susanne glanzner björn springorum
Wann habt ihr das letzte Mal zu einem Stift gegriffen und einen Brief mit der Hand verfasst?
Glanzner: Vor zwei Wochen. Der ging an Hartmut Engler, den Sänger von „Pur“. Das ist kein Witz!
Springorum: Bei mir ist das lange her, deutlich mehr als zwei Wochen. Das war an Weihnachten 2012.
Und wann habt ihr das letzte Mal einen Brief erhalten?
Glanzner: Auch vor zwei Wochen. Da war ich krank und habe Genesungswünsche bekommen.
Springorum: Das war im Sommer 2012. Das war ein Brief von einem großen Fan einer Band, die ich persönlich kenne. Ich habe ihr ein persönliches Meet & Greet mit dieser Band verschafft. Daraufhin hat sie meine Adresse ausfindig gemacht und mir einen Brief mit einem handgemalten Bild zugeschickt. Ich habe nie geantwortet.
Habt ihr auch Liebesbriefe geschrieben?
Glanzner: Ja. Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Springorum: Ja, sehr viele. Diese wurden tatsächlich auch oft nicht beantwortet.
Glanzner: Meine schon! Mit „Nein“. (lacht)
In eurem gemeinsamen Roman, „Das Amulett der Ewigkeit“, kommunizieren die beiden Protagonisten per Briefwechsel miteinander. Wie kommunizieren die beiden Autoren am liebsten?
Glanzner: Ganz klar per Whatsapp.
Springorum: Ich bin tatsächlich auch ein Opfer der neuen Technologie. Ich bin kein großer Freund des Telefonierens. Ich schreibe lieber 15 Whatsapp-Nachrichten hin und her über Sachen, die mit einem kurzen Anruf erledigt wären. Ich halte es da also eher mit Jack Kerouac, der gesagt hat: „Don't use the phone. People are never ready to answer it. Use poetry.“
Heutzutage braucht man auch kaum noch Wörter, um sich ausdrücken zu können. Könnt ihr euch einen Alltag ohne Smileys und Emojis vorstellen?
Glanzner: Nein. Ich mache tatsächlich überall Smileys hin, sogar wenn ich Briefe mit der Hand schreibe.
Springorum: Ich auch. Und eigentlich ist es gruselig. Denn Smileys sehen handschriftlich immer doof aus. Aber ich liebe Smileys. Wenn man etwas schreibt und es gar nicht so ernst meint, dann kommt es immer falsch an, wenn dahinter kein Smiley ist.
Glanzner: Stimmt. Das haben wir beim Schreiben ganz oft erlebt.
Springorum: Ja. Ich dachte immer, Sue hat gerade echt irgendein Problem. Dabei hat sie nur das Smiley vergessen. Ich finde es übrigens sehr befremdlich, wenn Menschen Smileys „falsch herum“ setzen. Wenn ich ein Smiley mache, dann setze ich einen Doppelpunkt und dann die Klammer zu. Ich kenne aber Leute, die machen zuerst die Klammer auf und setzen dann den Doppelpunkt. Das sind ganz merkwürdige Menschen. (lacht)
Euer Roman ist ein Jugendroman. Dabei wird gerade der Jugend gerne vorgeworfen, statt eines Buches lieber zum iPad zu greifen. Warum ist für euch das Bücherlesen nach wie vor unverzichtbar?
Glanzner: Weil es so gut riecht. Ehrlich. Wenn man ein Buch aufschlägt, dann verströmt es einen ganz eigenen Geruch. Das kann einem kein E-Book bieten.
Springorum: Für mich werden digitale Medien niemals ein Buch ersetzen. Das sagt zwar jeder und will damit cool klingen. Aber das ist tatsächlich so. Ich leihe keine Bücher aus, ich kaufe Bücher. Ich verleihe auch nicht gerne Bücher. Wenn, dann verschenke ich sie. Ich finde es auch aus geschichtlicher Sicht wunderschön zu wissen, dass es kein anderes Medium gibt, das in seiner populären Form so alt ist, wie das Buch. Ich finde den Vorwurf an die Jugendlichen übrigens auch nicht ganz richtig. Bei Jungs mag das zutreffen, dass sie nicht so viel lesen, bei Mädchen ist es anders. Mädchen lesen tatsächlich noch immer sehr viele Bücher. Das finde ich schön.
Glanzner: Mädchen schreiben auch mehr als die Jungs. Tagebücher zum Beispiel.
Der Roman spielt in zwei unterschiedlichen Epochen: im Jetzt und in der viktorianischen Zeit. Fühlt ihr euch jeweils im jeweiligen Zeitalter zu Hause?
Springorum: Ich finde es schwierig zu sagen, dass ich mich in der viktorianischen Zeit zu Hause fühle. Das würde bedeuten, dass ich in einer Zeit leben will, in der man früh gestorben ist, in der es gestunken hat und in der viele Menschen wenig Geld und noch viel weniger zu essen hatten. Aber ich finde diese Zeit unheimlich faszinierend. Viele Bücher, die ich lese, spielen in dieser Zeit. Es war die Zeit des größten Umbruchs, den es in der Moderne gab. Kulturelle Revolution, England als Weltmacht, die Entdeckung der Elektrizität, es kamen die Eisenbahn und große Fabriken – das waren so große Umwälzungen, die die Menschen damals bewegt haben. Und London fasziniert mich, seit ich 13 Jahre alt war. Daher fühle ich mich nicht unbedingt zu Hause in dieser Zeit, aber ich denke mich sehr gerne in diese Zeit rein.
Glanzner: Damals gab es noch keine Smileys und keine Cola light – also ich fühle mich hier und jetzt viel besser. (lacht)
Björn, du hast gerade erwähnt, dass London dich schon lange fasziniert. Gab es Überlegungen, eure Geschichte in einer anderen Stadt und nicht in London stattfinden zu lassen?
Glanzner: Ganz zu Beginn, als wir uns über das Buch unterhalten haben, überlegten wir, in welcher Stadt die Geschichte spielen sollte und ob es eine deutsche Stadt sein soll. Als wir uns dagegen entschieden haben, war London von Anfang an die Nummer eins.
Springorum: Einen Ausschlag hat dabei sicherlich gespielt, dass Sue London kennt und ich mich vor allem was die Historie an geht in London auskenne. Ich würde mich niemals anmaßen, ein Buch zum Beispiel über das Paris des 19. Jahrhunderts zu schreiben, weil ich mich dort überhaupt nicht auskenne. Für dieses Buch habe ich viel recherchiert und viel gelesen.
War eure Herangehensweise an das Buch unterschiedlich? Der eine recherchiert, die andere schreibt frei heraus?
Springorum: In meinem Leben stehe ich oft kurz davor, vom Chaos übermannt zu werden. In meinem Berufsalltag vergesse ich mal Abgaben, ich vergesse Termine, ich bin mit meiner Steuererklärung hinterher. Ich schaffe es einfach nicht, einige Sachen auf die Reihe zu bekommen. Aber sobald es ans Bücherschreiben geht, lege ich eine völlig andere Disziplin an den Tag. Ich weiß nicht woran das liegt. Es ist nicht so, dass ich dann alles minutiös plane, aber da bin ich deutlich strukturierter und es ist mir wichtig, mich zunächst in die Sache reinzuarbeiten, bevor ich mich vor wage. Es liegt vielleicht auch daran, dass meine Bücher in der Regel in einer anderen Zeit stattfinden, weshalb ich da einfach viel mehr recherchieren muss. Darum habe ich alle Unterlagen beim Schreiben geordnet, was sonst – und das wird meine Mutter bestätigen – nicht meinem Naturell entspricht. Bei Sue ist das anders. Sie ist da viel impulsiver.
Glanzner: Und ich habe eine Planungsallergie. Ich schreibe einfach drauf los. Ich kann den Verlagen meistens gar keine Exposees vorlegen, weil ich am Anfang der Geschichte oft gar nicht weiß, wie sie endet.
Springorum: Und diese etwas lockerere Herangehensweise hat mir Sue ein wenig beigebracht.
Glanzner: Dafür hat mir Björn ein wenig das Strukturieren beigebracht. Ich habe mir immerhin ein paar Notizen in meinen Spongebob-Block gemalt.
Wer von euch beiden ist der anstrengendere Co-Autor?
Glanzner: Ich glaube, das bin ich. Ich bin zickiger.
Springorum: Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Ich bin vielleicht etwas verbohrter als Sue. Es gibt so viele Ebenen von Anstrengend-Sein. Man lernt sich so schnell so gut kennen, wenn man ein Buch zusammen schreibt. Ich habe das eine ums andere Mal die Deadline für ein Kapitel verpasst, weshalb Sue dann selbst umplanen und umschichten musste. Worauf sie dann zickig reagiert hat. Was aber, wenn man die Herkunft der Zickigkeit aufspürt, nur allzu verständlich ist.
Glanzner: Aber – und das finde ich bis heute faszinierend – Björn hat es immer binnen zwei Sätzen geschafft, mich zu beruhigen. Ich weiß auch nicht, wie er das immer macht.
Wie oft habt ihr euch gegenseitig während des Schreibens verflucht?
Glazner: Tausende Male. (lacht)
Springorum: (lacht auch) Ja, das kam schon das eine oder andere Mal vor. Weil wir das Buch kapitelweise geschrieben haben, wusste der eine nie, was beim anderen gerade los ist. Und manchmal habe ich sie verflucht, weil sie das, was für mich vollkommen klar war, vollkommen falsch verstanden und anders weitergeschrieben hat.
Glanzner: Aber jetzt ist das Buch fertig, jetzt können wir uns beide wieder gut leiden.
Ohne zu viel zu verraten: Wie steht ihr beide zu Happy Ends?
Glanzner: Happy Ends sind im Grunde eine schöne Sache. Ich finde sie aber ein bisschen langweilig. Happy Ends in der Zielgruppe fünf bis zehn Jahre sind super. Die Kinder brauchen das. Ich bin aber der Meinung, dass ab zehn oder zwölf ein Happy End nicht mehr zwingend sein muss. Tatsächlich bin ich ein Freund von Open Ends, die den Leser auch dann noch zum Nachdenken anregen, wenn er das Buch zuklappt. Dann kann er überlegen, wie es weitergehen könnte und sich eigene Enden ausdenken. Das finde ich viel spannender, als eine Geschichte ganz abzuschließen. Dann macht der Leser das Buch zu, stellt es zurück ins Regal und sagt: „Ja, war schön!“
Springorum: Ich habe ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Happy Ends. Bei meinen eigenen Sachen wünsche ich mir oft ein offenes Ende, manchmal sogar ein Un-Happy End. Wenn ich aber einen Film schaue, der mich mitnimmt, und dieser Film hat kein Happy End, dann geht es mir danach scheiße. Es tut mir einfach gut, manchmal dieses unrealistische Disney-Happy-End zu haben. Was unser Werk angeht, will ich natürlich nicht zu viel verraten, nur finde ich bei eigenen Sachen fein Happy End zu langweilig. Ich glaube aber auch, dass populäre Werke der Weltliteratur nicht so erfolgreich gewesen wären, hätten sie keinen Happy End.
Und wer erfahren möchte, ob die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Christopher und Christine im „Das Amulett der Ewigkeit“ ein glückliches, ein unglückliches oder ein offenes Ende findet, derjenige kann ab dem kommenden Montag, den 9. März, den Roman beim Buchhändler seines Vertrauens erwerben.
Einen Auszug aus ihrem Roman bieten die beiden Autoren übrigens schon heute, am Freitag, den 6. März, im Café Boheme (Fluxus, Calwerpassage Stuttgart). Die Lesung beginnt um 20 Uhr.
Foto: Alexander Steinle