Rainer Kurze
In diesem Jahr feiert das Naturtheater Reutlingen sein 90jähriges Bestehen. Rainer Kurze, der erste Vorsitzende des Theatervereins, begleitet den Weg der Freilichtbühne seit Mitte der 1980er Jahre. Im MORITZ Interview blickt er zurück auf die Geschichte und Entwicklung des Freilichttheaters, erzählt von tierischem Besuch auf der Bühne und gibt einen Ausblick auf die große Jubiläumssaison.
Was macht den Charme eines Naturtheaters aus?
Die Einzigartigkeit der Natur in der Umgebung macht jedes Theater individuell. Jeder Fleck ist anders. Im Gegensatz zu Saaltheatern, in denen die Räumlichkeiten immer ähnlich bleiben, kann es auch schon einmal vorkommen, dass sich eine Fledermaus oder ein Fuchs auf die Bühne verirrt. Da muss der Darsteller gekonnt drüber weg improvisieren können. Auch das Wetter spielt natürlich eine zentrale Rolle, bei Regen oder Hagel kann es vorkommen, dass ein Stück unter- oder sogar ganz abgebrochen werden muss. Es ist ein Spiel mit der Unberechenbarkeit der Natur. Dafür ist die Kulisse natürlich absolut einmalig. Den Wasenwald von seiner schönsten Seite zu sehen, ist immer etwas Besonderes.
Glauben Sie, dass der große Erfolg des Naturtheaters in der Kulisse begründet ist?
Der Erfolg hat viele Väter. Als einzige deutsche Freilichtbühne, die aus einem Arbeiterverein hervorgegangen ist, sind wir natürlich ein absoluter Traditionsverein. Das besondere Zusammenspiel zwischen Profis und Amateuren sorgt seit Jahren für die hohe Qualität unserer Darbietungen. Auch die Leidenschaft unserer Darsteller erstaunt mich immer wieder, sich freiwillig in nasse Requisiten zu setzen ist wahrlich keine Freude.
Da sprechen Sie sicher aus eigener Erfahrung?
Ja, ich bin seit 1983 im Naturtheater aktiv und habe natürlich auch das ein oder andere in meiner aktiven Karriere erlebt, oder vielleicht auch erlitten. Obwohl ich meine Zeit auf der Bühne natürlich genossen habe. Was mich aber besonders fasziniert, ist die Entwicklung unseres Vereins zu beobachten. Als ich Mitte der 80er Jahre das erste Mal eine Führungsposition als Jugendleiter übernommen habe, lag unsere Jugendarbeit fast brach. Es ist unglaublich positiv, was sich dort in den letzten Jahren entwickelt hat.
Wo sehen Sie denn die größten Fortschritte im Theaterbetrieb?
Nun besonders freut mich natürlich der angesprochene Ausbau unserer Jugendarbeit, denn die kleinen Schauspieler und Zuschauer von heute sind unsere Theaterfreunde von morgen. In administrativer Sicht arbeiten wir in den letzten Jahren verstärkt mit hauptberuflichen Mitarbeitern. Dank der großen Resonanz hat auf dieser Ebene eine Professionalisierung eingesetzt, das Pensum wäre nur mit Ehrenamtlern kaum zu stemmen. Wobei wir unseren Wurzeln als Amateurtheater gerade im künstlerischen Bereich treu bleiben werden: das Amateurschauspiel gehört einfach dazu. Auch die technische Ausstattung haben wir in den letzten Jahren sehr modernisiert. Vor allem die Akustik hat sich seit 2008 sehr positiv entwickelt. Die neue Zuschauerhalle, der kontinuierliche Ausbau der gesamten Theateranlage und die Erweiterung der Toilettenanlage fällt natürlich gerade unseren Zuschauer positiv auf. Das Drumherum muss eben auch stimmen. Das Auge genießt schließlich mit.
Geben Sie uns zum Abschluss noch einen Ausblick auf die Jubiläumssaison?
Ich würde vielleicht erst einmal mit einem kurzen Rückblick starten. Das erste Stück, das auf der Wasenwaldbühne aufgeführt wurde, war Friedrich Schillers »Jungfrau von Orleáns«. Dieser Tradition Klassik mit der Moderne zu verbinden fühlen wir uns natürlich auch weiterhin verpflichtet.
Allerdings wird bei unserem Festspielprogramm in diesem Jahr mit drei Eigenproduktionen und vier großartigen Gastspielen aus Schiller schriller. Die Stücke sind ein guter Mix, der das Beste aus unserer Bühne herauskitzeln kann. Wenn ich mir den bisherigen Vorverkauf so ansehe, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr mit etwa 30.000 Zuschauern rechnen können. Das wäre natürlich eine tolle Marke, die es zu knacken gilt.