Foto: Autumn de Wilde
Thomas Lauderdale Pink Martini
Pink Martini kommen auf ihrer »Je dis oui!«-Tour nach Ludwigsburg. MORITZ-Redakteur Thomas Moegen sprach mit Thomas Lauderdale über die USA, Trump, Multi-Kulturalität, seine Prägung, Umweltprobleme in Oregon und seinen Traum vom Bürgermeisteramt.
23 Jahre Pink Martini. Wofür steht ihr als Musiker und wie lautet Eure Botschaft?
Ja, wofür stehen wir? Schwierige Frage. Love, Peace and happiness würde ich sagen. Wir wollen Menschen zusammenbringen. Ich mochte die Musik auf Politik-Events nicht. Ich gründete die Band, um ein bisschen Spirit von Breakfast at Tiffany's oder den United Nations zum politischen Fundraising zu bringen. Das war unsere ursprüngliche Absicht. Das hat sich von Ära zu Ära geändert. Als George W. Bush an der Macht war, sahen wir uns als Botschafter für freien Zugang zum Trinkwasser. Das ist jetzt noch wichtiger als vor 16 Jahren. Die USA sind definitiv nach rechts gerückt. Die Folgen sind Angst vor dem Fremden, mangelnde Empathie und die Unfähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu durchdenken. Geschichtliche, kulturelle und mediale Verklärung kommen hinzu. Wer gegen Einwanderer hetzt, macht den dummen Fehler und übersieht, dass alle Amerikaner, abgesehen von den Indianern, die wir millionenfach abgeschlachtet haben, selbst Einwanderer waren. Das Argument vom ursprünglichen Amerikaner fällt also weg. Unser Land ist so sehr mit Fernsehschauen beschäftigt, dass es den Sinn für die Realität verliert und Drama an diese Stelle tritt. Das ist nicht smart. It`s a weird time to be alive.
Ist der Erfolg von Pink Martini ein Beispiel für einen funktionierenden Schmelztiegel?
Auf jeden Fall. Die Band ist eine hoffnungsvolle, integrierende Vision, wie die Welt sein kann. Deshalb ist es auch so schade mit einer mental kranken Person im weißen Haus. Aber dieser Rückschritt passiert überall auf der Welt. In Frankreich, Österreich oder Griechenland. Das ist alles sehr reaktionär. Mein Vater hat dazu eine sehr Zen-artige Einstellung. Menschen verändern sich nicht, wir machen dieselben Fehler immer und immer wieder und durch alle Zeitalter hindurch. Ich glaube, dass das zutrifft. Wir sind alle nur Tiere.
Vor einigen Jahren wolltest Du Bürgermeister werden. Wäre das nicht Verschwendung von musikalischem Talent gewesen?
Den Traum vom politischen Amt habe ich begraben. Es ist auch nicht mehr so erstrebenswert, da die amerikanische Öffentlichkeit unzurechnungsfähig ist und nicht formuliert, was sie von ihren Anführern erwartet. Selbst der größte politische Idealist kann durch die lächerliche Art, wie wir kommunizieren und funktionieren, ins Schwanken geraten. Ich könnte mir nicht vorstellen, ein Amt zu bekleiden.
Vielleicht hast Du als Musiker auch mehr Einfluss als Politik oder Medien.
Es ist bestimmt leichter. Auf einem niedrigeren Level. Der Struggle ist ja nur innerhalb der Band und nicht innerhalb der gesamten Bevölkerung.
Da wir gerade von der Band sprechen. Ist es schwierig, verschiedene Persönlichkeiten, Sprachen und Ansichten zu kombinieren?
Es ist ein Balance-Akt, aber nie unmöglich. Wir haben Glück, Karriere zu machen und die Welt bereisen zu dürfen. Wir sind glücklich.
Eure Sängerinnen China Forbes und Susan Storm Large haben beide schöne Stimmen. Wie unterscheiden sich die Diven?
Sie haben beide phänomenale Stimmen. Aber es herrscht keine Verwirrung darüber, wer wer ist.
Mit Euren Konzerten helft ihr, Gelder für sinnvolle Zwecke zu sammeln. Welche Probleme müssen gelöst werden?
Wir versuchen, uns auf unsere unmittelbare Umgebung zu konzentrieren. In der Nähe von Portland, Oregon, steht eine Umwelt-Katastrophe bevor, wenn ein Erdbeben das vom Unternehmen Waste Management lose mit Müll aufgeschüttete Gelände erzittern lassen sollte. Das würde die Wasserversorgung von Oregon gefährden. Wir möchten diese Müllhalde schließen lassen. Wir möchten Leute aktivieren, sich zu engagieren. Viele wissen gar nicht wohin mit ihrer Energie. Auf lokaler Ebene gibt es genug Probleme, die jeder angehen kann. Hier kann man am meisten bewirken.
Was ist neu am Album "Je dis oui!"?
Es hat starke politische und aktuelle Seiten. Iyad Qasem, ein jordanischer Freund von mir schrieb zum Beispiel arabische Lyrics zu "La Soledad". Der Song wird vom jüdischen Sänger Ari Shapiro gesungen und thematisiert den Verlust der Heimat und das Flüchtlingselend im Mittleren Osten. Wir haben es vor Trumps Wahl aufgenommen, aber nach der Wahl ist die Scheibe richtig wichtig geworden. Es ist kosmopolitischer und multikultureller Weckruf, die Welt zu vereinen.
Euer Sound wird als Easy Listening und nostalgischer 30er bis 50er Retro-Lounge beschriebem. Ist dieses Label gerecht?
Die moderne Welt ist ganz versessen darauf, alles zu kategorisieren. Wir passen in alle Schubladen. Vielleicht verkaufen wir so mehr Alben. (lacht)
Hast Du eine bevorzugte Musikrichtung?
Ich mag alle Arten von Musik.
Eine persönliche Frage. Dein Vater war Pastor und hatte, als du zwölf Jahre alt warst, sein Coming-Out. Deine Eltern ließen sich scheiden. Wie hat Dich das verändert?
Das hat meinen Geist geöffnet. Ich wurde toleranter, demokratischer und zugänglicher.
Was erwartet die Fans auf Eurem Konzert in Ludwigsburg?
Ich hoffe, dass sie zusammen tanzen. Wir laden vor allem Einwanderer ein, unser Konzert zu besuchen. Wir singen auf Deutsch, Türkisch, Arabisch, Französisch, Japanisch, Italienisch, Griechisch, Armenisch, Rumänisch, Farsi, Spanisch, Portugiesisch und Englisch. Habe ich etwas vergessen?
Hört sich wie das Stimmengewirr von Babel an.
Ja, genau.
Aber der Turm wird nicht einstürzen.
Sag das nicht, er könnte schon einstürzen. Das ist Teil der Show.
Abhängig von den Vibrationen, die Ihr erzeugt.
Ja, die Vibes des Publikums und der Band!
Herr Lauderdale, Danke für das Interview
(Aus dem Englischen)
Pink Martini – Je dis oui!-Tour Mo. 24. April, 20 Uhr, Forum am Schlosspark, Ludwigsburg, www.forum.ludwigsburg.de
Foto: Chris Hornbecker