Neu in Stuttgart
Als Dennis Sieg seine Facebook-Gruppe »Neu in Stuttgart« gründete, wollte der Hannoveraner eigentlich nur ein paar neue Freunde in der Landeshauptstadt finden. Inzwischen hat seine Plattform mehr als 1.000 Mitglieder – Tendenz steigend. Einmal in der Woche treffen sich die »Neigschmeckten«. MORITZ-Mitarbeiter Alexander Kappen hat den Selbstversuch gemacht und versucht Anschluss zu finden.
Mittwochabend in der Huqqa Lounge am Beginn des Stuttgarter Partyviertels Geißstraße. Sämtliche Tische sind besetzt, ebenso die Stehplätze. Die rund 100 jungen modisch gekleideten Leute unterhalten sich angeregt, es herrscht eine fröhliche und offene Atmosphäre. Im Hintergrund läuft cooler HipHop und die stylische Modern-Art-Bilder versprühen Großstadtatmosphäre. Kellnerinnen wuseln herum, um allen Wünschen nach Cocktails und Bier gerecht zu werden. Durch die verglasten Fenster sieht man auf das rege Party-Treiben in der Geißstraße und es liegt der Rauch von Sisha-Pfeifen in der Luft, für die die neu eröffnete Lounge bekannt ist.
»geht ganz klar ums Offline-Treffen«
Heute trifft sich hier die Facebook-Gruppe »Neu in Stuttgart«, die die gesamte Lounge für sich angemietet hat. Dennis Sieg, 27-jähriger Bankkaufmann aus Hannover, zog vor drei Jahren nach Stuttgart und baute die damals aus fünf Mitgliedern bestehende Gruppe auch aus Eigennutz zur Mega-Gruppe aus. »Es gibt so viele junge Reingeschmeckte wie mich, die Kontakt suchen. Für die wollte ich eine Plattform schaffen – wobei es hier klar nur ums Offline-Treffen geht«, verrät er mir unter vier Augen. Mittlerweile ist daraus eine Massenbewegung geworden. So etwas scheint es in Stuttgart unbedingt gebraucht zu haben. Zu den Treffen kommen regelmäßig mehrere hundert Leute – mehr als 1.000 Mitglieder hat die Gruppe auf Facebook insgesamt. Jeden Mittwoch trifft man sich immer um 19.30 Uhr zum Stammtisch in einer Kneipe, Bar oder Lounge in immer wechselnden Stadtteilen. Sogar an Fasching, Weihnachten und Silvester feiert man mittlerweile gemeinsam.
Den Familiengedanken spüre ich in der Huqqa Lounge deutlich. Viele Leute kennen sich, es haben sich sogar bereits mehrere Liebespärchen gefunden. »Wir haben uns vor einigen Wochen bei ‘Neu in Stuttgart‘ kennengelernt«, verrät mir ein eng umschlungen sitzendes Studentenpärchen, die beide auf Heavy Metall stehen. Tatsächlich wird bei den Treffen auch heftig geflirtet. Zwei 25-jährige Französinnen im Minirock und auf hochhackigen Schuhen sprechen mich an. Sie erzählen mir, dass sie aus Straßburg stammen und in Stuttgart Arbeit in kleinen aber feinen Modeboutiquen gefunden hätten. Nur mit der schwäbischen Mentalität kämen sie noch nicht ganz klar. »An die schwäbische Ordnung mit der Kehrwoche werde ich mich nie gewöhnen«, seufzt die eine, während ihre Freundin darüber klagt, dass die schwäbischen Männer sehr schüchtern beim Flirten seien. »Die Franzosen gehen da viel mehr ran.«
Danach gönne ich mir erstmal eine Pause und versuche, mir einen Weg durch die stehenden Massen zu bahnen. »Die Gläser sind aus«, verrät mir die hübsche Kellnerin an der Bar, sodass ich auch mein zweites Hefe aus der Flasche trinken muss. Auf dem Rückweg begegne ich Ulf, einem 26-jährigen Studenten, bei dem mir sofort seine Haare auffallen, die irgendwie unecht aussehen. Er verrät mir schließlich: »Ich habe eine Glatze und trage heute Abend aber eine Perücke, um das zu kaschieren. In Berlin, wo ich herkomme, stört das niemand, aber hier im Schwabenland versuche ich mich anzupassen und mein Outfit etwas biederer zu gestalten.«
Ganz leicht neue Leute kennenzulernen
Schon wieder werde ich kurz darauf von einer jungen Frau angesprochen, ob wir uns nicht vom Sehen kennen würden. Sie erzählt mir, dass sie 29 Jahre alt ist und aus Regensburg stammt. Nirgendwo anders würde man so leicht neue Leute kennenlernen wie bei den Neu-in-Stuttgart-Treffen. »Ich bin Wirtschafts-Studentin und will hier auch langfristig einen Job finden.« Derzeit wohne sie in Stuttgart-Süd in einer Wohngemeinschaft mit zwei anderen Studenten. Nachdem wir Telefonnummern ausgetauscht haben, gehe ich zurück zu den beiden Französinnen. Es stimmt: So leicht lernt man sonst nirgends neue Leute kennen.