Das Filmbüro Baden-Württemberg ehrte den Ludwigsburger Produzenten Jochen Laube (Sommerhaus Filmproduktion) mit dem Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis 2020. Im Interview erklärt der Filmemacher, wie er sich gutes Kino vorstellt.
Wann begann Deine Leidenschaft für Filme und Kino? Was war Dein erster Kinofilm?
Jochen Laube: „Mit 16 Jahren begann meine große Liebe zum Kino. Im Scala in Ludwigsburg riss ich die Eintrittskarten ab und schaute mir die aktuellen amerikanischen Independent Filme von Tarantino und den Coen Brothers an. Die Arbeit im Kino hat mich schon geprägt und die Filme von damals machen mich immer wieder glücklich. Es hat dann noch einige Zeit gedauert, bis ich mir sagte, das kann ich auch machen. Welcher junge Mensch sagt schon, ich werde Filmproduzent? Mit der Filmakademie Baden-Württemberg entstand direkt vor meiner Nase eine Perle, die ich nicht sofort bemerkte. Und doch brachte sie mich auf den richtigen Weg. Für meine Liebe zum Kino engagiere ich mich bis heute. Ich organisiere regelmäßig im Scala das Filmfestival Lichtspielliebe.“
Wann bekommst Du im Kino eine Gänsehaut?
Jochen Laube: „Ein großer Kino-Gänsehaut-Moment ist immer, wenn man auf der Berlinale mit einem Film laufen darf. In der Nacht vor seiner Filmpremiere darf man ganz alleine im Berlinale Palast zur Techniküberprüfung. Der Vorhang geht auf. Der Film wird kurz auf der Leinwand angespielt, das animierte Berlinale-Logo erscheint davor. Das ist der Moment, wo ich eine Gänsehaut bekomme.
Und warum ‚Sommerhaus‘?
Jochen Laube: „Das Sommerhaus kommt von meinem Nachnamen. Eine Laube ist im Englischen ein Summerhouse. Ich wollte für meine Produktionsfirma jedoch einen deutschen Namen und so kam es zu ‚Sommerhaus‘.“
Welchen Einfluss hast Du als Produzent auf ein Filmprojekt?
Jochen Laube: „Ich sehe immer das große Ganze. Ich habe natürlich zu Beginn einmal den Einfluss darauf, ob ein Film überhaupt gemacht wird oder nicht. Das ist der erste Schritt. Will ich eine Idee vorantreiben, die ich erkannt habe und nicht nur ich selber gut finde? Glaube ich an das Projekt? Kann ich für die doch teure Filmkunst Menschen aus meinem Netzwerk begeistern, mir für diesen Film so viel Geld zu geben? Und ganz wichtig: Bringe ich den Film an ein Publikum? Immerhin wird das Projekt mich ein langes Lebensstück – bis zu sechs Jahre – begleiten. Gewiss, im weiteren Verlauf nehme ich dann auch viel Einfluss – vom Buchprozess, Casting bis zum Filmplakat. Ich wähle die Regie aus, die meine Vision teilt und bin beim Dreh auch präsent. Eigentlich begleite ich jeden Schritt des Projekts, um es auf einen guten Weg zu bringen, damit es am Ende zuallererst mir gefällt und dann schauen wir, was dabei herauskommt.“
Über eine Million Zuschauer*innen haben den von Oscar-Preisträgerin Caroline Link inszenierten Erfolg ‚Als Hitler das rosa Kaninchen stahl‘ vor der Corona-Pandemie in den deutschen Kinos gesehen. Seit dem Lockdown verschieben die großen Verleiher den Kinostart für internationale Blockbuster wie ‚James Bond‘ oder ‚Dune‘ ins Frühjahr 2021. Corona-Hygienevorschriften erlauben im Saal nur ein Drittel oder noch weniger der Zuschauer pro Vorstellung. Das Kino leidet, einige Filmtheater haben bereits für immer geschlossen. Welche Filme können das Kino retten?
Jochen Laube: „Jeder Film kann das Kino retten, sage ich polemisch in der jetzigen Situation. Ich finde es grenzwertig, wenn die großen Verleiher Blockbuster ins nächste Jahr verschieben. Wir alle haben in den vergangenen Jahrzehnten von dem System profitiert, dass die Kinos uns und den Filmen die Zuschauer gebracht haben. Jetzt gibt es die erste katastrophale Durststrecke und die Verleiher lassen die Kinos so hängen. Das verstehe ich nicht. Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Partner, dass eOne ‚Berlin Alexanderplatz‘ und Warner ‚Hello Again‘ in diesen schwierigen Zeiten ins Kino gebracht haben. Gut, wir haben uns andere Zuschauerzahlen erhofft, aber es ist der richtige Weg. Wir müssen nach außen signalisieren: Es gibt neue Filme. Es lohnt sich zu kommen! Rettet das Kino!!!
Die Autokinos waren im Sommer in dieser Situation ein guter Impuls. Sie haben aber auch verdeutlicht, was das Besondere am Kino ist. Kino ist nicht, zu zweit im Auto oder daheim auf dem Sofa zu sitzen. Kino ist, in einem Raum gemeinsam eine Geschichte zu erleben. Es sind immer die gleichen emotionalen Beschreibungen, was Kino ist, aber es sind genau die richtigen. Ich werde künftig nicht nur Netflix-Serien wie ‚Sisi‘ drehen. Ich bin sehr glücklich, dass wir 2021 auch für die ARD die Serie ‚Das Netz‘ über die FIFA produzieren dürfen. Aber wir tun unser Möglichstes, um auch weiterhin fürs Kino Filme herzustellen.“
Wie geht es Deiner Sommerhaus Filmproduktion?
Jochen Laube: „Meine Produktionsfirma hat sich bisher mit sehr großem Glück um diese katastrophale Situation herumgeschifft. Wir haben 2019 parallel drei Filme gedreht und für 2020 die Entwicklung neuer Filmstoffe eingeplant. Nur im Herbst war eine Fernsehproduktion in Spanien vorgesehen, die wir rechtzeitig verschieben konnten. So sind keine Ausfallkosten aufgelaufen. Auch wenn es mich persönlich jetzt nicht trifft, unterstütze ich selbstverständlich die stetige Arbeit des Produzentenverbandes an dem Ausfallfonds, um meinen Kolleg*innen die nötige Sicherheit zu geben, die man braucht, um in diesen Zeiten in einen Dreh zu gehen, ein Filmprojekt zu wagen.“
Das Jahr der Stoffentwicklung hat Dich also an den Wiener Hof im Jahre 1858 geführt. Die legendäre Sisi heiratete dort mit 16 Jahren Franz Joseph I., wird Kaiserin von Österreich, später auch Königin von Ungarn. Die Story um Glück und Leid liefert den Stoff für die neue Netflix-Serie ‚The Empress‘, die der Streamingdienst Dir anvertraut hat. Kommt ein Remake der ‚Sissi‘-Trilogie?
Jochen Laube: „Nein, es ist natürlich kein Remake der Trilogie. Wir versuchen, eine länger laufende Serie zu entwickeln, die mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm überhaupt nichts mehr zu tun hat. Die erste Staffel konzentriert sich auf nur wenige Monate des Kennenlernens und die Hochzeit. Die reale Sisi und das wirkliche Leben am Wiener Hof sind eine sehr harte Geschichte. Der Hof ist ein goldener Käfig, wie ihn auch Lady Diana im britischen Königshaus erlebt hat. Für Sisi war die Situation nur viel krasser. Es gab eine ehrliche, romantische Liebe mit viel gemeinsamer Hoffnung. Auch Elisabeth glaubte, etwas bewirken und ihrem damals 23-jährigen Ehemann wirklich beistehen zu können. Er führte ein Reich, das so groß war wie die ehemalige Sowjetunion, mit Kriegen an allen Ecken, großer Armut und einer Epidemie. Sie wollten ein modernes Paar sein, wirklich gemeinsam etwas bewirken, was am Wiener Hof jedoch überhaupt nicht funktionierte und zu einem großen Drama führte. Diese sehr moderne und hoch emotionale Geschichte, gepaart mit unserer Zusammenarbeit mit führenden Historikern, lässt ein völlig neues Sisi-Bild entstehen. Gedreht wird nicht in Österreich. An den Originalschauplätzen – der Hofburg und Schönbrunn – gibt es einfach zu viele Touristen. Momentan sind wir auf Location-Tour in Deutschland und ein Traumschloss ist schon im Gespräch. Um die Besetzung muss ich kein Geheimnis machen; ich kenne die Schauspieler*innen noch nicht. Die echte Sisi war damals 16 Jahre alt. Wir brauchen also ebenfalls eine sehr junge Darstellerin. Wir casten hunderte Schauspielerinnen und Nicht-Schauspielerinnen im Land. Aus 700 Casting-Einreichungen werden wir bald ein ganz neues, junges Sisi-Gesicht auswählen. Gedreht wird ab Mai 2021 und 2022 zeigt Netflix dann die erste Staffel.“