Fjort
Die Post-Hardcore-Band aus Aachen, FJØRT, hat in den vergangenen Jahren die Musikszene ordentlich aufgemischt. Nicht wenige bescheinigen den Newcomern eine große Zukunft. Warum das so ist, das zeigten sie am 1. März im Stuttgarter Keller Klub.
Betritt ein Newcomer die große Bühne der Musikwelt, spricht man gerne von einem „frischen Wind“, der dieselbige durchweht. Bliebe man bei dieser Terminologie, müsste man im Falle von „FJØRT“ von einem Orkan reden.
Erst seit 2012 lassen die drei Aachener als Band von sich hören. In diesen vier Jahren haben sie die Musikszene dafür ordentlich aufgewirbelt. Sie haben sie mal kurzerhand auf Links gedreht, durch den Fleischwolf gejagt und sie mit voller Wucht an die Wand geklatscht. Im rasanten Tempo legten Chris, David und Frank zunächst eine EP, dann zwei Alben vor, die nicht nur von Fans, sondern von Musikkritikern im ganzen Land abgefeiert wurden und werden. Der aktuelle Silberling "Kontakt" steht seit dem 22. Januar in den Regalen der Plattenläden und lässt reihenweise beeindruckte Münder offen stehen. Eben diese FJØRT waren am gestrigen Dienstag, den 1. März, im Stuttgarter Keller Klub zu Gast.
Schaut man sich den Tourplan der drei Jungs an, so prangt da nicht nur ein verlorenes „ausverkauft“ darauf. Berlin, Frankfurt, Köln, Hamburg – nur ein paar Beispiele für bereits im Vorfeld ausverkaufte Shows. So verwunderte es zunächst, dass man bei Stuttgart vergeblich nach dieser Auszeichnung suchte. Doch so viel sei jetzt schon verraten: Dieser Umstand war lediglich temporärer Natur. Noch bevor FJØRT gegen 21 Uhr die Bühne betraten, war der Keller Klub gerammelt voll und man meldete „rien ne va plus“. So musste der ein oder andere draußen bleiben. Und den grimmigen Blicken der Abgewiesenen nach zu urteilen, wussten sie nur zu gut, was sie da soeben verpassen: Eine Band, die Trauer und Wut, Zerbrechlichkeit und Kraft so eint, wie es zurzeit in Deutschland kaum jemand anderes vermag. So wenig, wie die Welt nur schwarz und weiß ist, so sehr malen FJØRT mit ihrer Musik in unterschiedlichsten Graufarben, jede Zeile wie ein Vorschlaghammer. Ja, diese Jungs können nicht nur ihre Gitarren, ihre Bässe und ihr Schlagzeug bearbeiten. Sie haben auch etwas zu sagen.
So zum Beispiel mit „Paroli“, das David mit seinen Erfahrungen vom ersten FJØRT-Konzert in Halle (Saale) und dem damit verbundenen Aufeinandertreffen mit fremdenfeindlichem Pack ankündigt und damit voll den Nerv der Stuttgarter Keller-Masse trifft. „Bleibt stehn’! Trotzt der braunen Pest!“ brüllt er ins Mikro. Die Worte klingen nach, bleiben wie Pattex kleben. „Auf zwei von denen kommen zehn von uns.“ Es ist zweifelsohne einer der wichtigsten Songs zur aktuellen Lage in diesem Land. Und es ist nur ein Beispiel für die Wucht der Worte, die sich wie ein roter Faden durch FJØRTs Songs zieht. Und das kommt an diesem Abend im Keller Klub an. Während sich an der Barfront die Besucher dicht an dicht drängen, gibt es direkt vor der Bühne schon längst kein Halten mehr. Dafür sorgen neben den Lyrics vor allem die ausgereiften Gitarrenläufe, starkes Bassspiel und das druckvolle Schlagzeug. Post-Hardcore at its best.
Das einzige Manko an diesem Abend ist, dass man sich nach den Erfahrungen mit den Studio-Produktionen der Band auf einen Sound eingestellt hat, der einem buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzieht. Leider war dieser Soundteppich jedoch etwas dünn und löchrig geknüpft. FJØRTs Musik und deren Bühnenperformance haben das Zeug dazu, das Blut in den Adern pulsieren zu lassen, bekommen sie denn eine Soundatmosphäre, die alles um sich herum schluckt. Dass dies möglich ist, haben schon andere Gigs gezeigt. Vielleicht beim nächsten Mal. Dann aber wohl nicht mehr im Keller Klub. Diesem sind die Aachener schon jetzt entwachsen. In diesem kleinen Rahmen wird man sie mit größter Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen können. Und verschwindend geringe 15 Euro wird das Konzert dann wohl auch nicht mehr kosten. FJØRT sind mehr wert. An diesem Abend und in Zukunft sicher noch mehr.
Anmerkung des Autors: Leider haben wir von dem Konzert keine Live-Bilder, weil die eigene Fotokamera just an diesem Abend den Geist aufgeben musste und wir euch nicht mit verwackelten Handy-Bildern belästigem möchten. Daher bitten wir um Nachsicht.