Maurizio Gaudino
Er war deutscher Meister und spielte in der Nationalmannschaft. Jetzt übernimmt der frühere Fußballprofi Maurizio Gaudino den Posten des sportlichen Leiters beim SSV Reutlingen und will den Verein in eine erfolgreiche Zukunft führen. MORITZ-Redakteur Alexander Steinle traf sich mit dem 48-Jährigen und sprach mit ihm über seine Beweggründe, seine Ziele und die Möglichkeiten, die der SSV hat.
Herr Gaudino, mal Hand aufs Herz: Wie intensiv haben Sie bislang die Oberliga verfolgt?
Die Ergebnisse verfolgt man immer mal wieder mit, allerdings nicht intensiv. Natürlich habe ich aber öfter nach Reutlingen geschaut, weil ich bereits seit längerer Zeit in Kontakt zum SSV stehe.
Dann ist es Ihnen nicht entgangen, dass der SSV in letzter Zeit nicht gerade Bäume ausgerissen hat?
Nein, das ist mir nicht entgangen. Das habe ich durch die Gespräche und die Situation, wie sie in Reutlingen seit einigen Jahre ist, natürlich gesehen. Wir, also die Verantwortlichen wie Karl-Heinz Lang (Vorsitzender Finanzen, Anm. d. Red.) und Michael Schuster (1. Vorsitzender, Anm. d. Red.) und ich, haben uns öfter ganz lose über die Situation unterhalten und geflachst. Und wie das so ist, hinter jedem Flachs steckt auch immer etwas Ernstes. So kam es zu der Situation, dass wir uns konkret darüber unterhalten haben, Reutlingen im sportlichen Bereich zu unterstützen. Jetzt bin ich da und was die Vergangenheit ist, ist vergangen. Seit der Insolvenz wurde vieles versucht und geschaffen. Das Grundfundament wurde gebaut, jetzt versuchen wir im sportlichen Bereich weiterzubauen.
Welche Gründe waren ausschlaggebend für Ihre Zusage?
Der SSV Reutlingen ist ein Traditionsverein und ich hatte großes Interesse daran, das Puzzle zusammenzustellen. Eine Mannschaft mit Spielern und Trainern aufbauen, eine schlagkräftige Truppe auf den Platz schicken und dann von oben zuschauen, wie die Mannschaft die Handschrift des Trainers und des Vereins trägt – das sind Dinge, die mir viel Spaß machen. Natürlich auch in dem Sinne, dass der Erfolg wiederkommt und die Spiele gewonnen werden. Nur funktioniert das nicht von heute auf morgen, das wissen wir.
Wenn so ein bekannter Name wie der Ihre zu einem Verein kommt, schöpfen die Fans schnell Hoffnung. Sehen Sie sich als Hoffnungsträger?
Was heißt schon »Hoffnungsträger«? Ich sehe mich auf jeden Fall als eine Person, die dem Verein helfen kann. Sonst hätte ich den Posten sicherlich nicht übernommen. Natürlich habe ich meine eigene Vorstellung vom Fußball. Aber die Idee, die der Verein mir vorgelegt hat, deckt sich in sehr vielen Punkten mit meiner. Darum nehme ich diese Herausforderung sehr gerne an. Natürlich ist es auf der einen Seite ein gewisser Druck, der dadurch entsteht. Die Fans haben eine lange Leidenszeit durchlebt. Aber auf der anderen Seite ist es auch ein schönes Gefühl, wenn Fans mit meinem Namen eine gewisse Hoffnung verbinden.
Ihre Qualität hat die Mannschaft mit dem Sieg im WFV-Pokal bewiesen. Dieser Sieg berechtigt an der Teilnahme am DFB-Pokal. Wie beurteilen Sie den Erfolg?
Das war natürlich Wahnsinn. Wir haben kurz zuvor die Entscheidung getroffen, dass ich diese Arbeit beim SSV annehmen werde, uns aber auch gleichzeitig dafür entschieden, zunächst den Ball flach zu halten, damit sich die Mannschaft in Ruhe auf dieses Spiel vorbereiten kann. Nach all den Turbulenzen, die die Saison gebracht hat, hat die Mannschaft das hervorragend gemacht. Jetzt ist sie im Topf mit den ganz Großen. Die Mannschaft hat gezeigt, dass das Potenzial da ist, sonst wäre sie nicht soweit gekommen.
Sie haben einen Vertrag bis 2018 unterschrieben. Haben Sie eine Vision, wo der SSV in drei Jahren sein könnte?
Natürlich wird man jetzt immer wieder danach gefragt. Aber es wäre fatal zu sagen, dass wir morgen aufsteigen werden. Zunächst müssen wir Strukturen schaffen. Ich muss jetzt so nah wie möglich am Verein und an der Mannschaft sein. Zum aktuellen Zeitpunkt irgendwelche Prognosen abzugeben, würde nur dazu führen, dass man dann jeden Tag an diesen gemessen wird. Das wäre nicht gut. Wir wissen, dass es eine schwere Aufgabe sein wird. Aber wir werden versuchen, Tag für Tag unsere Arbeit zu machen und Woche für Woche gute Ergebnisse abzuliefern.
Was ist das Wichtigste, um Erfolg zu haben?
Dass alle an einem Strang ziehen. Dass intern alles besprochen wird und nicht alles sofort nach außen gegeben wird. Dass wir uns nicht selbst aufgrund irgendwelcher Ergebnisse profilieren wollen. Da sind alle gefordert, diese Ruhe zu bewahren. Wenn wir das schaffen, dann schaffen wir es auch, eine Einheit zu bilden, vom Vorstand bis zu Mannschaft. Disziplin ist der wichtigste Schlüssel. Denn nur als Einheit können wir Erfolge feiern. Das hat die Mannschaft zuletzt mit dem Sieg im Pokalfinale gezeigt.