Foto: Max Kohr
Thomas Hermanns
In seinem neuesten Projekt widmet sich der Quatsch-Comedy-Club Gründer Thomas Hermanns dem Phänomen »Boyband«. Im Interview mit MORITZ-Redakteurin Helen Gerstner verrät er, was das Boybandrezept ist.
Herr Hermanns Sie haben ja schon bei vielen Musicals wie »Grease« oder »Kein Pardon« Regie geführt. Warum jetzt eine Show über Boybands?
Ich habe immer einige Projekte in der Hinterhand. Das Projekt ist jetzt schon vier Jahre in Arbeit. Ich war auf dem Laufband und habe über meinen iPod nach dem Zufallsprinzip Lieder gehört, bis dann von Blue der Song »Breathe easy« kam. Da ist mir wieder aufgefallen, dass das ja eigentlich ein Spitzensong ist, obwohl das ja gar kein riesen Hit der Boybandgeschichte war. Aber ich finde, es ist mal wieder Zeit, sich diesen Liedern zu widmen und zu schauen, ob sie nicht vielleicht besser sind, als wir sie in Erinnerung haben. Der Anfangsimpuls war wirklich, dass ich mir gedacht habe, dass wir zwar alle die Videos und die Looks kennen, aber was ist eigentlich mit den Songs? Daher ist die Idee entsprungen, sich das Genre »Boybands« mal auf der Bühne live anzugucken und zu entscheiden: was ist gut, was braucht man und was kann weg?
Das heißt, Blue ist eine Ihrer Lieblingsboybands?
Nein, das war ein Song aus der zweiten Reihe, bei dem ich das Gefühl hatte, wir denken immer »die sehen alle gut aus und stehen immer im Regen«. Aber eigentlich ist es wie wenn man früher mal einen Motown-Song von den Supremes gehört hat und das ja eigentlich besser war, als man es in Erinnerung hatte. An Boybands hängt einfach das typische Casting-Klischee. Bei den Proben haben wir jetzt aber gemerkt, wie schwer die Choreos und die Songs sind und unter welcher Leichtigkeit die Bands das verpackt haben. Dazu gehört sehr viel Showmanship und Qualität.
Sie haben schon die klassische Casting-Situation angesprochen. Wie ist das Casting für »Boybands forever« abgelaufen? Haben Sie schnell die passenden Darsteller gefunden?
Das war sehr schwer. Viele dachten, dass sie mal eben zu einem Boyband Casting gehen, ein bisschen nett gucken und einen Side-Step machen. Unser Choreograf Marvin A. Smith hat aber gleich mal eine richtige N'Sync Choreo ausgepackt. Da bekamen schon die meisten Herren im Saal Angst. Das war wirklich schwer. Danach gings mit unserem musikalischen Leiter Christoph Papendieck an die Balladen. Klar, man hat die Liedstimme im Kopf, aber es sind alles Closed-Harmonie-Gesänge – dreistimmig, vierstimmig. Letztlich haben wir alles zusammengepackt und gesagt »So, jetzt singt mal die hohe Note im Spagat«. Da haben wir gemerkt, wie schwer das wirklich ist. So kam auch bei uns auch ein neuer Respekt für Boybands auf. Nur weil es leicht daherkam, ist es nicht leicht zu machen.
Und dennoch haben Sie fünf Herren gefunden, die alle Kriterien erfüllen.
Genau, nach langer Zeit haben wir sie gefunden. Wir haben zunächst in London gecastet, dann in Hamburg, und dann noch mal in London, wo wir die Amerikaner auch hingeflogen haben. Jetzt haben wir fünf, die das super machen. Die Londoner Jungs kommen aus der Musicalrichtung, die Amerikaner kommen aus der Popwelt und haben selbst schon Platten gemacht. Da treffen Welten aufeinander, aber sie sind jetzt schon eine Band. Sie fühlen sich auch schon wie eine echte Boyband und wollen gar nichts anderes mehr sein.
Das heißt, die Jungs gehen nach »Boybands forever« vielleicht als richtige Band auf Tour?
Das könnte durchaus passieren. Am Ende des Abends behandelt das Publikum die Schauspieler wie eine echte Band. Wir haben auch alle Fanreaktionen, die echte Boybands auch kennen – es gibt Bleistiftzeichnungen, die Fans warten vor dem Eingang und reisen den Jungs nach. Die Fiktion lappt eindeutig in die Realität über. Sie könnten also durchaus noch einen Hit schreiben, der müsste dann aber natürlich ein bisschen ironisch sein, weil die Show humorvoll ist und mit Comedyelementen arbeitet. Wir nehmen das alles nicht so tierisch ernst. Im Endeffekt ist es für unsere Jungs glaube ich am schönsten, Popstars zu spielen und bejubelt zu werden, ohne ein echter Star sein zu müssen.
Auf was für Charaktere können sich die Zuschauer freuen?
Wir erfüllen das klassische Boybandrezept. Jede Band, die erfolgreich war, hatte dasselbe Rezept. Man nehme fünf Typen: den Schwiegersohntyp, der der Liedsänger ist, den Brudertyp, der mehr der Brother denn der Lover ist obwohl er eigentlich den besten Körper hat, dann gibt es das Sweatheart, der der niedlichste der Band ist und natürlich gibt es den Bad Boy, denn es gibt keine Boyband ohne Gefahr. Er ist meistens der Liebling aller Frauen, obwohl die Bad Boys ja eigentlich keiner heiratet, für einen Abend reicht es aber. Letztlich gibt es noch den Fünften, den alle immer vergessen haben. Das ist der, der alles immer so gut konnte wie die anderen, aber trotzdem nicht in Erinnerung geblieben ist. Dem widmen wir in der Show dann auch eine lange Passage und feiern ihn ab, weil er eigentlich unser heimlicher Held der Boyband-Geschichte ist.
Welcher dieser Boybandcharaktere wären Sie?
Ich wäre natürlich der Manager, der sie alle zusammenstellt. Ich kann nichts von dem, was man in einer Boyband benötigt. Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen – selbst den Fünften hätte ich nicht hingekriegt.
Sind in der Show nur die Boybands der 90er vertreten?
Es geht in den 90ern los, weil das die große Ära der Boybands war, das Programm geht aber bis zu One Direction, weil wir in den letzten Jahren ja erlebt haben, dass eine Boyband mehr verkauft hat als Backstreet Boys und Take That zusammen. Solange es Mädchen gibt oder schlaue Frauen in schönen Theatershows, wird das Phänomen Boyband nie verschwinden.
Und Ihre Lieblingsboyband ist?
Dadurch, dass wir den ganzen Boyband-Katalog durchgearbeitet haben, habe ich gerade eine East 17 Vorliebe. Zum einen sind die wirklich nicht hübsch, da stimmt das Klischee mal nicht, die sehen wirklich merkwürdig aus, aber sie haben auch ein schönes Musikspektrum.
Sie kommen mit Ihrer Show ja auch nach Heilbronn. War Sie schon einmal in der Käthchenstadt?
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sich leider noch nicht in Heilbronn war. Aber wenn ich jetzt nach Heilbronn komme, ist es wohl am besten, wenn ich mit einer Boybandshow komme, weil ich mir vorstellen kann, dass die Heilbronner gut abfeiern können. Ich bin gespannt, ob die Heilbronnerinnen ausflippen können.
Herr Hermanns, Ihr Quatsch Comedy Club feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum dieses Format in unserer schnelllebigen Zeit als ein solcher Dinosaurier überleben konnte?
Ich glaube, wir haben einen eingebauten Jungbrunneneffekt dadurch, dass wir immer die aktuellen, angesagtesten Comedians hatten. Wir haben den Markt einfach immer abgebildet, es gibt immer neue Leute, neue Trends und neue Comedians, der Clou ist den Trend nicht zu verpassen. Von Chris Tall über Luke Mockridge, von Carolin Kebekus bis zu den Rebell Jungs gibt es genug tolle Comedians. Wir waren immer nur das Gefäß und die Comedians selber haben den Inhalt geliefert. Dadurch ist es anders wie beispielsweise bei einer Sitcom, wo dem Cast vielleicht irgendwann nicht mehr sehen kann. Durch unseren ständigen Wechsel wird es nie langweilig.
In 25 Jahren Quatsch Comedy Club gab es bestimmt einige lustige Backstage- Anekdoten. Fällt Ihnen spontan eine ein?
Die Anfänge des Quatsch Comedy Clubs waren besonders lustig, weil eigentlich noch keiner so richtig wusste, was Comedy überhaupt ist. Als wir beispielsweise zum ersten Mal in London aufgetreten sind für Deutsche, die in London leben, dachten wir, dass wir als die großen Botschafter des deutschen Humors hinkommen. Die englische Presse hat uns aber völlig durch den Kakao gezogen, jedes Interview war über Hitler und Fußball, über dieses blöde Tor, das ich auch nicht kannte. Das ging so weit, dass ich irgendwann gesagt habe, dass ich keine Interviews mehr über Hitler und Fußball mache. Es gab dann aber noch eine große Sendung »Big Breakfast«, eine große Morningshow, zu der ich noch hin bin. Ich stand dann morgens um 7 Uhr auf einer Brücke in London und der Moderator kam mir mit einer riesen aufblasbaren Wurst entgegen. Da dachte ich mir auch nur »achja, das deutsche Klischee hatte ich ja noch vergessen«. Das waren so die Anfänge, in denen noch gar nicht klar war, was für eine große Industrie hinter der deutschen Comedy steckt.
Was die Ausländer über den deutschen Humor denken, haben Sie gerade verdeutlicht, aber wie empfinden Sie den deutschen Humor? Hat er sich in den letzen Jahren verändert?
Er ist Gott sei Dank selbstverständlich geworden. Wir haben sehr viel Spektrum zu bieten – jeder kann sich heute aussuchen, zu welchem Comedian er will. In den ersten zehn Jahren gab es nur ein paar. Wenn man fragte »Magst du Comedy?« war das gleichbedeutend mit »Magst du die fünf Komiker?«. Inzwischen kann man heute zu Sascha Grammel, morgen zu Atze und übermorgen zu einem Newcomer gehen, das finde ich super. Es ist einfach nicht mehr wegzudiskutieren. Die Journalisten wollten das jahrelang weg haben und haben mich immer wieder gefragt, wann dass mit der Comedy denn wieder vorbei sei. Jetzt kann ich ihnen sagen, dass so wie mit den Boybands ist, Comedy bleibt und das ist auch gut so.
Wird man Ihrer Lebensleistung dann gerecht, wenn man Sie als »Pate der Stand-Up- Comedy« in Deutschland bezeichnet?
Ja, das würde ich schon sagen, weil wir den ersten Club aufgemacht haben, nach englischen Vorbild, wo mehrere an einem Abend auftreten. Das Neue war also die Form. Als Moderator habe ich die Leute auch glaube ich gut präsentiert, habe viel Regie geführt, wie bei Michael Mittermeier oder Gayle Tufts. Den Schuh ziehe ich mir schon an, aber der Club ist inzwischen größer als ich selber, das ist mittlerweile eine richtige Institution.
In den letzten Wochen wurde das Thema gleichgeschlechtliche Ehe ja heiß diskutiert. Wie viel Spaß verstehen Sie in dieser Hinsicht?
Man darf über alles Gags machen. Je höher das Tabu, desto besser muss der Gag sein. Über ein schwieriges Thema einen leichten Witz zu machen ist immer zu einfach, finde ich. Aber grundsätzlich darf Comedy alles. Ich glaube, nur Diktaturen schließen Humor aus, deshalb darf man über alles Gags machen. Dass die gleichgeschlechtliche Ehe jetzt kam, war längst überfällig. Her damit, es wurde Zeit. Jetzt kann ich meine eingetragene Partnerschaft auch umwandeln. Wir überlegen gerade, ob wir noch mal eine Hochzeit planen und noch mal groß feiern oder doch ganz schlicht. Da bin ich noch unentschlossen. Aber es wird auf jeden Fall noch mal geheiratet. Das ist ja auch schon mal klasse. Dann kriege ich noch mal Geschenke (lacht).