Sebastian Magnani
Mit Songs wie »Lieder« aus dem Jahr 2013 sang sich der deutsche Pop-Musiker, Songwriter und Produzent in die Herzen seiner Fans. Im Gespräch mit Jason Blaschke denkt er über Philosophie nach und erzählt von der Geburt seines Kindes, die ihn verändert hat.
Bekannt wurde er auch durch seine Mitwirkung in den Bands »The Boyz« und »Ich + Ich«. Jetzt veröffentlicht Adel Tawil mit seinem neuen Album »Alles lebt« eine neue Platte
Wie kam es zu dem Titel »Alles Lebt«?
Adel Tawil: Ich habe zuvor den Roman »Sofies Welt«, ein Buch über die Geschichte der Philosophie, gelesen. Dieses Werk hat bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und spiegelt teilweise auch meine Lebenseinstellung wieder. Man beginnt, über sich selbst, die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, nachzudenken. Dazu möchte ich auch meine Zuhörer bewegen, die neben großartigen Songs hin und wieder auch kleine Messages erwartet. Der Titel »Alles lebt« ist eine Inspiration, die ich auch durch die Geburt meines Kindes bekommen habe.
Gab es noch andere Erlebnisse, die das Album beeinflusst haben?
Ja klar, dazu gehören schöne, aber auch schmerzvolle Augenblicke. Ein Beispiel ist mein schwerer Unfall aus dem Jahr 2016. Damals habe ich mich im Urlaub am Halswirbel verletzt, eine Diagnose, die häufig tödlich endet oder zu schweren Lähmungen führt. In solchen Momenten fragt man sich, was fehlt mir, was bindet mich an das irdische Dasein? Dabei erkannte ich, wie lebenswert das Leben ist und wie wichtig es sein kann, daran festzuhalten. In dieser Zeit war die Musik ein wichtiger Rettungsanker. Auch schöne Erfahrungen im Leben mit Freunden und Familie sind essentiell in einer solchen Lebenslage. Die Ausgewogenheit guter und schlechter Erfahrungen bringt einen im Leben weiter und hat somit natürlich Einfluss auf mein aktuelles Album.
In deinem Song »Eine Welt eine Heimat« beschreibst du die Flucht, die die Flüchtlinge durchmachen, die beispielsweise nach Deutschland kommen. Trotzdem stoßen sie hier bei manchem auf verschlossene Türen, was sind deiner Meinung nach die Ursachen?
Viele haben Angst vor Fremden und sehen sie als eine Gefahr an. Jeder von uns besitzt wahrscheinlich in irgendeiner Weise Vorurteile. Aber man muss den Menschen den Schrecken nehmen und ihnen klar machen, dass diese Vorurteile völlig unbegründet sind.
Gibt es Faktoren, die deiner Meinung nach Fremdenfeindlichkeit bzw. die Vorurteile verstärken?
Radikale Kräfte nutzen die Angst und Unwissenheit Einzelner aus. Oftmals sind es wichtige Persönlichkeiten wie der US-Präsident Donald Trump, die mit ihren Aussagen und Tweets, meist unterhalb der Gürtellinie, ein schlechtes Vorbild sind. Wohin soll es gehen, wenn wir in Angst und Schrecken leben?
Aber es ist auch wichtig, die Fluchtursachen zu erkennen und zu bekämpfen?
Richtig, das sollte unser oberstes Ziel sein. Denn warum flüchten so viele Menschen? Nicht nur vor dem Krieg, auch die Perspektivlosigkeit zwingt viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Ich selbst habe das beispielsweise im Senegal erlebt. Junge Menschen verfügen über eine ansehnliche Schulbildung, sprechen fließend Französisch. Trotz Fleiß und Bemühung bekommen sie trotzdem keine Arbeit. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut, hat keine oder nur selten die Chance zum Aufstieg. In Tunesien, dem Geburtsort meiner Mutter, existiert beispielsweise das gleiche Dilemma. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander, dabei werden die Wohlhabenden immer reicher und die Armut steigt weiter. Hier helfen Spenden nur bedingt, man muss aktiv handeln.
Die Verteilungsfrage: Eine Problematik, der wir uns auch in Deutschland stärker zuwenden müssen?
Auf jeden Fall, schauen wir uns doch die Wohnungssituation in meiner Heimatstadt Berlin an. Immer mehr Wohnungen werden von Privatinvestoren gekauft und sind somit Gegenstand von Spekulation. Aber Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Wenn sich die Allgemeinheit keinen bezahlbaren Wohnraum mehr leisten kann, ist das nicht mehr hinnehmbar. Ich beobachte, dass immer mehr kleine Läden in Berlin schließen müssen, da sie sich die steigenden Mieten nicht leisten können. Diese Gier nach immer mehr Geld und die Verteilungsfrage sind ein zentrales Thema unserer Gesellschaft und auch Inhalt in meinem neuen Song »Katsching«.
Die Musik ist für dich also ein Sprachrohr »nach draußen«?
Meine Musik soll in erster Linie der Unterhaltung dienen, Spaß und Freude bescheren. Trotzdem wünsche ich mir, dass meine Zuhörer auch die Message dahinter wahrnehmen. Ich denke, die Zeit ist reif um Songs immer mal mit einer klaren Botschaft zu versehen. In meinen Liedtexten soll Niemand an den Pranger gestellt werden, vielmehr möchte ich dem Zuhörer einen Spiegel vorhalten. Jeder einzelne sollte das Elend selbst erkennen und sich fragen, »wie würde ich in dieser Situation handeln?«. Es ist wichtig, aufmerksam und vor allem aktiv zu werden. Dabei sind auch die Medien, in meinem Fall die Radiosender, gefragt. Es sollte nicht nur das gespielt werden, was die Menschen hören wollen, sondern auch das, was eine Art Message beinhaltet. Auch das, was von der Hörerschaft manchmal nicht wahrgenommen werden will.
Unser menschliches Miteinander ist ein Problem, ein anderes der Umweltschutz. Wie stehen Sie zur Protestbewegung »Fridays for Future«?
Ich halte die Demos für eine elementare Sache, denn es geht hier um ein ganz wichtiges Thema. Ich selbst bin vor kurzem Vater geworden und betrachte deshalb auch Themen wie den Umweltschutz mit völlig anderen Augen. Früher hat mich das weniger interessiert, jetzt schäme ich mich dafür, dass ich diese Gefahr lange vernachlässigt habe. Man beginnt Dinge zu hinterfragen, die für einen vorher selbstverständlich waren. Klassisches Beispiel: Das Auto. Außerdem versuche ich, meine nächsten Touren ökologischer auszurichten. Dabei kann man sich an anderen Kollegen wie Jack Johnson orientieren, die es vorgemacht haben. Zum Beispiel: Keine Wasserflaschen aus Plastik auf der Bühne. Letztlich sollte jeder im Rahmen des Möglichen alles tun, um seinen Lebensstil nachhaltiger auszurichten. Ich möchte meinem Kind einmal in die Augen sehen und versichern, dass ich alles gegeben habe, um unseren Planeten zu erhalten.
Deine Eltern kommen aus unterschiedlichen Ländern, dein Vater ist Ägypter, deine Mutter stammt aus Tunesien. In wieweit beeinflusst das dein Leben und aktuell auch dein neues Album?
Die Herkunft meiner Eltern und deren Kulturgeschichte prägt mich natürlich. Entscheidender für mich ist aber die Willenskraft, die beide an den Tag gelegt haben. Meine Mutter kam mit 19 Jahren nach Deutschland, in ein völlig fremdes Land und lernte später hier meinen Vater kennen. Sie arbeitete bei Siemens und ist mit meiner ganzen Familie der beste Beweis dafür, wie gut Integration funktionieren kann. Ich bin mehr als dankbar dafür, dass mir meine Eltern dieses Leben ermöglicht haben. Deutschland ist mein Zuhause, dafür kämpfe und lebe ich. Meine Eltern haben mir diese Zukunft gegeben, dieses hohe Gut möchte ich an mein eigenes Kind, aber auch an unsere Gesellschaft zurückgeben. Eben in Form von Songs und damit verbundenen Statements. Letztlich ist es nicht wichtig, wo man herkommt, sondern wie man sich verhält. Meine multikulturelle Herkunft in Bezug auf mein neues Album zeigt sich bereits mit der Single »Tu m ́appelles«. Ich finde, wir sollten mehr Brücken bauen und miteinander zusammenarbeiten, dann wäre vieles einfacher. Für die Zukunft könnte ich mir auch einen Song auf italienisch vorstellen. (lacht)
Medien spielen in deinem Leben eine große Rolle, empfindest du sie auch als Belastung?
Ich unterscheide zwischen richtigem Journalismus und Boulevard-Medien. Es ist wichtig, die Gesellschaft mit relevanten Themen zu versorgen. Alles andere kann man ja nach Bedarf konsumieren.