Der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) Nordwürttemberg und das Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber haben die Journalistin Anna Hunger von der Kontext-Wochenzeitung aus Stuttgart ins Gründerzentrum eingeladen. Mit ihrer Recherche zu einem Mitarbeiter der AfD-Abgeordneten Heiner Merz und Christina Baum hatte sie großes Aufsehen erregt.
Man konnte Anna Hunger noch immer anmerken, wie sehr sie die Gerichtsverfahren psychisch belastet haben, mit denen ihre Zeitung nach der Veröffentlichung ihres Artikels über den besagten Mitarbeiter überzogen wurde. Für die Kontextwochenzeitung, „ein Nischenprodukt“ wie sie selbst meinte, hätte der Prozess durchaus existenzgefährdend sein können. Was war passiert?
Anna Hunger waren 130 Facebook-Chats von Marcel Grauf zugespielt worden, in denen dieser sich rassistisch und gewaltverherrlichend äußert. Er schimpft in diesen Chats über Ausländer und Asylanten, äußert sich feindlich gegenüber anderen Politikern und wünscht sich Krieg. Verwendet habe er in seinen Chats auch ein „Hitlergruß-Emoji“. Grauf habe für die Jugendorganisation der NPD eine Veranstaltung organisiert, war Mitglied der schlagenden Verbindung Marburger Burschenschaft Germania. Diese wiederum sei eine Art Kaderschmiede für die AfD. Kontakt habe Marcel Grauf auch zu Alexander Neidlein gehabt, dem früheren Chef der NPD in Baden-Württemberg.
2016 begann er seine Tätigkeit für die beiden Landtagsabgeordneten der AfD, Heiner Merz und Christina Baum, die derzeit in Tauberbischofsheim für den Kreistag kandidiert. Baum wird „häufig unterschätzt“, so Hunger. Im persönlichen Kontakt freundlich, bisweilen auch naiv wirkend, sei sie mit rechten Kreisen gut vernetzt ist. Sie organisierte die Demonstrationen „Kandel ist überall“ mit, unter denen der Ort massiv litt. Bekannt ist ihre Behauptung vom „schleichenden Genozid“ an der Deutschen Bevölkerung durch die Zuwanderung, von der sie nicht abrückte. Sie war eine der Erstunterzeichnerinnen der „Erfurter Resolution“, initiiert von Björn Höcke und Andre Poggenburg, die 2015 den rechtsnationalen Flügel der AfD begründete. Mit ihrem „Stuttgarter Aufruf“ wendet sie sich gegen den Parteiausschluss von Rechtsextremisten aus der AfD. Auch Marcel Grauf arbeite noch immer für Baum und Merz, trotz dessen rechtsextremer Haltung.
Hungers Artikel in der Kontext-Wochenzeitung über den Mitarbeiter von Baum hatte ein großes Echo ausgelöst. Er wurde von vielen Medien zitiert. Der Landtag in Baden-Württemberg habe daraufhin seine Hausordnung geändert. Gegen die Veröffentlichung ist Grauf mit Rechtsanwälten vorgegangen. Trotz erdrückender Beweislage habe das Landgericht Mannheim gegen ihre Zeitung entschieden und ihr die Verbreitung der Informationen verboten. Der Kläger habe zwar die Echtheit der Chats bestätigt, jedoch in einer eidesstattlichen Erklärung behauptet, dass sie nachträglich verändert worden seien. Die Kontext-Wochenzeitung legte Einspruch gegen dieses Urteil ein, ließ ein linguistisches Gutachten anfertigen und zog vor das Oberlandesgericht in Karlsruhe, vor dem sie Recht bekam. „Mit Rücksicht auf die Diskussion um rechtsextreme Bestrebungen im Umfeld der AfD leisten die beanstandeten Presseartikel einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“, urteilte das Gericht.
Christina Baum setzt sich für Meinungsfreiheit ein, „jedoch nur, solange es ihre eigene ist“. In Österreich könne man derzeit einen Angriff der Rechten auf die Presse erleben. Journalisten würden europaweit immer häufiger bedroht, teils körperlich angegriffen, und wie in ihrem Fall mit Klagen überzogen. Anna Hunger sieht eine große Gefahr darin, wenn Leute in die Parlamente kommen, die die Demokratie verachten. Sie kommen damit auch in alle Ausschüsse, unter anderem in Gremien der Landeszentrale für politische Bildung oder des Hauses der Geschichte. Gefährlich ist dies, denn die AfD stelle z.B. immer wieder die Finanzierung von Gedenkstätten und Kulturzentren in Frage.
Die Gewerkschaftssekretärin Silke Ortwein, die die Veranstaltung moderierte, bedankte sich bei der Referentin mit einem Präsent. Verabschiedet wurde Anna Hunger mit einem tosenden Applaus für ihre Zivilcourage, ihre Standhaftigkeit und das Verteidigen der Pressefreiheit.