Atari Teenage Riot
Am 23. Februar spielt die berüchtigte Digital Hardcore-Band »Atari Teenage Riot« (ATR) beim 3. Indi(e)-stinction Festival im franz.K Reutlingen. MORITZ interviewte Bandgründer Alec Empire.
Derzeit sitzt Ihr im Studio vor dem Atari. Lauern da neue Riot-Sounds?
Wir machen gerade unser sechstes Album. Es wird härter und schneller. Viele neue Sounds, die wir so noch nicht eingesetzt hatten. Die DNA von ATR ändert sich dadurch nicht, sie lebt im Jetzt.
Alec, Du wurdest vom 80s-Punk und 90s-Raver zum sorgenfreien Musik-Allrounder. Arbeit aus Spaß?
Sorgenfrei bin ich nie, da politisch. Spaß ist hier ein falsches Wort. Ich liebe Energie, Adrenalin, den Überholstreifen sozusagen. Grenzen müssen übertreten werden.
Du kennst Berlin vor, während und nach der Wende. Ist die Stadt heute ruhiger?
Es ist genau umgekehrt. Trotz des Kalten Krieges war Berlin damals relativ ruhig – klar ein paar Häuser waren besetzt, Straßenschlachten mit Skinheads und der Polizei bei Demos – aber heute ist Berlin viel größer, hat einen großen Anstieg an Kriminalität und spielt eine andere Rolle politisch.
Du bist libertärer Anarchist und Pazifist? Ist eine Anarchie ohne Gewalt und ohne das Recht des Stärkeren denkbar?
Pazifist bin ich nicht. Es gibt Zeiten für Krieg und Zeiten für Frieden und Diplomatie. Wenn es zu Krieg kommt, ist das allein schon eine Niederlage. Allerdings ist Gewalt immer nur Werkzeug und neutral. Kommt darauf an, wofür diese eingesetzt wird. Man sollte versuchen, Gewalt immer zu vermeiden. Und vor allem nie aus der Wut heraus einsetzen. Das kann fatal sein. Ich bin gegen eine Gesellschaft, in der nur die Starken Rechte haben. Wir müssen versuchen, daß jeder vor dem Gesetz gleich ist. Für dieses Ideal kämpfe ich weiterhin.
Der Planet ist verseucht. Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie?
Die Welt ist nicht in diesem schlimmen Zustand. Die Situation bessert sich. Menschen beherrschen unsere Welt, damit meine ich unsere Gesellschaft als die Wildnis. Ich denke, daß viele Menschen dabei sind, unsere Fehler zu korrigieren. Es wird immer chaotisch bleiben. Wenn wir Verantwortung übernehmen, haben wir eine gute Chance.
»Viele Clowns in Linker Szene«
Ist Deutschland auf dem rechten Auge immer noch blind?
Ich denke, daß die radikale Rechte Europas wahrgenommen und auch angegriffen wird. Von blinden Auge kann man also nicht sprechen. Die europäische Linke braucht neue Strategien, um hier Erfolge zu erzielen. Und vor allem eins ist sehr wichtig: Selbstkritik. Diese findet fast nicht statt. Andere Meinungen werden sofort dämonisiert. Jeder spielt für sein Team, Fehler werden nicht erkannt und auch nicht offen diskutiert. Seien wir ehrlich, es gibt viele Clowns in der linken Szene, von denen sich jeder vernünftige Mensch distanzieren muss. Dies geschieht nicht. Wachsender Anti-Semitismus ist ein gutes Beispiel hierfür.
Ihr seid gegen staatliche Kontrolle des Internets, die Werbelastigkeit der Medien und den Überwachungsstaat?
Die Leute meiden die gängigen Social Media Plattformen, informieren sich weniger online. Die zentralen Fragen lauten: Wie kann ich mein Leben selbst bestimmen? Wie kann ich Manipulation einschränken? Alle Tools, die dabei helfen, sind wichtig.
Ihr seht Eure Musik als Waffe?
Unsere Live-Musik wirkt sehr physisch, sie ist nicht als Waffe gegen den Hörer zu verstehen. Mit Waffe meinen wir, daß die Musik einen wachrüttelt, zum Nachdenken bewegt. Das ist mittlerweile ein Tabu in der Musiklandschaft. Wir leiden hier nicht herum mit gequältem Gesang, sondern pushen die Fans mit purer Energie.
Nennt uns bitte drei analoge Dinge, für die es sich zu leben lohnt.
Die Natur, Tiere und nicht-virtueller Kontakt mit anderen Menschen.
Was macht Ihr so am 1. Mai?
Das steht noch nicht fest. Falls bei der Demo wiederholt die Leute vom BDS mitmarschieren dürfen, dann boykottieren wir weiter den 1. Mai in Berlin wie in den letzten 3 Jahren.