Sepp Maier
Herr Maier, haben sie gestern das Achtelfinalhinspiel ihrer Bayern gegen Donezk verfolgt?
Ja, klar. Das Weiterkommen dürfte trotz des Unentschieden kein Problem sein. Zuhause werden die geschlagen – logisch.
Sie verfolgen die Spiele der Bayern viel lieber vom heimischen Fernseher aus?
Ich bin oft unterwegs und die Spiel im Stadion zu verfolgen, ist für mich zu umständlich.
Der FC Bayern dominiert die Bundesliga nach Belieben. Kommt da keine Langeweile auf?
Für die Bayern-Anhänger kommt keine Langeweile auf, für die anderen vielleicht. Das 4:1 in Wolfsburg war ein Ausrutscher. Die Bayern fangen sich wieder schnell, im Gegensatz zur Konkurrenz.
Wer massive Probleme hat, sind die Dortmunder. Haben sie mit diesem Absturz gerechnet?
Das kam sehr überraschend, das hat keiner geglaubt. Zum Glück sind sie jetzt wieder in der Spur. Mit den Abgängen von Mario Götze und Robert Lewandowski hat das aber nichts zu tun, die haben ohne die beiden gezeigt, dass sie gut spielen können.
Wie nah dran sind sie noch am FC Bayern?
Wenn man insgesamt fast 45 Jahre für den FC Bayern gearbeitet hat, 20 Jahre als Spieler, 25 Jahre als Torwarttrainer dann ist man Teil der großen Bayern-Familie. Man muss sich nicht immer sehen, aber wenn, dann gibt es immer ein großes „Hallo“.
Was machen sie derzeit?
Wenn man sich nicht auf die faule Haut legt, was ich nie gemacht habe, dann gibt es immer etwas zu tun. Golfspielen steht bei mir ganz oben, dann ab und zu ein wenig Tennis spielen. Dann fahren wir in die Berge zum Wandern, wir haben nämlich eine Wohnung in Südtirol – sie sehen, da kommt keine Langeweile auf.
Als Torwarttrainer hatten sie viele Talente unter Ihren Fittichen. Wer war der Talentierteste?
Schwierige Frage. Wenn ich mich festlegen soll, dann würde ich sagen, dass Michael Rensing der Talentierteste war. Er hatte aber keine Unterstützung vom damaligen Bayern-Trainer Klinsmann, der hat ihn versaut. Die damalige Mannschaft hatte Probleme in der Abwehr, hat insgesamt nicht so gut gespielt, dazu ist Michael ein sehr sensibler Torwart – gerade der braucht den Rückhalt vom Trainer. Er ist nun mal kein Oliver Kahn, der mit dem Kopf durch die Wand möchte.
Was muss ein guter Torhüter mitbringen?
Torhüter wie Kahn, Neuer oder auch ich – die müssen geboren werden. Die bringen angeborene Talente mit, die man nicht antrainieren kann. Das Grundtalent muss einem in die Wiege gelegt werden.
Für viele Experten hat Manuel Neuer das Torwartspiel neu interpretiert. Sehen sie das auch so?
Dass einer 20 Meter vor seinem Kasten steht, ist nichts Neues. Ich habe meinen Sechzehner immer verlassen, wenn der Rest der Mannschaft angegriffen hat. Das neue Spielsystem kommt einem exzellenten Fußballer wie ihm entgegen. Früher schlugen die Torhüter zu 70 % nur lange Bälle, selten wurde quer zum Verteidiger gespielt. Ich musste ihn immer zu Franz spielen, der hat sonst geschimpft, wenn er den Ball nicht bekam. Jetzt ist der Torwart noch mehr ins Spiel eingebunden, das ist ja auch die Spielphilosophie von Pep Guardiola, dass das Spiel von hinten heraus aufgebaut wird.
Wenn sie schon Pep Guardiola ansprechen. Ist er der richtige für diese Mannschaft? Wird er seinen Vertrag verlängern?
Absolut. Der ist schon super. Ob er verlängert? - was weiß ich. Wenn Katar mit Millionen lockt, dann soll der FC Bayern ihn zwei Jahre beurlauben, dann kommt er danach die nächsten fünf Jahre umsonst zum FC Bayern, weil Geld hat er dann genug verdient (lacht).
Wie wäre der Spieler Sepp Maier mit dem Trainer Sepp Maier zu Recht gekommen?
Sehr gut. Wir wären die besten Freunde gewesen. Es gäbe keine Reibungspunkte (lacht).
Nun haben wir wieder ein Weltmeister-Team. Stehen Schweinsteiger, Götze und Neuer auf einer Stufe mit Beckenbauer, Müller und Maier?
Das kann man so nicht sagen. Solche Vergleiche hinken total, das kann man nicht miteinander vergleichen. Das Spiel hat sich im Laufe der Jahre geändert. Da ist nun eine ganze andere Dynamik, Kraft und Technik vorhanden. Die spielen ja fast perfekt. Aber wir haben früher auch gedacht, dass wir perfekt spielen und es keine Steigerung mehr gibt, gerade wenn man an das Team von 1972 bei der EM denkt, als wir die Russen mit 3:0 weggefegt haben – und schauen sie mal den Fußball jetzt an. Im Fußball ist immer eine Steigerung möglich, bei Sportarten, in der es um Zeiten geht, da ist irgendwann mal ein Ende erreicht.
Sie haben jede Menge Titel gewonnen. Welcher war der Wichtigste für Sie?
Aus Sicht der Mannschaft waren das die drei Europapokaltitel (1974-1976) hintereinander und natürlich die Weltmeisterschaft 1974. Für mich als Einzelner waren die drei Auszeichnungen zum Fußballer des Jahres etwas ganz Besonderes. Als Torhüter diesen Titel zu bekommen, war zu meiner Zeit extrem schwer. Da hatte es mit Beckenbauer, Netzer, Overath oder Vogts immer einige andere Kandidaten gegeben. Hans Tilkowski war 1965 eine Ausnahme, wenn sie den noch kennen.
Uli Hoeneß möchte in neuer Funktion die Jugend des FC Bayern neu aufstellen. Heißt das für den Rest der Liga, dass die Bayern endgültig in einer anderen Liga spielen?
Die haben ja jetzt schon eine klasse Nachwuchsarbeit, wenn man bedenkt, wer da alles herausgekommen ist. Zu verbessern gibt es allerdings immer etwas.
Hatten sie in letzter Zeit Kontakt mit Uli Hoeneß?
Nein. Wir hatten noch nie so viel Kontakt. Verstehen uns aber sehr gut.
Wie würde Sepp Maier im heutigen Milliardengeschäft Bundesliga zu Recht kommen. Würde er auch noch nach einer Ente hechten?
Na klar, aber nur wenn man mir 5.000 Euro dafür gibt (lacht). Für die Spieler ist diese Entwicklung schön. Die wären blöd, wenn sie ein so hohes Gehalt nicht annehmen würden. Seriös finde ich diese Gehälter aber auch nicht, gerade wenn man bedenkt, das heute ein Bundesliga-Spitzenspieler in einer Woche so viel verdient wie wir im ganzen Jahr und wir mussten dafür noch alle Titel gewinnen.
Sie können auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Würden Sie etwas anders machen?
Nein, ich habe alles richtig gemacht. Wenn man erfolgreich ist, dann ist das für einen Fußballer eine super Sache und die Bestätigung, dass die Mannschaft und der Verein alles richtig gemacht haben. Ein Vereinswechsel kam deshalb auch nie in Frage. Ich hatte Anfragen von Boca Juniors, Atletico Madrid, Chelsea London und zum Schluss noch von Cosmos New York – aber ich wäre blöd gewesen, hätte ich den FC Bayern verlassen, nur weil es vielleicht einige Tausend Mark mehr gegeben hätte. Ich habe mir die Angebote angehört und dann geschaut, dass ich beim FC Bayern ungefähr das gleiche bekomme.