässer geführt.
Die Expansion des Theaters war Urbanek stets ein Anliegen: Die 2004 in der Planie 22 eröffnete zweite Spielstätte taugte allerdings nur als Provisorium. Daher beschloss der Gemeinderat Reutlingen im Jahr 2012 einen Neubau in der Jahnstraße 6 durchzuführen. Mit den Bauarbeiten wurde am 1. März 2016 begonnen. Der Kostenrahmen stieg von ursprünglich 7,8 auf 10,9 Millionen Euro.
In gut geübter Manier hat Urbanek die Ungereimtheiten des in der Reutlinger Stadtgeschichte einzigartigen Bauprojektes umschifft. Beinahe unbedeutend erscheint ihm, dass die Fassadenarbeiten erst im März abgeschlossen werden. Ein Theaterneubau sei schließlich »deutschlandweit eine absolute Rarität«, schwärmt Urbanek. Der »neue Mosaikstein im Reutlinger Stadtbild« wartet mit zwei unabhängig voneinander zu bespielenden Theaterräumen mit 247 Sitzplätzen im großen und 126 im kleinen Saal auf.
Das Untergeschoss des Gebäudes ist mit einer Probebühne, zwei Werkstätten und einem 3,40 Meter hohen Fahrstuhl bestückt, der einen Transport der Kulissen zwischen den einzelnen Etagen ermöglicht. »Ein absoluter Meilenstein«, wie Urbanek betont. Auch technisch wurde aufgerüstet. So verfügt der große Saal etwa über eine eigene Schwenkbühne. »Die Tonne«, so erklärt Urbanek, »strahlt in völlig neuen Dimensionen«. Die andauernden Bauarbeiten seien ohnehin kein Problem, denn die Baustelle diene den Künstlern als ein »Biotop künstlerischer Befruchtung«. Das breite Potpourri der künstlerischen Darbietungen war maßgeblich von den Eindrücken vom Leben und Arbeiten mit der Baustelle inspiriert. Urbanek erlaubt sich nach dem ausverkauften Eröffnungsabend ein Lächeln. Das Walkie-Talkie schweigt mittlerweile. Er freue sich auf die neuen Herausforderungen, auch wenn das bestimmt »wahnsinnig viel Arbeit« werde. alh
Premiere im Februar
»Through Roses«: Das musikalische Drama von Marc Neikrug erzählt die tragische Geschichte von einem virtuosen Geiger im Horror von Auschwitz. Das Stück wird musikalisch unterstützt von der Württembergischen Philharmonie.
Premiere: 10. Februar, 20 Uhr. Termine am 11. Feb., 18 Uhr und 15. bis 17. Feb., 20 Uhr.