Thomas R. Villinger, geschäftsführender Gesellschafter bei Zukunftsfonds Heilbronn (zfhn) mit Redakterin Sophia Budschewski
Baden-Württemberg hat mit die meisten Start-up-Unternehmen deutschlandweit. Thomas R. Villinger, geschäftsführender Gesellschafter bei Zukunftsfonds Heilbronn (zfhn) hat im Interview mit MORITZ-Redakteurin Sophia Budschewski über die Schwierigkeiten einer Unternehmensgründung, Finanzierung und Start-ups aus der Region gesprochen.
Man hat eine Idee für ein Unternehmen, sei es eine Dienstleistung oder ein Produkt, was ist der erster Schritt zur Gründung?
Als erstes sollte man sich mit dem Markt auseinandersetzen. Ferner macht es Sinn, den Wettbewerb zu kennen und den USP (Alleinstellungsmerkmal) heraus zu arbeiten.
»Die wichtigste Frage ist: Wie verdiene ich mit meiner Dienstleistung oder meinem Produkt, Geld?«
Worauf sollte man bei einer Unternehmensgründung achten?
Eine Unternehmensgründung muss sehr gut vorbereitet sein. Ich würde in diesem Fall empfehlen, durch die Strukturierung eines Businessplans nichts zu vergessen und einen Leitfaden für sich selbst zu entwickeln. Diesen Businessplan braucht der Unternehmer immer wieder, sei es beim Bankgespräch, sei es wenn Eigenkapitalgeber überzeugt werden wollen oder als Begleitung für sich selbst. Ebenso bedeutend ist dabei die Dauer der Produktentwicklungsphase – je schneller man am Markt ist, desto schneller verdient man Geld. Die wichtigste Frage, die man sich als Gründer stellen muss, ist: wie verdiene ich mit meiner Dienstleistung oder meinem Produkt, Geld? Meine Erfahrung ist, dass viele Unternehmer zu wenig darauf achten, genug Umsatz zu machen, um die Kosten zu decken. Das führt dazu, dass die Verschuldung im Unternehmen steigt und Kapital aufgenommen werden muss, um zu überleben.
»Banken mögen keine schrillen Ideen und auch keine Konjunktive«
Wie finanziere ich am besten mein Start-up-Unternehmen?
Aus dem Businessplan lässt sich der Kapitalbedarf entnehmen. Dieser sollte möglichst gering sein, denn irgendwann muss jeder entliehene Euro zurückgezahlt werden. Eigenkapital ist die Grundvoraussetzung jeder Unternehmensfinanzierung, sonst erhält man kein weiteres Fremdkapital von der Bank. Häufig kommt das erste Eigenkapital aus dem Umkreis von »families and friends«. Der genannte Businessplan ist das Überzeugungsinstrument für alle externen Kapitalgeber.
»Ohne eine gute Idee gibt es kein gutes Unternehmen«
Reicht eine gute Idee um ein erfolgreiches Star-up-Unternehmen zu gründen?
Ich meine, nein. Eine gute Unternehmensidee bildet eine Grundlage für den Erfolg des Unternehmens. Sehr viel wichtiger ist ein professionelles, erfahrenes Gründerteam. Hier sollte man sehr achtsam sein, mit wem man das Unternehmen aufbaut und schnell in den Markt bringt. Meiner Erfahrung nach eignen sich Teams aus BWL und Technologie besonders. Ferner gründen erfolgreiche Existenzgründer mehr als ein Unternehmen in Ihrem Leben, da sie auch das Scheitern kennen gelernt haben, und das ist sehr wichtig.
»Bis zu 50 Prozent der Unternehmen scheitern«
In welchen Branchen gibt es viele Start-up-Unternehmen?
Ich sehe zurzeit die meisten Gründungen im IT-Bereich. Man kann schnell Umsatz machen, die Entwicklungskosten sind, verglichen mit anderen Technologien (Medizintechnik) auch nicht so hoch. Aber gerade hier muss man immer den Markt im Blick behalten, denn jede Woche könnte sich ein Unternehmen in Deutschland, Europa oder auch weltweit »unbemerkt« gründen, welches einem Konkurrenz macht. Viele Unternehmen werden zur Zeit auch im Bereich von Multi-Media, Visualisierungen und der Digitalisierung (Industrie 4.0) gegründet.
Bevor man sein Unternehmen aufbaut, sollte einem bewusst sein, dass bis zu 50 Prozent der Unternehmen mittelfristig scheitern. Im Ausland sieht man diese Quote ganz anders: da heißt es, mindestens 50 Prozent werden erfolgreich sein. Und nach diesem Erfolg wird das nächste Unternehmen gegründet.
In welche Unternehmen aus der Region haben Sie investiert?
Vor acht Jahren haben wir zum Beispiel in die Firma »Novalung« investiert, die seinerzeit in Hechingen (Hohenzollern) ansässig war. Novalung entwickelt und produziert künstliche Lungen außerhalb des Körpers für den internationalen Markt. Vor sechs Jahren haben wir die Firma Medos bei Aachen hinzugekauft und aus beiden Firmen die Firma »Xenios« gebildet. »Xenios« hat ihren Sitz 2013 nach Heilbronn verlagert und ist international zum Technologieführer im Bereich künstlicher Lunge geworden. Ende letzten Jahres wurde das Unternehmen komplett an das Multi-Milliarden-Unternehmen »Fresenius« verkauft. »Fresenius« hat versprochen, die »Xenios« mit zum Zeitpunkt 250 Mitarbeitern am Standort Heilbronn deutlich weiter auszubauen.
In welche Branchen werden Sie in Zukunft investieren?
Wie oben beschrieben, gibt es momentan viele Unternehmensgründungen im Bereich Visualisierung, augmented reality, virtual reality, digital health und mobil commerce. Für unsere Region mit dem Schwerpunkt Maschinenbau und Automotive wird das Thema Industrie 4.0 oder IOT (industry of things) von großer Bedeutung sein. Darüber hinaus werden wir nach dem Erfolg der »Xenios« die Medizintechnik nicht aus den Augen lassen.
»Start-up unternehmen bekommen mehr mediale Aufmerksamkeit«
Gibt es heute mehr Start-up-Unternehmen als früher?
Generell ist das Gründeraufkommen im Vergleich zu früher gleich geblieben. Start-up-Unternehmen bekommen jedoch national wie international deutlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien. Heute ist es »hip«, ein Start-up zu gründen. Viele gründen heute sogar direkt aus der Hochschule heraus und sind nach kurzer Zeit richtig erfolgreich. Der Durchschnitt der Gründer ist zwischen 25 und 35 Jahren, man kann ein Unternehmen aber auch noch mit 50 gründen.