Zwei Stromtrassen durch Deutschland zu schneiden kommt einem Drahtseilakt gleich. Was hat die größten Probleme bereitet, warum wurde gerade Leingarten als Endstation der Trassen ausgewählt? MORTZ-Redakteurin Simone Heiland fragte bei TransnetBW-Pressesprecher Alexander Schilling nach.
Herr Schilling, was hat bei der Planung des Korridors die größten Schwierigkeiten bereitet?
Deutschland ist ein dicht besiedelter Raum mit vielen Naturräumen, in dem unterschiedliche schutzbedürftige Arten leben. Zudem muss man, um einen Weg von Nord nach Süd zu finden, viele Flüsse, Eisenbahnstrecken und Autobahnen queren. Auch zahlreiche Gebirge und dicht bewaldete Regionen sind bei der Planung eines möglichst verträglichen Verlaufs von SuedLink für Mensch, Natur und Umwelt eine große Herausforderung. Die Abwägung all dieser Schutzgüter ist für die Planer eine intensive und nicht immer einfache Aufgabe.
Überall in Deutschland entstehen Windparks, sicherlich auch entlang der geplanten Stromtrasse. Bestehen da absprachen zwischen Ihnen und den Windparkbetreibern?
Nein. SuedLink transportiert den im Norden Deutschlands on- und offshore produzierten Windstrom als Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) als Punkt-zu-Punkt-Verbindung in den Süden. Genehmigte beziehungsweise im Betrieb befindliche Windparks im Korridorverlauf sind für unsere Planer natürlich ebenso zu beachten wie jede andere Infrastruktur.
Was war oder ist das größte Bauvorhaben – neben dem Bau der neuen LIDL-IT-Zentrale in Bad Friedrichshall –, auf das Sie Rücksicht nehmen mussten oder müssen?
Auf die Größe kommt es nicht an, sondern auf die Klassifikation der 150 Schutzgüter-Kategorien, die je nach Schweregrad abgewogen werden müssen. Ein zu Ihrer Frage hoffentlich passendes Beispiel: In Unterfranken ragt ein geplantes Gipsabbaugebiet in einen unserer für SuedLink geplanten Korridore. Für die Region ist dieses Abbaugebiet von großer Bedeutung, weshalb wir im engen Austausch mit der Genehmigungsbehörde und dem Unternehmen stehen, um die regionalen Planungen nicht zu behindern. Dies war in Bad Friedrichshall auch der Fall, wo das von Ihnen angeführte Lidl-Bauvorhaben dazu geführt hat, dass wir den Korridor nicht weiter in den Planungen betrachten werden – er also nicht mehr Gegenstand des aktuellen Antrags ist.
Warum ist gerade Leingarten der Endpunkt der Trasse?
Mit dem schrittweisen Abschalten der Kernkraftwerke wird sich das Gefälle zwischen Stromangebot in Norddeutschland und Stromnachfrage in Süddeutschland noch weiter verschärfen. Die südlichen Bundesländer werden im Jahr 2025 einen Großteil ihres Jahresverbrauchs importieren müssen. Am sehr gut ausgebauten Umspannwerk Großgartach bei Leingarten speisen bislang mehrere große Kraftwerke der Region Heilbronn ins Netz ein, inklusive des Kernkraftwerks Neckarwestheim. Deshalb kann der über SuedLink transportierte Windstrom aus dem Norden problemlos in die vorhandene Wechselstrom-Infrastruktur weitertransportiert werden.
Wie sieht die Energieversorgung in der Region südwestlich von Heilbronn Richtung Freiburg und im Großraum Stuttgart bis Ulm aus?
Bedingt durch die Energiewende optimieren und verstärken wir in vielen Regionen Baden-Württembergs unser Übertragungsnetz. Dies passiert nach dem NOVA-Prinzip. Zwischen Karlsruhe und Freiburg planen wir derzeit die Erhöhung der Transportkapazität der bestehenden 220-Kilovolt-Leitung. Im Raum Stuttgart und Ulm sind wir derzeit nicht mit Projekten tätig.