Fotos. Weinbauverband Baden-Württemberg
Weinbauverband
Weinbaupräsident Hermann Hohl versprach, trotz der Zunahme internationaler Weine das Land Baden-Württemberg nicht »trollingerfrei« zu machen.
Der Klimawandel macht den Weingärtnern im Land zu schaffen. Die Reben sind über Monate extremen Hitze- und Dürreperioden ausgesetzt: Unwetter mit Starkregen, orkanartigen Stürme, Hagel, Frost. Durch die tropischen Temperaturen breiten sich Pilze schneller aus und es schleichen sich neue Schädlinge wie die zum Beispiel Kirschessigfliege ein, gegen die noch kein nachhaltiges Mittel gefunden wurde. Einige Sorten werden dadurch schwer strapaziert. Durch die Erderwärmung treiben die Trauben schon bis zu anderthalb Monate früher aus – üblich ist April, in einer Zeit, wo sie noch hochempfindlich sind.
»Wir haben für die Situation noch keine Lösung«, sagte Hermann Hohl, Präsident des Weinbauverbands Baden-Württemberg jetzt beim Jahresauftaktgespräch vor der Presse. »Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dem Klimawandel zu begegnen und nach Lösungen zu suchen.« Ohne Umschweife verdeutlichte er die Lage, die alles andere als rosig aussieht. Es müssen dringend neue Ideen her, neue Entwicklungen und Techniken. Beregnungsmöglichkeiten etwa. Dazu müsse Regenwasser in Zisternen aufgefangen werden. Die müssen aber zunächst gebaut werden. Das kostet. »Wir hoffen auf die Unterstützung vom Bund«, so Hohl. Um finanzielle Schäden für die Betriebe zu minimieren, fordert der Weinbauverband eine Mehrgefahrenversicherung mit einer geförderten Prämie, um sie für die Weinbaubetriebe bezahlbar zu gestalten. »Wir wollen nicht immer nach dem Staat rufen, sondern wir wollen versorgen«, so der Verbandspräsident.
Das Klima ist nicht das einzige Thema, das der Weinwirtschaft Sorgen bereitet. In den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels finden sich immer mehr Auslandsweine zu Dumpingpreisen. Der Marktanteil liegt aktuell bei 55 Prozent. Hinzu kommt eine Strangulierung der Branche mit überzogenen Forderungen von Seiten des Lebensmitteleinzelhandels für heimische Weine. Um die steigenden Betriebskosten abdecken zu können, seien Preiserhöhungen zwischen drei bis fünf Prozent zwingend nötig, so Hohl. Aber: »Der Lebensmittelhandel muss bereit sein, für besondere Weine mehr Spielraum für Preisspannen zu lassen.» Und: Der Kunde müsse bereit sein, diesen höheren Preis zu bezahlen. Immerhin gehen 70 Prozent der Produkte im Lebensmitteleinzelhandel über die Theke.
Doch es gibt auch Grund zur Freude: Der 2018er Jahrgang reiht sich dank seiner herausragenden Qualität in die Reihe der Jahrhundertjahrgänge ein. Der Ertrag liegt bei einer Durchschnittsmenge von 100 Millionen Litern in den vergangenen Jahren bei knapp 116 Millionen Litern. Trockene Weine halten sich ziemlich konstant bei knapp 27 Prozent. Liebliche Weine ziehen an und liegen derzeit bei rund 44 Prozent. Auch an süßen Weinen finden immer mehr Verbraucher Geschmack. Abgeschlagen ist der Schwarzriesling, Spitzenreiter der Riesling. Der wichtigste Wein ist und bleibt in Baden-Württemberg der Trollinger-Lemberger.
Die Zahl der Weinbaubetriebe in Baden-Württemberg hat sich von 1995 bis heute von 18.000 auf 8.450 Betriebe halbiert. Um so wichtiger sei es, dass die nachwachsenden Generationen die elterlichen Betriebe mit frischen, auch unkonventionellen Ideen weiterführten und neue Anreize schafften, so Hermann Hohl. Und: »Wir sind mittendrin im Generationswechsel.«
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Der Jungwinzerpreis 2019 geht an Anja und Simone Gemmrich vom Weingut Gemmrich in Beilstein
Dass das gelingen kann, beweisen Anja (27) und Simon Gemmrich (25) vom gleichnamigen Weingut in Beilstein. Sie haben mit ihrer eigenen Weinlinie »Unkaputtbar« einen neuen »Held unter den Weinen» kreiert. Der Name ist Programm. Die Rebe ist stark, der Name provokant. Er soll ganz bewusst zu Diskussionen anregen. Auch das Marketing ist unüblich und reicht von T-Shirts und Piercings über Fotoshootings bis zum Tatoo. Weintrinken müsse nicht altbacken und kompliziert sein, so das Credo der Jungwinzer, die mit dem alljährlich vom Ulmer-Verlag ausgelobten Jungwinzerpreis 2019 ausgezeichnet wurden. Simone Heiland