Erdbeeren
Mit den Erdbeeren und dem Spargel kommen auch wieder die kleinen Buden. Überall findet man sie am Straßenrand. Manche liebevoll wie eine Erdbeere gestaltet. Doch nicht jeder freut sich über das Sprießen der Fruchtbuden.
Mal schnell an der Parkbucht halten und eine Schale frische Erdbeeren kaufen - lecker! Tatsächlich werden die Früchte mehrfach täglich vom Feld angeliefert, wenn es sich um einen regionalen Anbieter handelt. Oft bekommt man sogar noch andere frische Waren wie Äpfel, Spargel und Kartoffeln dazu. Und ein paar hundert Meter weiter – wieder ein Stand. Die Konkurrenz ist mancherorts so groß, dass Anbieter schon von »Erdbeerkrieg« sprechen. Der Haken an der Sache: Aus den großen Erdbeerregionen wie Mittelbaden oder Südhessen drängen Direktverkäufer wegen des hohen Konkurrenzdrucks dort auch in unsere Region. Vom Odenwald und Taubertal über den Landkreis Heilbronn bis zum Schwarzwald weichen auswärtige Anbauer aus, um ihre Früchte anzubieten.
Keine Genehmigung
Und: Nicht jedes der Büdchen wird angemeldet und dann genehmigt, so dass man auf einen ausreichenden Abstand bei den Stellflächen achten könnte. Im Gegenteil: »Die meisten Stände stehen auf privatem Gelände«, erklärt Joachim Weis vom Ordnungsamt in Mosbach. »Sie stehen zum Beispiel auf großen Parkplätzen des Einzelhandels oder auf Tankstellengrundstücken. Da werden die Verträge direkt mit dem Eigentümer geschlossen, und wir als Behörde sind gar nicht eingebunden.«
Außer auf dem Marktplatz gibt es in Mosbach etwa gegenüber der Polizei einen Stand. In Neckarsulm zum Beispiel findet wie in anderen Orten auch regelmäßig ein Wochenmarkt auf dem Marktplatz statt – mittwochs und samstags –, bestückt von den örtlichen Obstanbauern. »Darüber hinaus gibt es aufgrund der hohen Nachfrage nach frischen Saisonerzeugnissen wie zum Beispiel Erdbeeren und Spargel eine Sondernutzungserlaubnis, die jeweils für den Marktplatz Neckarsulm und den Platz vor der Verwaltungsstelle Amorbach in der Lautenbacher Straße gilt«, teilt Andreas Bracht, Sprecher der Stadt Neckarsulm, mit. Zusätzlich gibt es noch private Hofverkaufsflächen in Obereisesheim, Amorbach und Dahenfeld. So gebe es in jedem Ortsteil die Möglichkeit, frische Erdbeeren zu erhalten, sagt Andreas Bracht.
Menschenrecht auf frische Erdbeeren
Dass dazu auch noch saisonale Verkaufsstände auf privaten Grundstücken öffneten, könne das Ordnungsamt nicht regulieren, bestätigt auch Bracht. Es sei eben für Buden auf privaten Flächen keine Genehmigung erforderlich. »Das ist halt Wettbewerb«, stellt Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer fest, der das Thema Streit um Verkaufsstände gut kennt.
Er fügt aber mit Blick auf die Verbraucher hinzu: »Für mich gibt es ein Menschenrecht auf frische Erdbeeren und frischen Spargel - auch für ältere Herrschaften auf dem Land zum Beispiel, die nicht mehr ganz so mobil sind.« Tatsächlich komme es aber »häufig« vor, so Schumacher, dass Beschwerden eingingen, etwa weil ein Mitbewerber den Stand zu dicht setze. »Doch da halten wir uns raus, es sei denn, es wird unlauterer Wettbewerb betrieben, also etwa unter Herstellungspreis angeboten«, erklärt Schumacher.
Auswärtige Konkurrenz
Martin Frech etwa, der einen Obstanbau mit Verkauf ab Hof in Reutlingen-Sickenhausen betreibt, klopft »dreimal auf Holz«, dass bisher noch kein Konkurrent in seiner direkten Nähe einen mobilen Verkaufsstand aufgestellt hat. »Wenn die Verkäufer von weiter her kommen, dann wurde das Obst vermutlich bereits am Vortag geerntet und ist eben auch nicht mehr so frisch. Weil Erdbeeren nicht nachreifen, werden also die ganz reifen Früchte geerntet - und die sollten rasch verkauft werden.« So ganz kann Martin Frech nicht glauben, dass man gegen die auswärtige Konkurrenz nichts machen kann: »Selbst wenn sie keine Genehmigung für den Stand brauchen - hat denn immer jeder, der eine Bude aufstellt, auch einen Gewerbeschein und die Berechtigung, mit Lebensmitteln umzugehen? Wie sieht es mit An- und Abfahrtsmöglichkeit aus?« Tatsächlich könnten Behörden dann tätig werden, bestätigt Joachim Weis vom Ordnungsamt in Mosbach.
Beim Obst- und Gemüsehof Heinrich in Öhringen weist man auf einen weiteren Punkt hin:
»Wir sind hier mit der Ernte etwas später dran. Woanders sind die Früchte schon reifer.« Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer sieht vor allem Positives im Direktverkauf - vor allem durch regionale Anbieter: »Abgesehen davon, dass die Ware sehr frisch ist, hat der Erzeuger den Vorteil, dass nicht die großen Einzelhandelsketten den Preis diktieren.« Zudem könne der Erzeuger auch Erdbeeren oder Spargel anbieten, die nicht der Handelsklasse I entsprächen. »Die weichen, süßen Erdbeeren, die Kunden schätzen,nimmt der Handel gar nicht ab.« Auch die Früchte der Klasse II oder III, die zum Einkochen verwendet würden, könne man vor allem an den Büdchen zu einem günstigen Preis erhalten.
Hitze in den Buden
Familie Blumenstock, die bei Schwäbisch Hall einen großen Beerenanbau betreibt, bietet die Früchte in unterschiedlichen Handelsklassen an - auch für Brennereien zum Beispiel. Verkauft werden die Beeren hauptsächlich an den Großmarkt, aber auch im eigenen Hofladen. Zusätzlich bietet die Familie die Möglichkeit, direkt vom Feld zu pflücken. Direktverkaufsstände betreibt Familie Blumenstock inzwischen nicht mehr. »Wir haben Stände gehabt, aber wenn es warm ist, dann staut sich die Hitze in den Buden«, erklärt Dorothea Blumenstock. Das bekäme dem Obst nicht gut. Zudem müsste regelmäßig frisch nachgeliefert werden. Und einen weiteren Grund nennt sie: »Es ist gar nicht so einfach, Personal für die Stände zu finden.«
Simon Schumacher kennt auch diese Problematik gut: Inzwischen sei es nicht nur schwierig, Erntehelfer zu finden, auch Kräfte für den Verkauf fehlten. Studenten und Schüler hätten in der Hochsaison oft noch Schule, und für Rentner sei es eine hohe Belastung. Schumacher prognostiziert daher auch Entspannung im Erdbeerbuden-Streit. Grund: »Es wird immer schwieriger, die Stände zu betreiben.« Solveig Giesecke