Lockdown seit November. Für Bands und Solomusiker bedeutet das: keine Live-Auftritte mehr seit fünf Monaten. Größere Konzerte sind sogar seit einem ganzen Jahr nicht mehr möglich. Wie gehen die Künstler unserer Region mit dieser Extremsituation um? Was für Konzepte und Ideen haben sie entwickelt, um in der Zwangspause über die Runden zu kommen? MORITZ-Redakteur Riccardo Terrasi hat mit ihnen gesprochen.
Eckart Erlenbusch von den Wasenrockern aus Stuttgart
Wir sind eine Festzelt- und Partyband. Für mich kann ich sagen, dass ich die aktuelle Situation glücklicherweise nicht als extrem dramatisch empfinde. Ich bin nicht nur Teil der Wasenrocker, sondern habe auch eine Eventagentur, wo ich mit mehreren Bands zusammenarbeite. Über die Jahre habe ich Rücklagen bilden können und komme dank staatlicher Unterstützung über die Runden. Wir haben aber auch hauptberufliche Musiker in der Band: Bei ihnen sieht es natürlich anders aus und sie müssen schauen, wo sie bleiben. Einige geben jetzt Musikunterricht, natürlich größtenteils online.
Als Band haben wir die Zwangspause genutzt, um unser Konzept ein wenig umzuarbeiten. Für die neue Saison haben wir einen DJ an Bord geholt, der einige moderne Sounds wie Scratches als Elemente einbringt. Außerdem macht er eine spannende Videoshow auf der Bühne. Zusätzlich haben wir jetzt auch einen Akkordeonisten, sodass wir die zwei Pole »modern« und »bodenständig-volkstümlich« miteinander verbinden. Als Wasenrocker wollen wir kein 08/15-Konzept sein.
Was den Lockdown betrifft: Ich denke, es ist ganz gut, mal wieder ein bisschen Luft holen zu können. Man hat wieder mehr Zeit für die Familie. Normalerweise war ich jedes Wochenende unterwegs und kam kaum dazu, mich um Haus und Hof zu kümmern. Im Lockdown konnte ich mal wieder in Haus und Garten arbeiten und habe viel Zeit mit der Familie verbracht. Es hat alles immer zwei Seiten.
Unser letzter Auftritt vor dem Lockdown war im Oktober auf der Sulmtal Alm. Wenn es wieder losgeht, werden wir als Wasenrocker mit Vollgas durchstarten. Man kann sich auf neue Konzepte freuen, wir sind gut vorbereitet. Wir füllen den Namen WasenROCKER mit Leben – wir sind keine Wasen-Schmusebären. Daher werden wir wieder viel Pfeffer mit in unsere Nummern bringen. Ich bin selber gespannt, wie es nachher klingt (lacht).
Patrick Noe, Sänger und Songwriter aus Limbach
Ich muss sagen, dass ich die vermehrte Freizeit mit der Familie momentan genieße. Aber es ist eine sehr teuer bezahlte Freizeit. Die Auftritte fehlen mir sehr. Klar, ich sitze zu Hause und arbeite an Songs – via Zoom mit den Kollegen. Aber mit fehlen definitiv das Miteinander und vor allem die Auftritte.
Ich nutze die Zeit kreativ und arbeite an anderen Dingen, etwa am Design von Merchandise. Auch habe ich noch einige halbfertige Songs in der Schublade liegen, an denen ich jetzt weiterschreibe. Mitte März haben wir eine Piano-Version meiner letzten Singe »Das Leben ist jetzt« veröffentlicht. Das sind so Dinge, dich ich immer mal machen wollte und für die ich nun die nötige Zeit habe.
Glücklicherweise bin ich hauptberuflich für ein Hamburger Unternehmen im Vertrieb und Produktmanagement tätig. Ich bin sehr froh, dass ich neben der Musik noch ein Standbein habe und die Einbußen damit abfedern kann.
Vor Corona lief der kreative Prozess so ab, dass man sich mit Pianist, Gitarrist und Bassist gemeinsam ins Studio gesetzt und gemeinsam was entwickelt hat. Jetzt läuft es eher so: Ich spiele drei, vier Spulen zu hause ein, Schicke Sie an die anderen Musiker und an den Produzenten. Jeder hört sie sich an und gibt sein Feedback… Es geht dabei einfach viel Zeit verloren, weil man den kreativen Prozess nicht gemeinsam durchlebt, sondern jeder für sich.
In gewisser Weise hat mir die Corona-Zeit aber auch in die Karten gespielt: Ich habe einen Deal mit der Initiative Musik bekommen und damit eine gute finanzielle Unterstützung für meine Musik. Im März habe ich einen Verlagsdeal mit BMG unterschrieben. Das sind vielleicht Dinge, die auch coronabedingt schneller passiert sind als erwartet. Ich konnte mich einfach viel stärker auf meine eigene Musik fokussieren und die nötigen Demos fertigmachen.
Für August habe ich das Release meiner EP mit sieben bis acht Songs geplant. Das ist ein großes Etappenziel. Ich freue mich aber auch unheimlich darauf, nach dem Lockdown endlich wieder auf der Bühne stehen zu können.
Ralf Calmbach aus Abstatt, Bassist und Management bei »Friendly Elf«
Wir bestehen aus fünf Musikern und fünf Sängerinnen und Sängern. Einige von ihnen sind Berufsmusiker, die meisten arbeiten aber nebenher – Gott sei Dank! Ich selbst bin Hauptberuflich Lehrer und muss zum Glück nicht von der Musik leben.
Es geht uns wie wahrscheinlich jeder anderen Band auch. Wir sind jetzt schon im zweiten Jahr ohnen einen einzigen Auftritt. Das ist traurig. Und finanziell natürlich schwierig für diejenigen, die davon leben müssen. Die Proberaummiete läuft weiter, wir machen derzeit nur minus. Nach dem ersten Lockdown konnten wir einige Male proben und haben unser Repertoire wieder aufgefrischt. Aber dann kam sofort der zweite Lockdown, sodass wir uns wieder nicht treffen durften. Wir haben eine recht große Besetzung, wodurch es mit dem Treffen natürlich besonders schwierig ist. Das gemeinsame Proben fällt derzeit komplett aus. Es macht jeder ein bisschen was für sich daheim und schaut, dass er in Form bleibt. Mehr Möglichkeiten haben wir im Moment nicht.
Wir sind eine Liveband, eine Party-Rock-Band. Wir wollen gemeinsam mit dem Publikum abfeiern – online wäre sowas kaum möglich. Ich bin eher pessimistisch, dass Live-Konzerte in näherer Zukunft wieder möglich sein werden. Ich denke, in diesem Jahr wird es das noch nicht geben.
Nach dem Lockdwon wird es mit Friendly Elf weitergehen. Wir warten nur darauf, dass wir wieder starten können. Viele unserer Aufritte wurden verschoben – Ich hoffe, dass die meisten Veranstaltungen nachgeholt werden können. Natürlich werden wir nach der langen Pause eine gewisse Zeit brauchen, um unser Programm und unsere Songs aufzufrischen. Aber ich bin da optimistisch: eine kurze gemeinsame Probezeit, dann läuft die Sache wieder.
Damir Brajlovic, selbstständiger Musiker, Musiklehrer und Fotograf aus Untergruppenbach
Ich arbeite selbstständig als Musiker, Musikschulleiter und Fotograf. Durch die fehlenden Live-Auftritte bricht mir eine große Einnahmequelle weg, denn ich lebe von der Live-Musik, auf Hochzeiten oder anderen Feiern. Online-Events wie Konzerte per Livestream sind für mich keine Option. Meiner Meinung nach lebt die Musik von Live-Auftritten, und was da in letzter Zeit im Netz über Streaming läuft, finde ich eher kontraproduktiv. Denn oft wird damit lediglich gezeigt, dass man noch am Leben ist. Aber Als Live-Musiker braucht man einfach das reale Publikum.
Ich leite auch die Musikschule in Untergruppenbach. Derzeit ist der Präsenzunterricht teilweise wieder möglich, fast ein Jahr lang ging das nicht. Bislang fand der Unterricht komplett online statt, was für meine Schüler natürlich nicht sehr prickelnd ist. Musik lässt sich nur sehr schwer mittels Zoom oder Whatsapp vermitteln. Große Fortschritte macht man dabei nicht: Es geht eher darum, dass meine Schüler ein bisschen am Ball bleiben.
Auch auf meine Tätigkeit als Fotograf wirkt sich die Krise katastrophal aus. In meinem Fotostudio habe ich Fixkosten wie Miete. Was den Umsatz betrifft, bin ich derzeit auf null. Im ganzen letzten Jahr habe ich nur auf zwei standesamtlichen Trauungen fotografiert – normalerweise sind es zwischen 50 und 60.
Staatliche Hilfen gibt es keine, ich falle quasi durchs Raster. Mein Fotostudio und auch die Musikschule sind ja formal geöffnet, auch wenn es kaum Kunden gibt. Hilfen gibt es also nicht: Wir haben ja nicht geschlossen. Was meine Dienstleistung als Musiker betrifft: Die ist natürlich Coronabedingt »geschlossen«. Aber dadurch, dass aber die anderen Sachen so ein bisschen mitlaufen, wird gesagt: Nö, du kriegst nichts.
In die Zukunft zu blicken ist schwierig. Zwar denke ich, dass sich die Situation wieder stabilisieren wird. Aber mir wird das nicht viel helfen: Den Verlust von 18 Monaten muss ich erst einmal wieder reinholen. Die Ersparnisse sind weg – ich fange eigentlich wieder ganz von vorne an.
Andreas Kienzle aus Herrenberg, »Strings Unplugged«
Ich arbeite für mehrere musikalische Projekte. Unser Hauptprojekt ist die Band »Strings Unplugged«, daneben gibt es das »Just Friends Trio« sowie »Livemusik zur Trauung«. Wir machen das alle nebenberuflich, den finanziellen Ausfall kann ich derzeit mehr schlecht als recht abfedern. Es ist eben für uns alle ein sehr intensiver Nebenerwerb. Staatliche Hilfsprogramme greifen alle nicht, da es eben »nur« ein Nebenerwerb ist.
Ich bin selbstständig mit der Eventfirma EMT in Herrenberg. Wir machen Licht-, Ton-, Bühnen- und Medientechnik – der Dauerlockdown trifft mich entsprechend auch im Haupterwerb mit voller Granate.
Die freie Zeit konnten wir als Musiker nutzen, um neue Ideen zu entwickeln. Der kreative Prozess wird in einer solchen Zeit gefordert. Die Frage ist nur: kann man danach wieder durchstarten? Die Musik lebt vom Publikum und von Live-Auftritten. Momentan kann man noch so viele gute Ideen entwickeln: Wenn die nicht irgendwann wieder vor Publikum auf die Bühne gebracht werden können, dann sinkt einfach die Motivation im Laufe der Zeit.
Da wir personenmäßig ein recht kleines Ensemble sind, können wir uns wenigstens zum Proben treffen. Wir nutzen die Zeit aktuell um eine CD aufzunehmen. Das Problem ist aber: Wenn wir nicht live spielen können, kauft auch keiner die CD. Falls es möglich sein sollte, dass man im Herbst wieder unter halbwegs normalen Umständen Konzerte geben kann, können sich die Leute auf die Live Dance Night in Herrenberg freuen. Unsere Fans sprechen uns in dieser Zeit oft Unterstützung aus und sind sehr solidarisch. Und genau wie wir können sie es kaum erwarten, dass es wieder losgeht.