Thorsten Fried, Teamleiter der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Heilbronn
Mit einer Quote zwischen 3-4% ist im Februar 2015 für die Region ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit festgestellt worden. Können Sie schon eine Prognose für das Jahr 2015 abgeben? Wie wird sich der Arbeitsmarkt in der Region entwickeln?
2015 ist das Risiko, arbeitslos zu werden, ähnlich gering wie im vergangenen Jahr. Die Chance, dass arbeitslose Menschen eine Arbeit finden, ist eine Frage der Passung zu den vorhandenen Stellen – insbesondere der Qualifikation - und immer weniger der fehlenden Stellen. Deshalb ist es wichtig, konsequent an der Qualifizierung und Integration der Arbeitslosen zu arbeiten, um ihnen wieder eine Berufs- und Lebensperspektive zu eröffnen. Auch 2015 ist mit einem moderaten Aufbau der Beschäftigung zu rechnen, der allerdings nicht mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit einhergeht. Dies verdeutlicht den Unterschied zwischen den Anforderungen der angebotenen Stellen und der Qualifikation der arbeitslos gemeldeten Menschen.
Wie attraktiv ist der regionale Arbeitsmarkt für Bewerber aus dem übrigen Bundesgebiet?
Unser regionaler Arbeitsmarkt bietet tolle berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Wir haben in den unterschiedlichsten Berufsbereichen attraktive Arbeitgeber, sowohl bei den kleinen und mittleren Unternehmen wie auch in der Industrie. Das Dual Career Netzwerk Raum Heilbronn bietet Unterstützung, wenn man in unsere Region ziehen möchte und beruflich und familiär fuß fassen will.
In Deutschland gibt es rund 330 anerkannte Ausbildungsberufe. Wie soll man sich als Jugendlicher da zurechtfinden?
Die Online-Medien der Arbeitsagentur sind im Internet unter www.arbeitsagentur.de zu finden und bieten eine gute Hilfe bei der Orientierung. So sind beispielsweise BerufeNet, Berufe.tv und www.planet-beruf.de gut strukturiert und informativ aufgebaut. Wer gerne lieber in einem Buch blättert, kann sich in »Beruf Aktuell« über die Ausbildungsberufe informieren. Es ist das Standardwerk, das es schon seit Jahrzehnten in der Berufsberatung gibt. Sehr wichtig ist auch die Beratung durch die Berufsberater der Arbeitsagentur, die auch regionale Besonderheiten kennen und viele Tipps parat haben. Auch der Besuch des Berufsinformationszentrums lohnt sich auch auf jeden Fall.
In den vergangenen Jahren blieben immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt. In welchen Berufsfeldern wird derzeit händeringend Nachwuchs benötigt und wie wird dagegen gesteuert?
Vor allem im Handwerk, in den Pflegeberufen und im Hotel- und Gaststättengewerbe gibt es noch viele freie Ausbildungsplätze. Die Betriebe und auch die Kammern haben ihre Werbeaktivitäten intensiviert. Viele Branchen haben eigene Informationskampagnen gestartet. Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit berät jederzeit neutral und orientiert sich an den Wünschen und Interessen der Jugendlichen.
In welcher Branche hat man 2015 die beste Chance auf einen Ausbildungsplatz?
Viele Ausbildungsstellen und gute Einstellungschancen gibt es wie oben beschrieben im Handwerk, in den Pflegeberufen und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Aber auch bei den TOP 10-Berufen sind die Chancen gut.
Jedes Jahr gibt es sogenannte Trendberufe, die bei den Ausbildungssuchenden äußerst beliebt sind. Welche Branche wird derzeit von den jungen Menschen favorisiert? Ist diesem Berufsfeld aufgrund von voraussichtlichem Mangel an Ausbildungsplätzen abzuraten?
Die beliebtesten Berufe der letzten Jahre waren: Kfz-Mechtroniker/in, Kauffrau/-mann-Büromanagement, Einzelhandel, Lagerberufe. Aber auch Berufe in der Automobilbranche und im Zulieferbereich sind stark gefragt, ebenso wie im Einzelhandel. In diesen Bereich werden aber auch viele Ausbildungsstellen angeboten. Trendberufe werden oftmals durch die Medien beeinflusst. Aktuell hatten wir mehrere Anfragen zum Immobilienkaufmann/-kauffrau (bedingt durch Makler-Sendungen im TV).
Es gibt auf dem Markt einige typische Männer- bzw. typische Frauenberufe. Hat in diesen das jeweils andere Geschlecht besonders gute Chancen?
Eine geschlechtsuntypische Berufswahl wird von vielen Firmen positiv gesehen. Betriebe suchen ihre Bewerber jedoch nach Eignung und Neigung aus. Besondere Vergünstigungen hat das andere Geschlecht eher nicht. Das typische Rollenbild ist auch bei Arbeitgebern auch immer noch verankert. Die Arbeitsagentur unternimmt viele Aktivitäten um beispielsweise Mädchen für technische Berufe und Jungen für erzieherische Berufe zu interessieren. Als Beispiel seien hier nur die Mädchen-Technik-Messe und das Projekt »wer-zieht-mit« genannt.
Bei vielen herrscht der Glaube, dass man wegen dem Trend zur schulischen Höherqualifizierung mit einem Hauptschulabschluss heutzutage kaum noch Chancen auf dem Ausbildungsmarkt hat. Stimmt diese Vermutung?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Gute Hauptschüler gehen häufig auf eine weiterführende Schule, könnten aber auch eine Ausbildung gut meistern und haben gute Chancen einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Viele schulische Ausbildungsberufe (z.B. Erzieher-/in) erfordern allerdings eine höhere schulische Bildung. Hier ist eine weiterführende Schule notwendig. Der zweite Bildungsweg bietet auch nach der Ausbildung alle Möglichkeiten weiterzumachen und auch die Studierfähigkeit zu erlangen.
Was können Ausbildungssuchende tun, um ihre Chancen zu erhöhen?
Zunächst sind gute Schulnoten natürlich von Vorteil. Mit Praktika in Betrieben lässt sich auch die Berufswahl absichern. Wichtig sind auch das persönliche Vorsprechen und gute Bewerbungsunterlagen. Viele Personalverantwortliche achten auch auf freundliches Auftreten, Pünktlichkeit, Motivation und die Lernbereitschaft. Man kann sich auch bei der Berufsberatung, im Berufsinformationszentrum und auf Ausbildungsmessen viele nützliche Informationen holen.
Ein Praktikum in der Schulzeit, im Rahmen eines Studiums oder auch vor Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit wird von Unternehmen immer häufiger angeboten. Welches Ziel verfolgen diese Praktika und welche Vorteile ergeben sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dieser Beschäftigung?
Mit einem Praktikum kann der Arbeitgeber die Bewerber kennenlernen. Die Bewerber können sich im Betrieb zeigen, durch Arbeit überzeugen und den Betrieb kennenlernen. Auch Bewerber die nicht die idealen Voraussetzungen haben, können in einem Praktikum überzeugen.
Immer mehr Azubis nutzen europäische Bildungsprogramme und verbringen einen Teil ihrer Ausbildungszeit im Ausland. Wie schlägt sich dies auf ihre zukünftigen Berufschancen nieder?
Auslandserfahrung in internationalen Unternehmen ist immer gefragt. Die beruflichen Chancen erhöhen sich dadurch vor allem in großen Unternehmen. Es werden durch Auslandserfahrung Kompetenzen erworben, die später von Vorteil sind (z.B. Fremdsprachen, Flexibilität)
Wann ist der ideale Zeitpunkt, um sich auf eine Ausbildungsstelle zu bewerben?
Bei Banken und Versicherungen sollte man sich etwa eineinhalb Jahre vor dem Schulabschluss und bei größeren Industriebetrieben etwa ein Jahr vorher bewerben. Für 2016 sind der Berufsberatung auch jetzt schon über 150 Ausbildungsstellen gemeldet
Was ist Leuten zu raten, die nur Absagen bekommen haben?
Wer nur Absagen bekommt, sollte unbedingt einen Beratungstermin bei der Berufsberatung vereinbaren. Dort kann man die Bewerbungsunterlagen checken lassen und die Bewerbungsstrategie besprechen. Man kann durchaus auch bei den Betrieben nachfragen, wieso man eine absage bekommen hat. Auch ist ein Praktikum vor der ersten Bewerbung häufig hilfreich.
Die Verhältnisse zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung haben sich in den letzten Jahren grundlegend verschoben. Der Trend geht in Richtung Studium. Wie hat sich diese Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen? Welche Langzeitfolgen sind zu erwarten?
Eine generelle Auswirkung ist auf dem Arbeitsmarkt derzeit noch nicht zu verzeichnen. Allerdings wird es – auch aufgrund der demographischen Entwicklung – für manche Betriebe und Branchen künftig immer schwieriger werden, geeigneten Nachwuchs zu finden. Daher ist es wichtig, dass wir alle Potentiale ausschöpfen, um einem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.
Ein Studienabbruch ist keine Seltenheit. Danach fällt es vielen schwer Fuß in der Berufswelt zu fassen. Was ist Uni-Deserteuren zu empfehlen, um ihnen den Berufseinstieg zu erleichtern?
Für Studienabbrecher gibt es spezielle Programme. Beispielsweise ist im Bereich der Fachinformatik eine verkürzte Ausbildung möglich. Die Arbeitsagentur, die IHK und die HWK bieten den Studienabbrecher auch gezielte Beratungen an.Generell sollte man bei einem Studienabbruch nicht in Panik verfallen. Schnellschüsse helfen nicht. Vielmehr sollte man sich auf die eigenen Stärken und Interessen besinnen und Alternativen durchdenken.
Junge Menschen, die sich bezüglich ihrer beruflichen Zukunft unschlüssig sind, entscheiden sich immer öfter dazu, ein FSJ oder BFD anzutreten. Können aus diesem freiwilligen Dienst Vorteile für spätere Bewerbungen gezogen werden?
Freiwillige Dienste werden bei den Betrieben durchaus positiv aufgenommen. Ein FSJ zeigt, dass die Bewerber bereits soziale Erfahrungen gemacht und auch Verantwortung übernommen haben. Es gibt dafür auch ein Arbeitszeugnis, das den Bewerbungen beigelegt werden kann.