NIcole Bianchet
Im Kleihues-Bau in Kornwestheim können Besucher bis zum 19. Mai die großformatigen Werke der Künstlerin Nicole Bianchet bestaunen. Neben kleineren Bildern und Skulpturen befindet sich auf einer 39 Meter langen Wand ein imposanter Bilderfries aus 27 Teilen, der als visueller Rausch wie ein Filmstreifen am Betrachter vorbeizieht. MORITZ-Redakteurin Michelle Kaune hat die Ausstellung besucht und mit der Künstlerin über ihr Werk und den Schaffensprozess geredet.
In Los Angeles als Kind eines italienischen Friseurs geboren und im Schwarzwald aufgewachsen, ist Bianchet, die fünf Sprachen spricht, eine vielfach begabte und international anerkannte Künstlerin. Für die Ausstellung im Kleihues-Bau in Kornwestheim hat die ehemalige Meisterschülerin von Gustav Kluge die große Herausforderung angenommen und mit unterschiedlichen Arbeitsweisen und beeindruckender Technik ganz im Alleingang eine imposante Sammlung erschaffen. Ihre Werke zeigen, wie sie es selbst nennt, »emotionale Landschaften«, die eine einzigartige Sogwirkung auf den Betrachter haben.
Der Titel der Ausstellung trägt den Namen »Neverland«, der an die Geschichten um Peter Pan und das Niemandsland erinnert, in dem Zeit keine Rolle spielt. »Zeit ist etwas Subjektives und etwas Dehnbares. Manchmal fühle ich mich wie ein 1000 Jahre alter Stein und manchmal wie ein Kind, das gerade erst auf die Welt gekommen ist«, sagt Bianchet. Und so sind ihre Werke nicht nur schaurig schöne Landschaften, sondern kommen ganzen Planeten gleich.
»Ich versuche unzugängliche Landschaften zu erschaffen. Meine Werke zeigen im Grunde die Geburt und das Sterben eines ganzen Planeten, der auf der Leinwand entsteht und wieder vergeht, und das im Zeitraffer. Meine Bilder sind wie ein Stück Natur; so wie ein aufgeräumter Wald unglaublich langweilig ist, so dürfen auch in meinem Schaffen Fehler passieren, denn im Scheitern liegt auch ein gewisser Zauber. Aus Angst davor, Fehler zu machen, etwas nicht zu versuchen, ist viel schlimmer, als zu scheitern.«
Das Bild ist dann fertig, wenn es eine Aura hat, wenn es ein Gegenüber geworden ist. Ob sie schon mal ein Bild weitergemalt habe, von dem sie hinterher dachte, dass es zuvor schon fertig gewesen sei? »Oh ja, das passiert sogar gar nicht so selten. Man braucht einen gewissen Druck um Bilder fertigzustellen; manchmal ist es gar nicht so einfach, ein Werk loszulassen.« Ihre Bilder scheinen letztendlich ein wenig wie sie selbst zu sein – etwas entrückt, verletzlich, aber auch sehr nahbar und von einnehmendem Wesen. »Meine Werke sind nicht cool und distanziert. Ich möchte mit meinen Bildern berühren und etwas in den Menschen wecken, dass vielleicht noch schläft. Damit macht man sich auch verletzlich.« Außerdem hat sie Humor und der blitzt auch in Bildtiteln wie »Bär mit Bauch« oder »Traudichweide« durch; Titel, die den Betrachter dazu einladen, das Bild auf eine bestimmte Weise zu lesen, diese aber niemals vorgeben. »Wer den Kitsch sucht, oder etwas Schönes sehen will, sieht etwas schönes, wer etwas Gesellschaftskritisches sehen möchte, kann das ebenso finden.« Und tatsächlich stehen ihre Werke in der Spannung zwischen Phantastischem und Reellem, zwischen düster Nebulösem und erholsamen Farbspielen. Der Eindruck verändert sich auch mit der Distanz des Betrachters zum Bild. Die Bilder leben von der Technik ihrer Arbeitsweise, da sie in einer Art »aggressivem Akt« Furchen und Kratzer mit dem Messer in ihre Bilder integriert und diese durch die Farbe wieder eine Art Heilung erfahren. Der Akt des Kratzens mit dem Messer in die Oberfläche ist ein aggressiver Vorgang, der im Zusammenhang mit der Farbe den Bildern gleichermaßen etwas Zynisches und Warmes verleiht. »Letzendlich steckt sehr viel von mir in den Bildern. Aber als Künstler ist man mitunter auch ein Medium für etwas.«.
Foto: Lea Gryze / La Sorcière recharchée, Make Your Wish!, 2017
Bianchet Ausstellung
Mit den Skulpturen aus bemaltem Ton, ihren Wunschmaschinen, lädt die Künsterlin zuletzt ein, wieder an das Wünschen zu glauben. Im Sockel der Skulturen befinden sich Kärtchen, die die Besucher der Ausstellung ziehen können. Denn Bianchet weiß um die Kraft, die durch fest geäußerte Wünsche freigesetzt werden kann.
»Neverland« (Ausstellung / Nicole Bianchet),
Kleihues-Bau, Kornwestheim
Noch bis 19. Mai 2019,
Fr. bis So.11 bis 18 Uhr