Das große Corona-Drama: Theater stehen vor der Insolvenz
Alle Theater mussten ihren Spielbetrieb einstellen. In Bezug auf die Zukunft und der Wiederaufnahme des Spielbetriebes herrscht eine große Ratlosigkeit. Die Theaterszene leidet erheblich unter diesem Ausnahmezustand, den das Virus hervorgerufen hat. Einige Theater konnten bereits vorübergehende Lösungen finden und arbeiten online innerhalb der sozialen Medien mit Live-Streams, Lesungen oder gefilmten Inszenierungen. Doch wie lange kann das noch so weitergehen?
»Stay at home« und social distancing gilt nicht nur für Veranstalter, Gastronomen und Unternehmen, sondern auch für die Theaterszene. Das hat zur Folge, dass unzählige Schauspieler zu Hause sind und nicht wissen, wie und wann es weitergehen wird. Den Theatern droht die Insolvenz, denn bei den vielen sind die Rücklagen bereits aufgebraucht und die Liquidität für den nächsten Monat kann nicht gesichert werden. Roland Mahr, der kaufmännische Direktor vom Renitenztheater in Stuttgart veranschaulicht die aktuelle Situation in der Theaterszene als »Stecker-Ziehen«: »Wir alle haben im Ohr und im Sinn, wenn in einem Film in einer Großstadt die Lichter ausgehen und die Geräusche verstummen, weil es einen großen Stromausfall gab«, merkt er an. »Das ist ungefähr die Situation, wenn man um die Mittagszeit über die Medien erfährt, dass ein paar Stunden später nicht der Saal voll sein wird und die Künstler auf halber Strecke umdrehen. Dies setzt unglaubliche Energien frei und plötzlich wird ein Theaterbüro zum Krisenzentrum.«
Dramatisch stellt sich die Situation für eine der ältesten Freilichtbühnen der Region, das Naturtheater Reutlingen dar. » Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind für den Theaterverein die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg.«, erklärt der Erste Vorsitzende Rainer Kurze. Dennoch lässt er sich nicht unterkriegen: » Das Naturtheater ist bekannt dafür, aus schwierigen Zeiten viel positive Energie zu schöpfen.«
Dieter Ripberger vom Institut für theatrale Zukunftsforschung im Zimmertheater Tübingen, nennt die Auswirkungen von Corona auf den Theaterbetrieb »fatal«, denn Theater seien Orte der Zusammenkunft und der Gemeinschaft. Theater lebe von der »Körperlichkeit, von Angst, Schweiß und Spucke«, bekräftigt der Geschäftsführer. »Corona verhält sich antagonistisch zur Theaterkunst. Woran es derzeit am dringendsten fehlt, ist eine Planungsperspektive. Die Salami-Taktik der Politik ist gleichzeitig absolut verständlich: niemand kann wissen, wie diese Situation sich entwickelt.«
Die meisten Theater planen bereits lange im Voraus ihr Programm. Aus diesem Grund sei gerade diese Zeit absolutes »Neuland« für die Theaterbetriebe, so Katharina Parpart, Pressesprecherin vom Schauspiel Stuttgart. Nun könne man nur noch schrittweise auf die neusten Rahmenbedingungen der Politik reagieren. »Uns fehlt vor allem unser Publikum« erläutert sie, »denn für sie und mit ihnen machen wir Theater. Wir wollen möglichst kreativ mit der Corona-Herausforderung umgehen. Ungewöhnliche Zeiten bringen einen oft auf ungewöhnliche, neue Ideen. Und ein vorübergehender Mangel führt einem manchmal besonders deutlich vor Augen, wie wertvoll Kunst und Kultur für die gesunde Gesellschaft sind.«
Karen Schulze, die Pressesprecherin vom Theater »Die Tonne« in Reutlingen sagt dazu: »Wir hoffen sehr, dass sich bald möglich alles stabilisiert und wir unserem Publikum wieder Nachdenkliches, Unterhaltendes, einfach Schönes bieten können, dass schließlich auch hilft, die derzeitige Ausnahmesituation zu verarbeiten!« Es sei schwer, als Theater Ausweichmöglichkeiten für diese Art von Herausforderung zu finden, denn hier steht die Begegnung der Menschen im Mittelpunkt. »Die Tonne« sieht insbesondere die Lesung als geeignete Lösung, denn diese ließe sich sehr gut transportieren. Hier wird Paul Shiptons spannender und witziger Insektenkrimi »Die Wanze« als Fortsetzungsgeschichte gelesen. Um am Ende dieses außergewöhnlichen Zustands umso intensiver einsteigen zu können, bleibe man telefonisch mit dem ganzen Ensemble in Kontakt. Via Skype wird die Zeit mit Stimmunterricht produktiv und effizient zu überbrücken versucht. Besonders für die Schauspieler sei diese Zeit besonders schwierig, da sie, zu ihrem Schutz und wegen des Zusammenlebens in Wohngruppen, häufig besonders isoliert würden.
Auch Simone Haug vom Theater Lindenhof hofft, dass das Theater, das schon viele Höhen und Tiefen durchschifft habe, weiterhin Kurs halten könne, um mit neuem Elan im September durchstarten zu können.