SSV Reutlingen vs VfB Stuttgart, 13.07.2018 (21 von 30).jpg
In der Fussball-Bundesliga geht es für viele Mannschaften in richtungsweisende und entscheidende Wochen. Mit Anbruch der heissen Phase sehen manche Vereine ihre Saisonziele gefährdet und reagieren auf den bisher enttäuschenden Saisonverlauf. Auch der VfB Stuttgart. Man ist geneigt zu sagen „wie alle Jahre wieder“ - allerdings mit einem feinen Unterschied.
Nachdem der ebenfalls abstiegsgefährdete 1.FC Nürnberg sowohl Sportvorstand als auch Trainer geschasst hat, kam bald auch aus Stuttgart die Meldung, dass Sportvorstand Michael Reschke von seinen Aufgaben entbunden wurde. Bei all dem Chaos der letzten Jahre und der damit einhergehenden Sehnsucht nach Ruhe und Konstanz beim VfB, ist dieser Schritt dennoch nachvollziehbar und beinhaltet eine andere Art von Konsequenz, als die branchenübliche. In der Regel sind es die Trainer, die als Konsequenz einer sportlichen Misere ihren Hut nehmen müssen. Bei gefühlten 20 Trainerwechseln in fünf Jahren muss man jedoch irgendwann den Gedanken zulassen, dass diese nicht alle ahnungslos gewesen sein können und der Hund wohl doch woanders begraben liegt. Paradebeispiele dafür sind der HSV und der VfB.
Wenn es mehrere Trainer in wenigen Jahren nicht schaffen, aus dem Kader das rauszuholen, was der sportliche Anspruch des Vereins ist, dann stellt sich irgendwann die Frage nach der Art und Qualität der Kaderzusammenstellung. Wie wurde das zur Verfügung gestellte Budget eingesetzt? Wurde optimal im In- und Ausland gescoutet? Steht man in der Liga diesem Budget entsprechend da? Beim VfB lässt sich die letzte Frage ohne Umschweife mit einem Nein beantworten. Denn Vereine mit geringeren wirtschaftlichen Möglichkeiten wie Freiburg, Düsseldorf oder Mainz stehen mit acht, zehn beziehungsweise zwölf Punkten mehr nach 21. Spieltagen deutlich vor den Stuttgartern.
Hinzu kommt die nicht ganz neue Thematik, dass man die eigens ausgebildeten Talente immer häufiger ziehen lässt und diese woanders zu Leistungsträgern werden, während andere, hinzugekaufte Spieler ohne bessere Leistung bleiben. Sinnbildlich war, dass man ein Eigengewächs wie Berkay Özcan zum HSV gehen lässt. Nun hat Özcan sicherlich nicht den vielzitierten kometenhaften Aufstieg geschafft, seit er aus der Jugendabteilung in den Profibereich aufgerückt ist. Doch ob die Spieler, welche von außen mit Ablöse geholt wurden und höchstwahrscheinlich einen besser dotierten Vertrag als Özcan haben auch alle die bessere Qualität und das größere Talent als das Eigengewächs mitbringen, darf bezweifelt werden. Einem in Fussball-Talks und Sportsendungen oft erwähnten Credo kann man die Logik nämlich nicht absprechen: Transfers externer Spieler machen doch erst dann richtig Sinn, wenn sie besser sind als die, welche man bereits im eigenen Stall hat.
Mit Thomas Hitzelsperger hat man nun einen Mann auf den Stuhl von Reschke gesetzt, der eine Vergangenheit beim VfB hat und dem man, trotz bayrischer Herkunft, die Verbundenheit zum Verein auch abkauft. Dass dieser ein klares Bekenntnis zu Trainer Weinzierl auf seiner ersten Pressekonferenz als Sportvorstand vermieden hat, ist bei den bisherigen Ergebnissen, dem kommenden Gegner Leipzig und den Mechanismen der Branche verständlich. Doch konstante Ruhe und Entwicklung bedarf auch einem gewissen Maß an Konstanz beim leitenden und beim Kern des spielenden Personals. Ob man in Bad-Cannstatt nun aus den Fehlern der Vergangenheit lernt , die Ansprüche der gegenwärtigen Wirklichkeit anpasst und diese auch erst einmal mittelfristig akzeptiert, werden die kommenden Wochen, Monate und Saisons zeigen. Denn bei einem Fortbestehen der bisherigen Kluft zwischen Anspruch und Realität will man sich als Schwabe die Antwort auf die Frage aus der Überschrift nicht ausmalen.