Friederike Kroitzsch
»Hingucken, Zuhören, nachfragen, neugierig und offen sein. Bloß nicht alles besser wissen wollen.«, so hat sich Friederike Kroitzsch, echtes Großstadtkind, an ihr neues Landleben im Odenwald gewöhnt. Wir haben mit ihr über ihre neue Heimat gesprochen.
MORITZ: Sie sind aus der Metropole Berlin in ein 361 Seelen Dorf im Neckar Odenwald gezogen - wie groß war der »Kulturschock«?
Ich bin ja nicht direkt von Berlin ins Dorf gezogen, ich habe vorher noch ein paar Schleifen über München, Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen gedreht. Der Kulturschock ließ trotzdem nicht auf sich warten und war ziemlich groß. Mein Fehler war, dass ich dachte: Süddeutschland ist Süddeutschland, die sind da alle ähnlich, die sprechen ähnlich, die denken ähnlich. Denkste: Ich landete in einer völlig anderen, mir völlig neuen und fremden Welt und in einer Gesellschaft, mit der ich vorher nie zu tun gehabt hatte. Inzwischen geht’s mir direkt andersrum: wenn ich zurück nach Berlin komme, in diese Riesenstadt, in der ich mich doch eigentlich zuhause fühlen müsste, dann denke ich: Hallo? Wo bin ich hier gelandet?
Was war die größte persönliche Herausforderung?
Wir haben die Sache mit dem Landleben von Anfang an ziemlich ernstgemeint, und damit haben sich unsere Alltagsthemen mit einem Schlag komplett verändert. Eben nicht mehr: „Welchen Film gucken wir heute im Kino?“ Oder: „In welcher schicken Bar treffen wir unsere Freunde?“, oder „Wollen wir mal einen Ausflug ins Grüne machen?“ Sondern: „Wann müssen wir was aussäen, wann wird was geerntet?“ „Wer putzt den Hühnerstall?“ Und: „Wo kriegen wir unser Feuerholz her? Wohin mit den vielen Äpfeln?“ Oder: „Wie lagert man Kartoffeln richtig?“ In all diesen Fragen bin ich inzwischen Expertin. Aber fragt mich nicht nach dem neuesten Kinofilm oder dem Frühjahrs-Style 2017, ich habe keine Ahnung.
Wie haben Sie sich an das Landleben, die Leute und die Mentalität heran getastet?
So, wie ich das überall in der Fremde machen würde: Hingucken, Zuhören, nachfragen, neugierig und offen sein. Bloß nicht alles besser wissen wollen. Auch mal um Rat und Hilfe bitten. Das funktioniert nicht immer, aber immer öfter.
Haben sich die Vorurteile gegenüber dem Landleben bestätigt, welche waren das?
Ich hatte so wenig Ahnung vom Land, ich hatte nicht mal Vorurteile. Sonst hätte ich mich auf das Abenteuer Dorf vermutlich gar nicht eingelassen. Aber ich weiß natürlich, dass es jede Menge Vorurteile gibt, die meisten davon tragen ihren Namen zu recht: Vor-Urteil. Aber eines würde ich unterschreiben: Auf dem Land gehen die Uhren komplett anders. Das hat Nachteile, aber auch enorme Vorteile.
Ist dieses Zitat von Ihnen aus der RNZ noch aktuell? »In den ersten Jahren hätte ich mir deutsche Untertitel gewünscht, unten im Bildrand irgendwie, wenn man jemanden anschaut, aus dessen Mund in viel zu schneller Reihenfolge komplett unverständliche Laute herausquellen. Eine Art Dolmetscherprogramm.« Haben Sie das »Odenwälderisch« heute drauf?
Naja, sagen wir mal so: ich verstehe es inzwischen. Meistens jedenfalls. Meine Meisterprüfung habe ich neulich als Zuschauerin beim Bauerntheater gemacht. Kalauer an Kalauer, und alles auf Odenwälderisch. 99 Prozent habe ich verstanden. Ich war extrem stolz auf mich. Und habe mich köstlich amüsiert, muss ich gestehen.
Was ist für Sie das Schönste an der neuen Heimat und warum?
Die Landschaft. Der weite Himmel. Die Ruhe. Klingt jetzt alles sehr klischeemäßig, aber genau darauf freue ich mich nach einem Tag in einer lauten, dreckigen, hektischen Stadt. Und nichts geht über das Gefühl, sich aus dem eigenen Garten und aus dem Wald vor der Haustür – zumindest zu einem guten Teil – ernähren zu können.
Als Sie neu auf dem Land waren, bekamen Sie zu Beginn von Freunden, Bekannten und ihrer Familie aus Berlin wie»"Sag mal, verblödet man da nicht, bei Euch im Wald?". Werden Sie das immer noch gefragt?
Nein, die halten mich inzwischen für sowas wie eine Expertin in Sachen Provinz und Landleben. Ich bin weit davon entfernt, eine Expertin zu sein, aber sie hören mir staunend und mit offenen Mündern zu, wenn ich vom Leben in der strukturschwachen Region erzähle, vom demografischen Wandel und aussterbenden Dörfern, von Land- und Forstwirtschaft und von der Jagd, von Weltmarktführern, die hier in irgendwelchen winzigen Nestern Millionen-Umsätze machen, in denen noch vor hundert Jahren bittere Not herrschte. Das alles kommt denen völlig exotisch vor, so ein bisschen wie das Leben hinter den Sieben Bergen bei den Sieben Zwergen. Die Ahnungslosigkeit, auf die ich bei Städtern so oft treffe, nervt mich. Das will ändern. Ich habe da sowas wie eine Mission.