Foto: Benedikt Schnermann
Pohlmann
Ingo Pohlmann stellt am 25. April im Im Wizemann sein neues Album "Weggefährten" vor, dass am 24. März erschien. Was der Singer-Songwriter sonst so treibt, wie sein kreativer Prozess funktioniert und was ihn nerven könnte, lest Ihr hier!
Deine Tour zu „Weggefährten“ beginnt bald. Voll im Stress?
Morgen stehe ich um vier Uhr früh für das Morgenmagazin MOMA auf. Fünf Uhr da sein, dann Maske und Soundcheck. Um sechs geht die Sendung ja schon los und um sieben Uhr sind wir ja dann an der Reihe.
Bist du sonst ein Frühaufsteher?
Ja, früh aufstehen kann ich ganz gut. Aber vier Uhr (lacht) hat mit früh aufstehen nichts mehr zu tun. Das ist einfach in der Nacht.
Das ist spät aufstehen.
Ja, so ungefähr. Aber sonst geht das eigentlich ganz gut. Sieben, acht Uhr schaffe ich immer.
Wo bist Du denn gerade? Im Hamburg?Auf dem Bauernhof?
Im Moment bin ich in Hamburg. Jetzt fahre ich herum und mache gerade meine Promo-Reise. Und zwischendurch mache ich ein Telefoninterview.
Hast Du als Vater viel zu tun?
Ja, klar. Das hat sich verändert. Früher konnte man so aus der Hosentasche kreativ sein und sich seine Zeit nehmen. Jetzt muss man doch alles planen. Für mich gibt es da verschiedene Möglichkeiten. Studios auf Bauernhöfen. Wo ich mich zurückziehen und in die Versenkung gehen kann. Da kann ich dann auch relativ auf Knopfdruck kreativ sein, wenn ich weiß, dass nichts mich herum mich ablenkt. Das dauert so ein, zwei Tage bis man sich in die Universen der Songs reingedacht hat und kann dann besser schreiben. Das tut mir ganz gut hier.
Was machst Du noch so auf dem Bauernhof, hast Du dann Dreck unter den Fingernägeln?
Nö, nix. Hier wird nur geschrieben. Ich trinke eigentlich den ganzen Tag Kaffee, brüte mit der Gitarre in der Hand über meinem Computer oder Papier bis ich Rückenschmerzen habe. Und dann gehe ich abends um 22 Uhr ins Bett. Aber es irgendwie auch spannend. Das ist kein aktiver Bauernhof mehr, da ist kein Hahn, der mich weckt. Ich wache morgens auf, befasse mich mit meinem Leben und will das einfach nur in Songs packen. Das kann schon richtig gute Laune machen. Nur wenn man abends noch Zeug geschrieben hat, was man total doof findet, dann ist das manchmal ziemlich zermürbend.
Du hast mal gesagt, dass Du auch viel für die Tonne arbeitest.
Wenn ein Song textlich nicht auf dem Punkt ist, will ich ihn nicht. Manchmal bleibt von vielen Songs auch nur ein einzig richtig geiler Spruch über, der es dann in ein gespieltes Lied schafft. Man muss da wie Wasser sein und mit dem Strom schwimmen.
Versuch und Irrtum?
Ja, vielleicht. Andererseits gibt es Songs, an denen man bis zum Schluss drangeblieben ist und die sich dann geegelt haben (lacht). Man hat die ganze Zeit das Gefühl gehabt „Kacke, das wird nichts“, aber irgendwo ist da der Haken, an dem ich was aufhängen kann. Irgendwann, in der letzten Stunde, durch die man sich durchgebissen hat, klappt’s dann. Irgendwann muss man aber auch loslassen.
Du kombinierst auf „Weggefährten“ Deutsch-Pop mit Blues. Was ist Dein Recht, den Blues zu singen?
Blues hat für mich eine spirituelle Ebene - genau wie das Singen. Die Namen Blues oder Soul sind nur Bezeichnungen für eine ureigentliche Musik. Wenn ich die Gitarre in die Hand nehme, die Augen zu mache und Songs wie „Lichterloh“ oder „Himmel und Berge“ singe, dann ist das einfach der Blues. Mehr kann ich nicht sagen, weil man dann eigentlich mit seinem tiefsten Inneren in Kontakt steht. Das hat für mich viel damit zu tun, warum ich lebe, warum es mich überhaupt gibt, wie sich die Welt entwickelt hat und welcher Teil der Entwicklung ich bin. Sei es das Monster, das alles zerstört oder sei es die Fähigkeit, zu lieben, die ich in mir entdecke. Man muss nicht unbedingt arm sein oder als Sklave ausgepeitscht werden, um den Blues zu haben. Wir könnten sagen wir haben den Luxusblues, wenn es nur Liebeskummer ist, aber das sag ich ja in einem Song. „Ich dachte wir bleiben zusammen bis zum Weltuntergang, aber zum Glück sind's nur wir Zwei, die hier untergehn“. Abgesehen davon steht für die Menschheit derzeit zu viel auf dem Spiel, um nicht auch den Blues zu haben.
Für mich aber immer meistens mit einem Licht am Ende des Tunnels.
Tröstet Musik?
Ich hab das immer als Trost und ein bisschen als Therapie benutzt. Ich bin ein unruhiger Geist und versuche immer, mich in der Mitte zu halten. Ich lasse mich sehr von meinen Gefühlen vereinnahmen. Das kann ich mit Musik ganz gut abfedern.
Was brauchst Du zum glücklich sein?
Au, was brauch ich zum glücklich sein? (denkt, lacht). Ne warme Dusche ist nicht schlecht, eine Gitarre, die funktioniert und natürlich Menschen um mich herum, die mich lieben und umgekehrt. Das ist das Wichtigste.
Welchen kleinen Luxus gönnst Du Dir?
Ich gehe in die Sauna. Das mache ich ganz gerne und mache dann drei Saunagänge. Wie beim Joggen ist das Schönste an der Sauna, wenn man fertig ist damit. Wenn man da rauskommt in die Winterkälte und die ganze Welt sich so dreht. Das finde ich super.
Peitscht Du Dich aus und legst Dich in den Schnee?
Wenn jetzt Winter wäre, würde ich das machen.
Singer-Songwriter oder Kneipenmusiker?
Ich glaube, dass die Grenzen zwischen dem, was man tut, so schwammig sind, dass man keine Kategorie finden kann. Ich bin Singer-Songwriter, weil ich da mit meiner Gitarre sitze und die Songs selber schreibe. Der Kneipensänger gehört einfach zu mir, weil ich so angefangen habe. Aber ich bin ja seit zehn Jahren nicht mehr in der Kneipe und habe in diesem Zeitraum mit vier Produzenten zusammengearbeitet. Mit Phillip Schwär habe ich jetzt einen Produzenten gefunden, der dem nahekommt, was ich schon immer hätte machen sollen. „Weggefährten“ ist eine runde, energetische Platte geworden, die beweglich ist. Genau wie die anderen Platten von mir hat sie auch eine Menge Blues und Soul, ist aber in ihrem Stil nicht so unentschieden wie die anderen. Die neue hat eine klare Linie und ist in sich total geschlossen, weil eine geile Band das grundsätzliche Zeug wirklich eingespielt hat, auf dem ich aufbauen konnte.
Du bist ein lockerer, optimistischer Typ. Was könnte Dich nerven?
Ich würde sagen ich bin ein treslistischer Optimist, ich kämpfe gegen den Pessimisten in mir. Pessimismus ist kein Ausweg. Meine Songs helfen mir, die Welt mit besseren Augen zu sehen. In einem Lied von mir von vor fünf Jahren habe ich gesungen „Ich bin ein Teil von dem System, wollt ich raus könnt ich fast keinen Schritt mehr gehen“. Da ging es um Wirtschafts- und Klimaflüchtlinge, dass hatte nichts mit dem Krieg in Syrien zu tun. Ich hatte damals den Film „The end of the line“ gesehen, in dem es um Überfischung der Meere und die Arbeitslosigkeit an Afrikas Küsten ging. Die fangen einfach nichts mehr, es wird so heiss da, dass da nichts mehr wächst, das Land unfruchtbar wird und das Wasser umkippt. Die Menschen müssen irgendwo hin und kämpfen um ihr Leben. Das würde jeder von uns genauso tun. Dann kommt Krieg hinzu, weil sich die paar, die noch an der Macht sind, die Kohle reinziehen. Das ist ganz übel, wo das hinsteuert. Jetzt haben wir so einen Trump, so einen Clown, eine unfassbare Witzfigur als Weltenlenker und Feind der Menschheit, meiner Meinung nach. Und dieser Arsch behauptet, die Journalisten wären die Feinde des Volkes. Für mich ist Trump ein Feind der Menschheit, der den Maßnahmen gegen den Klimawandel den Krieg erklärt zugunsten von Arbeitsplätzen. So hätte es „Mr Underwood“, der böse Präsident aus „House of Cards“ auch gemacht. Wir können ja mal kucken, wie viel Arbeitsplätze wir noch brauchen, wenn die Sonne nicht mehr lacht, sondern nur noch scheint. Das ist ganz grausam, und das sag ich dir, dass pisst mich richtig an. Der schlimmste Spruch, den sich die Mächtigen zu werfen ist: „Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen.“
Wir können den Planeten aber noch retten? Du bist ja auch engagiert.
Mich interessieren jegliche Informationen zu Naturschutz. Das hat auch mit der Sea Shepard oder der Jane Godall Foundation zu tun. Ich finde, dass Jane Godall eine ganz großartige Frau ist. Diese „Schimpansenfrau“ wird oft mit der „Gorillafrau“ Diane Fosset verwechselt. Godall ist jetzt 80 und fliegt 200 Tage im Jahr durch die Gegend und baut Schulen in Grenzgebieten zu Naturschutzräumen auf. In der Schule werden sich dessen Besucher und Schüler ihrer eigenen Möglichkeiten bewusst und können ihre Natur so besser schützen. ohne Bildung funktioniert Naturschutz in diesem Falle nicht.
Warst Du schon in der Elbphilharmonie? Wo bist Du in Hamburg unterwegs?
Nein, ich war noch nicht da. Das habe ich noch nicht geschafft. Bei mir ist gerade mit der Platte so viel los. Ich bin froh, wenn ich meine Familie mal sehe und wir was unternehmen können. Ansonsten bin in der Schanze (auf der Schanze?) unterwegs und das ist immer ganz lustig.
Was bedeutet Dir Hamburg?
Ich hatte zwei Tage Zeit, es regnete zwei Tage durch, aber wir wollten irgendwas machen. Wir sind dann im Regen an den Strand gefahren (lacht). Ich habe dann mit meiner Tochter den Hafen angeschaut und Muscheln und Glasteile gesammelt. Es ist romantisch und schön, den Hafen zu haben. Ich bin ja Westfahle, aber wenn man sich mal so mit der Stadt angefreundet hat und über die Elbbrücken oder durch den Elbtunnel nach Hamburg reinkommt, ist das irgendwann Deine Stadt.
Du bist als „langhaarige Schlampe“ ausgebrochen und hast Dein eigenes Ding gemacht.
Meine Lebensumstände sind großartig. Dafür bin ich sehr dankbar. Was ich aber nicht mache, ist, mich mit Leuten zu vergleichen, die nichts haben. Wir neigen immer dazu, zu sagen „Ach, stell Dich mal nicht so an, der hat nichts zu essen, Du kannst mal froh sein, wie es Dir geht“. Ich glaube, dass die Welt so nicht funktioniert. Man sollte nicht die Leute heranziehen, denen es nicht so gut geht, um sein eigenes Leben zu schätzen zu wissen. Man muss eine Philosophie haben, die außerhalb davon funktioniert. Eigentlich habe ich die. Wenn Du Dir das reinziehst. Das Wundern über das Leben, ganz egal, ob Du arm oder reich bist. Das Leben an sich ist ja schon ein Wunder. Das ist eine Sache, die außerhalb des Geldes funktioniert. Es hat für mich immer außerhalb der Familie, des Geldes und des Ruhms funktioniert, sich über das Leben zu wundern. Ich habe keinen blassen Schimmer, warum ich da bin, wenn ich morgens aufwache. Die Identifikation als Mensch, als Ingo Pohlmann, keine Ahnung, als Deutscher, als Westfale. In Wirklichkeit ist da so ein Planet, der durchs Weltall geistert, darauf sind die Menschen, die sich entwickeln. Ich finde es spannend, mich da oft hineinzudenken.
Cooler Zufall mit der Erde und der Menschheit?
Vielleicht ist es nur Zufall, vielleicht nicht. Das weiss ich auch nicht.
Werden wir wahrscheinlich auch nicht klären können.
Nö, jetzt nicht (lacht).
Ich danke Dir ganz herzlich für dieses Interview. Viel Spaß auf Deiner Tournee!
Ja. Danke für Dein Interesse.
Gute Zeit Dir!
Dankeschön. Bis dann! Tschüss!
Pohlmann, Weggefährten-Tour, Di. 25. April 2017, 20 Uhr Im Wizemann, Stuttgart