»Bin gleich soweit«, sagt Volker Fiebrich und fragt, wie spät es sei. Zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin. Mit einem freundlichen Achselzucken gibt er zu verstehen: selbst Schuld, lacht und köpft sein zweites Frühstücksei.
Dazu gibt‘s einen Pott Kaffee und eine trockene Scheibe Weißbrot. Das ist der Beginn eines amüsanten Vormittags auf der Terrasse der Pension Fiebrich in Weinsberg.
olker Fiebrich ist ein Unikum, einer, der alles kann, der hilft, wo Not am Mann ist. Ein Mann für alle Fälle. Sein Leben ist so bunt und prallgefüllt mit Anekdoten und Begebenheiten wie die Fassade seiner Pension. »Ich will mein Leben an die Wand malen«, hat er sich in den 90er Jahren gedacht. Damals bot Volker Fiebrich Jugendlichen aus Weinsberg mit seiner Pension einen Treffpunkt. Einer der Jungs, Artur Schäfer, ist ein begnadeter Comic-Zeichner. Er illustrierte Fiebrichs Lebensgeschichte, die sich wie ein roter Faden durchs und rund ums Haus zieht. Schräg, skurril, frech, dreist. Aber immer augenzwinkernd und stets mit einem wahren, manchmal auch ernsten Hintergrund. Er sei ein Workoholic gewesen, erzählt er. Sechs Jahre war er als Auslandsmonteur in Frankreich, Italien, Österreich und Spanien unterwegs, kaum zuhause, immer auf Achse. Bis er feststellen musste: »Mein Freund hat meine Ehe weitergeführt«, erzählt er. So sei es eben, wenn man eine hübsche junge Frau, montagebedingt, sieben Wochen alleine lasse. »Dafür hat man gute Freunde.« Und dann erzählt er drauflos, als gäb‘s kein Morgen. Vier Einbrüche hat er verhindert, als kurze Zeit nach der Maueröffnung eine Einbruchswelle Deutschland erschütterte. Wie? »Durch Renovierung der Pension bin ich rund um die Uhr zuhause geblieben.« Da hatten Einbrecher keine Chance.
Seine Pension hat er 1993 eröffnet. Internet hatte damals noch niemand. Und damit man ihn auch findet, strich er sein Haus gelb-blau an. Ein einprägender Erkennungsschock fürs Langzeitgedächtnis. Allerdings gingen die Nachbarn mit haltlosen Anschuldigungen und Unterstellungen hinter vorgehaltener Hand dagegen an. Polizeibesuche, Anzeigen und Hausdurchsuchungen, auch mit Hund, folgten. Doch Fiebrich hat sich niemals unterkriegen lassen, ist sich stets treu geblieben und hat sich die ungerechte Behandlung mit Gedichten von der Seele geschrieben. »Ich hab‘ das alles verdrängt und einfach weitergemacht«, sagt er. Mit Erfolg und zu Recht, wie man heute weiß. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Aus allen 40 Jugendlichen, denen er zwischen 1993 und 2002 eine Perspektive gab, sei etwas Anständiges geworden. Alle seien alkohol- und drogenfrei geblieben, keiner auf die schiefe Bahn geraten. »Alle sind beruflich erfolgreich und in die ganze Welt verstreut.« Darauf ist er ein bisschen stolz.
Nun steht der agile Senior kurz vor seinem 70. Geburtstag. Sein T-Shirt beschreibt, was Sache ist: Vorne steht »Hi!« und hinten »Speed«. Seine Pension mit drei Zimmern und sonnendurchflutetem Frühstücksraum betreibt er immer noch. Vor allem Monteure und Wochenendgäste quartieren sich bei ihm ein. Die Preise sind mehr als moderat, die Motiv-Zimmer bunt und lustig eingerichtet, seine private Toilette ist der Steinzeit nachempfunden, mit Altar, Gebetsecke und Dusche. Sein Schwebebett hängt an vier Seilen, mit Schwerlastdübeln verankert in der holzvertäfelten Decke. Vor der Terrassentür glitzert das Poolwasser im gleißenden Sonnenlicht. Und im Frühstücksraum hängen etliche Kreuze und Kruzifixe an der Wand. Allerdings: Fiebrich ist Atheist. Die Kreuze stammen aus einer Zeit, als er sie für eine Freundin sammelte, die mit Nachnamen Kreuzer heißt.