»Osez perdre du temps«, steht auf einem Zettel, der an einem Regal hängt. Frei übersetzt: »Hab‘ den Mut, auch mal Zeit zu verlieren.« Tempo rausnehmen, zur Ruhe kommen, sich dem Alltag entziehen - das ist Teil der Philosophie, die Maryse Montésino-Fugger täglich lebt und weiterzugeben versucht. Vor vier Jahren ist die vielseitige Künstlerin, gebürtige Französin mit algerischen und spanischen Wurzeln, mit ihrer Kunst-Backstube von Mosbach nach Obrigheim umgezogen.
Was nach Backstube klingt, war in der Tat auch mal eine. 2009 eröffnete Maryse Montésino-Fugger mit der befreundeten Künstlerin Monika Kretz in Mosbach das Keramik- und Malatelier. In den Räumen einer ehemaligen Bäckerei. So entstand der Name Kunst-Backstube und wurde am neuen Standort beibehalten. Das Atelier an der Hauptstraße von Obrigheim vereint Werkstatt und Ausstellungsraum unter einem Dach. Hier gibt Maryse Montésino-Fugger auch Töpferkurse. In den 80er-Jahren kam sie als Austauschlehrerin für Deutsch und Französisch nach Mosbach. Ein Jahr wollte sie bleiben. »Ich bin immer noch da«, sagt sie. Früher hat sie als Gitarristin in diversen Bands gespielt. Heute unterrichtet sie neben ihrer künstlerischen Tätigkeit an der Gehörlosenschule Musik. Rhythmus und Sprache faszinieren sie seit jeher und sie war und ist immer wieder an Projekten für Alte Musik, Folkmusik aus Europa, traditionelles Trommeln aus Westafrika, Obertongesang und Instrumentenbau beteiligt.
Das Arbeiten und Gestalten mit Ton lernte sie bei Gertrud Saumweber, kam darüber auch zum Aktzeichnen. Ihre Skulpturen sind von der afrikanischen Kultur und Lebensart inspiriert. Sie zeigen zumeist Menschen, die sich im Auf- oder Umbruch befinden - mal einzeln dargestellt, mal in Gruppen, wo alle gemeinsam und doch jeder für sich allein nach Freiheit, nach Anerkennung, vielleicht nach einem besseren Leben strebt. In ihren Zeichnungen bildet sie Gesichtszüge ab, in denen Schmerz und Stärke miteinander verschmelzen. Maryse Montésino-Fugger ist fasziniert von dem Spiel mit der Dreidimensionalität, das sie in ihren Arbeiten meisterhaft beherrscht. Ihre Skulpturen regen zum Nachdenken an und berühren, weil man als Betrachter mit Kulturen konfrontiert wird, die fremd erscheinen, letztlich aber doch immer nur den Menschen abbilden. Mit seinen Stärken und seiner Verletzlichkeit.
»Ich verarbeite in meinen Arbeiten Träume und Visionen«, erzählt die Künstlerin. Dinge, die sie beschäftigen, finden auf diese Weise ein Ventil. In allem, was sie fertigt, ist eine Spiralbewegung zu erkennen. Ein Zeichen für Unendlichkeit? Vielleicht. In der Auswahl der Farben spiegelt sich ihr Sinn für das Schöne wider. Ihre tönernen Menschenbilder belässt sie in Erdfarben: ursprünglich, urwüchsig, authentisch. Neben Skulpturen, Büsten und Statuetten fertigt sie Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Schalen, Tassen, Teller. Maryse Montésino-Fugger hat ihre sehr eigene, künstlerisch-wertvolle Handschrift entwickelt. Bei der Auseinandersetzung mit dem Material Ton werde sie mit ihren kulturellen Wurzeln konfrontiert, sagt sie. »Meine Figuren entwickeln dabei eine spezifische Beziehung zu dem Material, zu mir und zueinander.« Ein wiederkehrendes Thema ist dabei die Vergänglichkeit, das ewige Werden und Vergehen.