Ferkel Johnson alias Merlin ist nicht auf den Mund gefallen – auch nicht als Pantomime. Derzeit lädt der sympathische Künstler allabendlich im Rahmen der 20er-Jahre-Revue »1925« als Conférencier im Stuttgarter Friedrichsbau Varieté zu einer nostalgischen Zeitreise in die »Goldenen 20er Jahre« ein. Im Interview mit MORITZ sprach er über mündliche Prüfungen bei der Pantomime-Ausbildung, den besonderen Reiz der 20er-Jahre und das einzigartig-charmante Flair des Friedrichsbau Varietés.
Wie wird Abend für Abend aus dem Ferkel eine Rampensau?
Das »Ferkelding« stammt noch aus meiner Anfangszeit in der Burlesque-Szene in Berlin - da war so ein Name natürlich passend. Ich möchte jetzt aber langsam weg davon und mich selbst mehr als Merlin darstellen. Ferkel Johnson funktioniert aber schon so, dass die Figur sehr stark aus mir kommt. Das sind gewisse Charakterzüge, die dann verstärkt zum Vorschein kommen - sowas Frivoles halt, wobei ich damit etwas Neckisches meine, denn am liebsten flirte ich mit dem Publikum. Bei der »Verwandlung« hilft das Schminken! Bei der Pantomime habe ich gelernt: mit der Schminke kommt auch der Charakter. Oft gibt es auch noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, in dem ich mir nochmal in die Augen schaue und auf einmal fängt dann da etwas an zu grinsen und zu lächeln ... dann kommt der Bühnencharakter zum Vorschein.
Dein großes Steckenpferd ist die Pantomime. Du besitzt sogar ein Pantomime-Diplom. Wie hat sich deine Leidenschaft zur Pantomime entwickelt? Und die besondere Frage: gibt es beim Pantomime-Diplom auch eine mündliche Abschlussprüfung?
Ja, ich bin staatlich zertifizierter Pantomime von Beruf (lacht). In der Waldorfschule habe ich in der 12. Klasse bei einem Theaterprojekt meine einzige 1+ mitgenommen, weil ich die Hauptrolle wirklich gut gespielt habe. Da dachte ich mir: okay, jetzt will ich Schauspieler werden - weil es mir etwas gegeben hat. Da ist etwas in mir aufgeblüht. Ich habe dann an der Schauspielschule vorgesprochen und mir wurde eine enorme Bühnenpräsenz bescheinigt - aber auch kritisiert, dass ich mich nicht in andere Rollen einfühlen kann und mich selbst zu sehr in meine Rollen einbringe. Die Absage der Schauspielschule war dann der zündende Funke, da ich so für mich festgestellt habe, dass ich als Clown mehr Freiheiten habe, um eigene Themen zu platzieren und mich selbst auszudrücken. Ich habe mich daraufhin an der »Etage« (Schule für darstellende Künste) in Berlin beworben und dort Ballett, Akrobatik, Schauspiel, Tanz, Clownerie und Pantomime gelernt. Da gab es auch eine Abschlussprüfung, bei der wir ein 45-minütiges Pantomime-Solostück aufführen mussten, bei dem ich allerdings Sprache eingebaut habe. Da saß dann ein tschechischer Prüfer im Komitee und der meinte etwas störrisch: »Ich dachte, das sei Pantomime - aber du hast gesprochen!«. Ich habe zwar noch versucht zu erklären, dass das mein Zugang zur Pantomime sei - aber die waren eher konservativ und haben mich gerade noch so durchkommen lassen. Bestanden ist eben bestanden.
Die 20er-Jahre-Revue ist bereits die vierte Show im Friedrichsbau Varieté, an der Du beteiligt bist. Fühlst Du dich in Stuttgart mittlerweile schon ein bisschen heimisch und kommst Du mit der schwäbischen Mentalität gut klar?
Ich arbeite schon seit 2010 jeden Sommer in Stuttgart. Mit meinem Clown-Duo habe ich bis 2018 immer die Spielstadt »Stutengarten« moderiert und am Rathaus haben wir auch schon mal was gemacht. Ich fühle mich hier tatsächlich auf eine kuriose Art heimisch. Ich bin ja aus Berlin und Stuttgart war zunächst sehr exotisch für mich. Ich habe mich aber mittlerweile sehr gut hier eingefunden.
Also hast Du auch schon die ein oder andere
Maultasche gegessen?
Ja klaaar. (im schwäbischen Dialekt)
Was macht für dich den besonderen Reiz des Hauses hier aus?
Die Menschen! Also wirklich die Belegschaft. Angefangen bei allen im Büro - hier herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre!
Und was macht den besonderen Reiz der »Goldenen 20er« aus? Mich fasziniert vor allem die Dringlichkeit dieser Zeit, eine Freiheit zu erleben, von der man weiß, dass sie wahrscheinlich nicht auf Dauer ist. Dieses Gatsby-Zeug war ja nur für die ganz Oberen die Realität - das waren vielleicht 5.000 Leute die dieses Smoking-Ding, Cocktailschlürfen und das Edle miterlebt haben. Für die meisten Leute war das gar nicht möglich. Aber trotzdem war da dieses Gefühl von Aufbruch und Umbruch, ohne genau zu wissen, worauf es hinsteuert - da es irgendwo im Hintergrund schon ordentlich politisch brodelt.
Wir stehen jetzt gerade auch am Beginn der 20er-Jahre. Glaubst Du, das kann ebenfalls eine prägende Ära werden? Wird man 2120 ähnlich zurückblicken, wie wir jetzt auf die 1920er?
Eine spannende Frage. Es gibt viele, die sagen: »Es ist doch genauso wie vor hundert Jahren. Es gibt wieder rechte Gewalt!« Ich sehe natürlich auch, was in der Gesellschaft passiert. Es ist ein großer gesellschaftlicher Umbruch da. Es ist viel Angst da, dafür aber wenig Mut und wenig Visionen. Es gibt einfach zu wenig Menschen, die sagen: »Los geht’s! Wir entwickeln jetzt Ideen für die Zukunft, wir bewirken was Gutes!«, sondern eher dieses: »Wir wollen bewahren! Wir wollen nicht loslassen, wir haben Angst!«
Was wäre denn dein persönliches Lieblingsjahrzehnt?
Schwer zu sagen. Es gibt verschiedene Jahrzehnte, in die ich gerne mal reingeschaut hätte. Hätte ich gerne in den 20ern gelebt? Ich glaube, das wäre schon sehr hart gewesen. Ich hätte mit Vergnügen die 20er Jahre eine Zeit lang besucht. Ich hätte dann Kurt Tucholsky und das Berliner Kabarett besucht und Menschen kennengelernt, die wirklich was gemacht und was bewirkt haben zu dieser Zeit. Aber ich hätte auch gerne in den 70ern den Umbruch zwischen Hippies und Punks erlebt. Ich war ja mit 14 auch mal Punk. Gleichzeitig sehe ich auch, was wir hier in unserem Zeitalter haben. Wir genießen eine große Freiheit. Wir können im Grunde machen, was wir wollen!
Nostalgie ist manchmal eben schon sehr verklärt.
»SPRACHLOS!«
Ein pantomimisches interview
Friedrichsbau-Varieté-Conférencier Ferkel Johnson ist eigentlich so gut wie nie um einen lockeren Spruch verlegen. Im MORITZ-Foto-Interview musste sich der Pantomime allerdings sinnbildlich auf die Zunge beißen und sich die auf der Zunge liegenden Antworten verkneifen. In diesem Sinne ab ins Blitzlichtgewitter ...
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Wie ist das Stuttgarter Publikum?
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Deine liebste Freizeitbeschäftigung?
»1925 - Die 20er-Jahre-Revue«, noch bis 23. Februar,
jeweils Mittwoch bis Samstag: 20 Uhr, Sonntag: 18 Uhr, Special: »La nuit d’or – Die 20er Jahre Nacht« (20er-Jahre Dresscode + After-Show-Party), Sa., 8. Februar, 20.30 Uhr, Friedrichsbau Varieté, Stuttgart, www.friedrichsbau.de