Von den bescheidenen Anfängen im Café Wilhelm zu ausverkauften Hallen und Auftritten auf der BUGA – Poetry Slam in Heilbronn-Franken ist populärer denn je.
Es waren nur maximal 30 Gäste, die sich im März 2009 in das Café Wilhelm in Heilbronn setzten, manche etwas verwirrt: Ein so genannter Poetry Slam soll hier stattfinden, was ist das denn? Nie davon gehört! Schnitt zu zehn Jahren später. Vor dem Café Wilhelm haben sich bereits Stunden vor Beginn lange Schlangen gebildet. Was ein Poetry Slam ist, muss man hier längst niemandem mehr erklären, sie alle wissen Bescheid: Poetry Slam, ein moderner Dichterwettstreit, bei denen sich Menschen auf die Bühne stellen und selbst geschriebene Texte vortragen – vom Gedicht bis zur Kurzgeschichte ist alles dabei. Fünf Minuten lang, dann wird gnadenlos der Saft abgedreht. Anschließend bewertet eine Publikumsjury die gehörten Performances, es gibt Jubel, Applaus, Begeisterung, am Ende wird ein Sieger gekührt.
Poetry Slam gehört zum Kulturgut
Das in den 80ern in Chicago gegründete Veranstaltungsformat hat sich längst auch in Deutschland etabliert. »Es kann alles passieren. Menschen, die hier ihren allerersten nervösen Auftritt hatten, spielen heute Soloshows in 1000er-Hallen«, erklärt Organisator Daniel Schütt, der den Poetry Slam in Heilbronn von der ersten Veranstaltung an begleitet hat. »Mittlerweile ist der Slam hier jeden Monat bis auf den letzten Platz ausverkauft.« Längst ist Heilbronn nicht mehr der einzige Veranstaltungsort der Region, es gibt regelmäßige Poetry Slams in Mosbach und Schwäbisch Hall sowie mehrere Slams unterschiedlicher Größenordnungen in Stuttgart. »Inzwischen gibt es auch immer häufiger Anfragen von Kulturvereinen oder größeren Veranstaltern für einmalige Sachen«, so Schütt. Dazu gehören unter anderem Auftritte in der Kreissparkasse Unter der Pyramide oder, wie zuletzt, insgesamt vier Shows auf der Bundesgartenschau Heilbronn. »Die BUGA war eine spannende Erfahrung und ich glaube, die Zuschauer haben einfach gemerkt, dass bei uns Liebe in jedem Detail drinsteckt, egal wo wir auftreten.« Was Schütt auf der BUGA besonders freute: »Die musikalischen Feature-Gäste zur Einstimmung waren ausschließlich regionale Bands und Künstler.« Nach den Auftritten seien viele Besucher ungläubig auf ihn zugekommen mit der Frage: »So toll! Kommen die wirklich aus Heilbronn?« Schütts Antwort: »Ja klar – in Heilbronn gibts echte Talente!«
Philipp Herold, selbst langjähriger Slam Poet und seit 2011 Moderator des Heilbronner Poetry Slams, erinnert sich noch an die ersten Gehversuche des lokalen Slams: »Früher war ich selbst noch Teilnehmer, ganz frisch dabei. Und schon damals ist mir aufgefallen, wie laut das Publikum hier werden kann.« Schnell sei klar geworden: Die Leute in der Region haben auf eine Veranstaltung wie diese gewartet. »Die Besucher stehen jedes Mal draußen, sogar in der Kälte, es ist echt beeindruckend«, so Herold.
Heilbronn bringt Talente hervor
Dass Heilbronn nicht nur als Gastgeber für von außerhalb auftretende Poeten herhalten muss, sondern selbst über große versteckte Talente verfügt, wurde spätestens 2015 klar: »Luis Schulz war im Februar bei uns als Neuling im Workshop, zwei Monate später ist er baden-württembergischer Landesmeister geworden«, erklärt Daniel Schütt. »Das ist Poetry Slam«, ergänzt Herold mit einem Lachen. Ein Prinzip, dass beiden auch mit zunehmendem Erfolg wichtig bleibt: Jeder darf auf die Bühne. Zusätzlich gibt es Bemühungen, auf diese Weise jüngeren Menschen das Schreiben näher zu bringen: Regelmäßig geben Herold und Schütt Workshops an Schulen, im Dezember wird es eine eigene U20-Meisterschaft geben. »Lokale Talente zu fördern und die Szene vor Ort zu unterstützen sehen wir nach wie vor als eine unserer wichtigsten Aufgaben an«, betont Schütt. »Oftmals fehlt vielen zum Schreiben einfach nur der entscheidende Push.« Trotzdem fügt Philipp Herold hinzu: »Man kann sie aber nicht zwingen. Man muss schon Bock darauf haben zu schreiben.«
Sich auf dem anhaltenden Erfolg von Poetry Slam in Heilbronn-Franken auszuruhen kommt für Daniel Schütt und Philipp Herold nicht in Frage. Neben den weiterhin regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen in Heilbronn, Mosbach und Schwäbisch Hall wird es am 23. November ein »Poetry vs. Comedy« Special geben – wieder in der Kreissparkasse Unter der Pyramide. Dort treten drei Poetry Slammer im Wettkampf gegen drei Stand-Up-Comedians an – das Publikum entscheidet, wie immer, wer gewinnt. Am 6. Dezember werden in der BOXX im Theater Heilbronn die U20-Stadtmeisterschaften ausgetragen. Der Gewinner wird Heilbronn bei den baden-württembergischen U20-Landesmeisterschaften vertreten.
Alle Veranstaltungen unter www.popbuero-hn.de