Die Jury hat sich für die Regisseurin entschieden
Der Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar wird 2015 an Andrea Breth verliehen. Diese Entscheidung traf die Jury unter dem Vorsitz von Bürgermeister Jan Trost zum Jahresende 2014. Die Regisseurin feierte große Erfolge mit Inszenierungen von Maria Stuart und Don Carlos, die das Preisgericht zu den besten der letzten Jahre zählt, und auf die es seine Entscheidung besonders bezieht. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird am 10. November 2015, dem 256. Geburtstag Friedrich Schillers, in einem Festakt in der Stadthalle Schillerhöhe von Bürgermeister Jan Trost überreicht.
In ihren Inszenierungen der Schillerdramen habe Andrea Breth auf Textfreiheit verzichtet und auf das ursprüngliche Wort des Autors gesetzt, erläutert das Preisgericht seine Entscheidung. Es sieht in diesen Werken „eine Anmut, eine Demut und eine Vergegenwärtigungslust, die unvergleichlich sind“. Dabei entstehe der Eindruck, die Stücke seien neu geschrieben und als stehe der Autor wie selbstverständlich vor dem Zuschauer. Breth zeige eine erhabene und schöne Größe der Figuren.
Mit der Auszeichnung Andrea Breths möchten die Preisrichter auch das dramatische Werk Friedrich Schillers in den Fokus rücken. Zudem war ihnen wichtig, nach den Preisträgern der letzten Jahre, Jens Reich, Simone Veil und Rachel Salamander, die für ihr politisches Wirken ausgezeichnet wurden, ein künstlerisches Werk zu ehren.
Biografie Andrea Breths
Geboren 1952 in Rieden, Füssen, aufgewachsen in Darmstadt. 1971 bis 1973 Studium der Literatur an der Heidelberger Universität; 1972 bis 1973 Regieassistenz am Heidelberger Theater. Erste Inszenierungen in Bremen, Wiesbaden, Hamburg und Berlin (u. a. 1981 Lessings „Emilia Galotti“ an der Freien Volksbühne Berlin), an der Züricher Schauspielakademie und am Theater Neumarkt in Zürich. 1983 bis 1985 Engagement am Freiburger Theater. Mit Lorcas „Bernarda Albas Haus“ erfolgte 1985 die erste Einladung zum Berliner Theatertreffen. 1986 bis 1989 wechselte Andrea Breth ans Bochumer Theater. Mit Greens „Süden“ und Gorkis „Die Letzten“ wurde sie zum Berliner Theatertreffen eingeladen. „Theater heute“ wählte Andrea Breth zur Regisseurin des Jahres 1985. In den Jahren 1990 und 1992 inszenierte sie am Wiener Burgtheater Kleists „Der zerbrochne Krug“ und am Akademietheater O’ Caseys „Das Ende vom Anfang“. Von 1992 bis 1997 Künstlerische Leiterin der Berliner Schaubühne, mit Wampilows „Letzten Sommer in Tschulinsk“, Ibsens „Hedda Gabler“ und Tschechows „Onkel Wanja“ wurde sie zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
1999 bis 2006 inszenierte sie am Burgtheater u. a. Horváths „Der jüngste Tag“, Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“, Friedrich Schillers „Maria Stuart“, Albert Ostermaiers „Letzter Aufruf“ und „Nach den Klippen“, Tennessee Williams’ „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, Anton Tschechows „Der Kirschgarten“ und Lessings „Minna von Barnhelm“, ab 2008 „Motortown“ von Simon Stephens, „Quai West“ von Bernard-Marie Koltès, „Zwischenfälle“, Szenen von Courteline, Cami, Charms, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen und Shakespeares „Hamlet“. Mit Lessings „Emilia Galotti“ und Schillers „Don Carlos, Infant von Spanien“ wurde sie zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Bei den Salzburger Festspielen inszenierte Andrea Breth außerdem Schnitzlers „Das weite Land“ und „Verbrechen und Strafe“ von Fjodor Dostojewski. 2009 inszenierte sie Albert Ostermaiers „Blaue Spiegel“ am Berliner Ensemble und Kleists „Der zerbrochne Krug“ bei der Ruhrtriennale; 2011 Isaak Babels „Marija“ am Düsseldorfer Schauspielhaus, 2013 Ibsens „John Gabriel Borkman“ am Schauspiel Frankfurt 2014, Pinters „Der Hausmeister“ am Residenztheater in München.
Für die Oper inszenierte sie ab 2000 Glucks „Orfeo ed Euridice“ (Leipziger Oper), Smetanas „Die verkaufte Braut“ und „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm (Oper Stuttgart), Bizets „Carmen“ (Styriarte, Graz), bei den Salzburger Festspielen Tschaikowskys „Eugen Onegin“, Janáčeks Oper „Katja Kabanowa“ im Brüsseler Théâtre de la Monnaie, „Lulu“ und „Wozzeck“ von Alban Berg an der Berliner Staatsoper im Schiller Theater und „La Traviata“ von Giuseppe Verdi im Brüsseler Théâtre de la Monnaie.
Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Nestroy „Beste Regie“ 2003 für „Emilia Galotti“ und 2011 für „Zwischenfälle“ sowie 2006 den Theaterpreis Berlin. Andrea Breth ist Professorin für Regie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Berlin, Mitglied der Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main, der Akademie der Künste Berlin sowie der Bayerischen Akademie. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland sowie des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse von Österreich sowie des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.
Der Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar
Der Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar wurde erstmals zum 200. Geburtstag Friedrich Schillers im Jahr 1959 verliehen. Bis zum Jahr 2007 wurde mit ihm alle zwei Jahre eine hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Landeskunde von Württemberg ausgezeichnet.
Anlässlich des Schillerjahres 2009 veränderte der Gemeinderat die Verleihungskriterien. Der Preis geht seither an Persönlichkeiten, die in ihrem Leben oder Wirken der Denktradition Friedrich Schillers verpflichtet sind. Besonders preiswürdig ist der Einsatz für einen ethisch verantwortbaren Freiheitsbegriff im Sinne des Dichters, sei es in der Politik, der Kunst, den Geistes- und Sozialwissenschaften oder den Naturwissenschaften. 2009 wurde erstmals nach den neuen Kriterien der Molekularbiologe und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich ausgezeichnet, dem 2011 die französische Politikerin Simone Veil für ihre Verdienste um Europa folgte. Zuletzt erhielt die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Rachel Salamander 2013 den Preis für ihr entscheidendes Mitwirken am Wiederaufbau des jüdischen intellektuellen Lebens in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
Nach 1985 mit Dorothea Kuhn, 1993 mit Renate Neumüllers-Klauser, 1997 mit Ulrike Gauß (zusammen mit Christian von Holst), 2011 mit Simone Veil und 2013 mit Rachel Salamander erhält Andrea Breth als sechste Frau den Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar.
Mitglieder des Preisgerichts
Das Preisgericht besteht aus einem Kollegium von sieben Mitgliedern. Es setzt sich zusammen aus dem Direktor der Deutschen Schillergesellschaft, dem Landeshistoriker der Universität Tübingen, einem Vertreter der Philosophie, einem Vertreter der Theaterwissenschaften, einem Vertreter der Medizin und der Naturwissenschaften, einem Vertreter der Stiftung Weimarer Klassik und dem Bürgermeister der Stadt Marbach am Neckar als Vorsitzendem