Die Corona-Pandemie zwingt zahlreiche Branchen in die Knie. Neben Veranstaltern und Gastronomen leidet vor allem die Reisebranche unter den Beschränkungen im Lockdown. Extreme Umsatzeinbußen, Stornierungen von Urlauben und Rückerstattungen gehören bereits seit dem ersten Lockdown im März zu ihren Hauptaufgaben. Staatliche Hilfen gibt es nur wenige. In der Branche wächst die Verzweiflung. Viele werden diese Entwicklung wahrscheinlich nicht überleben.
»Es ist ein ewiges Hin und Her und es gibt keine einheitlichen Lösungen.« Claus Böhm ist frustriert. Der Inhaber des Derpart-Reisebüros Böhm in Heilbronn kämpft nicht erst seit dem neuen Lockdown im Dezember mit massiven Umsatzeinbußen, sondern schon seit dem ersten Aufkommen von Corona im März. Bei einer weltweiten Pandemie denken nur wenige ans Reisen. Im Gegenteil: Zahlreiche Kunden sagten ihren geplanten Urlaub ab, Tickets wurden storniert, der Umsatz ging ins Bodenlose. »Alle unsere Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, das Büro ist bei uns für Publikumsverkehr geschlossen«, beschreibt Böhm. »Es war, vorsichtig ausgedrückt, ein schwieriges Jahr.«
In einem normalen Jahr macht ein Großteil der Deutschen seinen Urlaub im Ausland. Der Hauptteil der Reiseausgaben fallen laut Angaben des Deutschen Reiseverbands mit rund 70 Milliarden Euro deshalb auf den grenzüberschreitenden Verkehr. Daran hängen rund 100.000 Arbeitsplätze in Reisebüros und bei Reiseveranstaltern. Viele hatten ihren Urlaub für 2020 bereits im Vorjahr gebucht. Die Hoffnung, fehlende Umsätze der Sommersaison im Winter auffangen zu können, wurde durch die Pandemie-Entwicklung zunichte gemacht. »Seit Oktober haben praktisch gar keine Buchungen mehr stattgefunden«, schildert Joachim Stöffler, Inhaber vom Reiseveranstalter JOMO Tours in Sindelfingen. »Wir arbeiten derzeit Reisen für das kommende Jahr aus, die Leute buchen aber sehr wenig.«
Was also tun, wenn eine Branche nur noch Verluste schreibt? Den kämpfenden Unternehmen bleibt nur, Überbrückungshilfe zu beantragen. Diese wurde von der Regierung jetzt bis Juni 2021 verlängert. der Maximalsatz erhöht. Das Ausbleiben oder die Rückzahlung von Provisionen von Reisebüros bzw. vergleichbaren Margen von Reiseveranstaltern wegen Corona-bedingter Stornierungen und Absagen bleiben förderfähig. Der Förderhöchstbetrags pro Monat wurde von bisher 50.000 Euro auf 200.000 Euro erhöht Das alles sind aber nur Tropfen auf dem heißen Stein, zumal die Hilfen laut vielen betroffenen Unternehmen nach wie vor mit viel bürokratischem Aufwand und zeitlichem Verzug verbunden sind. Eine Besserung ist nicht in Sicht, selbst wenn der Lockdown aufgehoben wird.
Ob sich die Krise langfristig auf das Reiseverhalten der Menschen in Deutschland auswirken wird? Schwer zu sagen. »Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern bis sich das Reiseverhalten wieder normalisiert«, betont Böhm. Joachim Stöffler versucht optimistisch zu bleiben: »Ich denke, dass die Menschen nach der Krise wieder hungrig nach Reisen sein werden.« Mit der Aufhebung von Reisewarnungen in beliebten Urlaubsländern könne sogar ein regelrechter »Urlaubs-Boom« starten – falls es die Reisebranche bis dahin überlebt.