Ein neues Gesicht an der Spitze: Zum Jahresbeginn löst Bernhard Feßler nach 13 Jahren Dr. Andreas Schumm als Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) ab. Im Gespräch mit MORITZ erzählt der ehemalige Leiter des Hauptstadtbüros Berlin der Deutschen Reiterlichen-Vereinigung (FN), wie er in der WHF zukünftig Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verbinden will.
Wie sind Sie und die WHF zusammengekommen?
Auf eine ganz klassische Art und Weise. Es war eine ausgeschriebene Stelle, ich habe sie gesehen, mich damit auseinandergesetzt, überlegt, ob und wie man das am besten angehen könnte und hab mich dann am Ende entschieden, ganz klassisch eine Bewerbung zu schicken, ohne Beziehungen, ohne alles. Ich hab für mich entschieden im vergangenen Jahr, dass ich einfach nochmal eine ganz andere Perspektive aufgreifen und ein anderes Tätigkeitsfeld angehen möchte. Entweder hätte ich mich entscheiden müssen, ganz nach Berlin zu ziehen oder dann doch wieder die Heimat zu präferieren. Ich habe mich dann für letzteres entschieden, auch damit man dann Freundschaften besser pflegen kann.
Woher kam der Wunsch nach einem beruflichen Wechsel?
Also, ich bin damals nach Berlin reingekommen aus einem ähnlichen Wunsch heraus, einfach nochmal vor 50 meinem Leben eine ganz andere Dynamik zu geben. Berlin hatte ich ins Auge gefasst, weil es einfach cool war. Meine Mission war, Menschen kennenzulernen, Netzwerke zu erweitern, und ich bin dann im Zuge eines Beratungsverfahrens meiner eigenen Leidenschaft des Pferdesports eben zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung gekommen – dabei mit dem Gedanken „Wenn ich’s jetzt nicht mache, mache ich es nie wieder!“
Was können Sie über die Tätigkeit in der Deutschen Reiterlichen Vereinigung erzählen?
Der Deutsche Pferdesport war die siebtgrößte, heute ist es die achtgrößte deutsche Sportorganisation, wahrscheinlich die professionellste, wir waren toporganisiert, weil wir ja sowohl das Pferd haben als Spitzenleistungssport bis Breitensport, Ausreiten, Voltigieren, Therapie – das hängt ja alles da noch hinten dran, plus die ganze Landwirtschaft. Das war mein großes Herzensthema. Sponsoring, Turnierorganisation, da ist die Deutsche Reiterliche Vereinigung der Ankerverband, der vergibt, der nach dem Rechten schaut, der die Regeln festlegt, und dann halt die Bauern. Das hatte alles eine Dynamik, die mich enorm fasziniert hat. In Berlin im Hauptstadtbüro war ich zuständig für all das, was zwischen dem Pferd und der Gesellschaft stand. Fördermittelgeschichten, die Ausschüsse im Deutschen Bundestag, da haben wir einen Parlamentskreis Pferd gegründet. So sind dann auch Verbindungen und Freundschaften entstanden, ich war quasi das Bindeglied, saß im Büro des Deutschen Sportbundes zusammen mit dem DfB, dem Teamsport, dem Behindertensportverband, dem Rudersport – wir haben uns das Büro geteilt und jeder hat dann seine eigene Sportart vertreten.

Von 2017 bis 2024 war Bernhard Feßler, selbst ein begeisterter Reiter, Leiter des Hauptstadtbüros Berlin der Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V.
Gibt es etwas, was Sie aus Ihrer bisherigen Pferdesport-Tätigkeit für Ihre neue Stelle mitnehmen können?
Absolut. Was ich mitnehme, sind auf alle Fälle die Kontaktnetzwerke, die sind gut und groß. Die Wirtschaftsregion sehe ich hier als Bindeglied zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das hat man in den vergangenen Jahren nicht so gebraucht, weil es lief ja. Die Politik war gut wegen der Wirtschaft, die Wirtschaft manchmal trotz der Politik. Und ich glaube, das wird in Zukunft anders werden. Ich bin mir fast sicher, die Gesellschaft hat jemanden gesucht, der dieses Spielfeld beherrscht, der an dieser Schnittstelle als Brückenbauer, Bindeglied oder auch Transformator agieren kann.
Generell muss man sagen, dass Pferdesport und Wirtschaft so viel miteinander zu tun haben. Das Leistungsprinzip – wenn ich etwas gebe, bekomme ich etwas zurück. Partnerschaft – Sie müssen aufeinander eingehen. Mit Gewalt geht gar nichts. Disziplin, Verantwortung und Demut. Es geht nur miteinander. Das gilt für das Pferd und das gilt auch für die Wirtschaft.
Von 2003 bis 2015 waren Sie Wirtschaftsrat der CDU. Was können Sie aus Ihrer Zeit für ihr neues Geschäftsführeramt bei der WHF mitnehmen?
Dort ist praktisch alles entstanden, mehr oder minder. Ich war zuvor beim BDI und bin von da aus in die Geschäftsführung des Wirtschaftsrates gekommen. Und der ist ja im Prinzip nichts anderes als ein Zusammenschluss von Unternehmern, für die man eine Plattform schafft, sich über ihr eigenes Kernkompetenzfeld hinweg mit Politikern und Gesellschaftern auszutauschen. Wir waren praktisch eine Mitmachorganisation, zu meiner Zeit haben die ganzen Fachkommissionen ihre Entstehung gefunden. Ich war da unangefochten und würde da heute noch sitzen, wenn ich mir nicht damals gesagt hätte, jetzt muss noch irgendetwas passieren.
Sie lösen Dr. Andreas Schumm nach 13 Jahren als Geschäftsführer ab. Inwieweit haben Sie vor, seine Arbeit fortzuführen?
Die Übergangsphase hält noch an. Ich muss wirklich sagen, in großer Dankbarkeit und hoher Wertschätzung, das ist ein ganz toller Mensch. Ein liebenswerter Mann, der zweimal die Woche für ein Stündchen oder zwei kommt, Sachen anguckt, bei der Finanzbuchhaltung aushilft, Förderprojekte erklärt. Ich muss das ja alles hier erstmal lernen und er ist ein unermüdlicher Erklärer und Begleiter. Aktuell kommt alles wie eine Masse auf mich zu, die durchdringe ich im Moment und versuche alles zu ordnen. Herr Schumm hat das hier alles mit aufgebaut, das kriege ich jetzt überreicht und jetzt versuche ich zu selektieren, welche Aspekte genug Substanz mitbringen, dass ich darauf aufbauen kann. Parallel dazu verändert sich die Gesellschaft, das gibt mir als Neuem die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen.
Was steht jetzt als erstes für Sie auf der Agenda?
Meine Kernbotschaft, mit der ich auch angetreten bin, ist diese: Ich möchte, dass die WHF zur echten Marke wird. Sie sollte wie eine Art „Mutterkonzern“ sein, der nicht reinregiert oder bevormundet, sondern unter deren Dach sich alles Gute in dieser schönen Region, die ja wirklich von wirtschaftsstarker Kraft von Heilbronn aus in die Peripherie in Sachen Tourismus und Energie, Genuss, Weinbau, Natur geprägt ist, wiederfinden kann. Das ist mein alleroberstes Ziel. Kleinteiligkeiten, Querelen und interne Kämpfe machen uns am Ende des Tages nicht stark. Als Beispiel kann ich das Münsterland nennen. Dort gibt es auch ganz viele unterschiedliche Strömungen, aber der Begriff „Münsterland“ ist bekannt, ebenso wie das Allgäu. Diese Markenstärke wünsche ich mir auch für Heilbronn-Franken.
Haben Sie schon konkrete Vorstellungen, wie das funktionieren kann?
Ja, die sind aber noch theoretisch. Die Praxis wird die Herausforderung sein, auch wenn ich das Wort überhaupt nicht leiden kann. Bei mir gibt es nur nicht genutzte Chancen, Aufgaben oder Ziele. Trotzdem wird es die Kunst sein, die politischen Verantwortlichen aber auch mit den Wirtschaftsförderungen und Strömungsbeauftragten mit ins Boot zu holen. Da muss ich erstmal ein Gespür für kriegen. Für mich sind das Kollegen auf Augenhöhe, jeder bringt was mit ein, aber am Schluss müssen wir ein großes Ganzes sein. Es darf kein gegenseitiges Ausspielen verschiedener Interessen sein.
Was sind die für Sie wichtigsten Projekte in den nächsten Jahren?
Was wir sicherlich machen müssen, ist mit einer Stimme zu sprechen. Dann wird der Relaunch der Website ein großes Thema sein. Wir wollen eine Social Media-Strategie entwickeln, sowohl klassisch Facebook als auch professionell LinkedIn und natürlich Instagram – TikTok müssen wir mal schauen. Aber dafür werden wir uns jemanden an Bord holen, der das vernünftig aufzieht und unter einem Markenkern vereinigt.
Welche Rolle spielen dabei die Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz?
Die Dramatik bei uns in Deutschland habe ich in Berlin live erleben müssen. Das Land hat einfach, so leid es mir tut, 20 Jahre lang sich mehr oder weniger selbst verwaltet und dabei hat die Digitalisierung stark gelitten. Das ist ein Thema, das wir in der Region unbedingt forcieren müssen. Mit der Schwarz-Gruppe hat man hier natürlich einen Joker gezogen, aber es muss trotzdem natürlich auch für die normale Bevölkerung ein Profit abfließen. Die Vernetzung und die hochdigitalen Strukturen mit IPAI und Bildungscampus – grade das macht es so wichtig, das Thema hier voranzutreiben. Was IPAI angeht, war ich sehr froh, herauszufinden, dass es da tatsächlich einen Kooperationsvertrag gibt. Wir als WHF können uns nicht vor diesem Thema verschließen. Als Partner in deren Windschatten bzw. in diesem Dunstkreis zu wirken und unsere Kompetenzen da mit einbringen zu können, ist eine Win-Win-Situation für alle Seiten. Das Miteinander ist entscheidend. Wir können es uns in Zeiten wie diesen nicht leisten, gegeneinander zu arbeiten. Das habe ich auch aus dem Pferdesport mitgenommen: Partnerschaft ist das wichtigste.
Wo sehen Sie die größten Chancen und Herausforderungen für unsere Region?
Dieses Drehkreuz hier der A81 und der A6 und dann noch der A7 an der Seite ist eines der größten Assets der Region Heilbronn-Franken, auch mit dem Neckar dazu. Ich hoffe sehr, dass die Schleusenthematik angegangen wird, damit man stark bleiben kann gegenüber Land und Bund. Was bitter ist, ist dieses Verkehrsknotenthema Bahn. Wie man das Thema ICE so abhängen kann, ist ganz dramatisch. Da werden wir auch dranbleiben.
Ihr vorherige Wirkungskreis in Berlin unterscheidet sich nun deutlich von Ihrem neuen. Was werden Sie an Berlin vermissen, auf was freuen Sie sich in der Region Heilbronn-Franken?
Vermissen werde ich auf jeden Fall das Berliner Bubble-Leben. Das sind so ungefähr 3000 Leute, die kennen sich alle, man weiß voneinander, wer wie tickt und kann sehr gut darin wirken. Vermissen werde ich auch die Nähe zum Parlament, man hatte kurze Wege, ist abends mal miteinander was trinken gegangen und, nicht zu vergessen, die parlamentarischen Abende waren von unschätzbarem Wert. Man trifft Leute, tauscht sich ungezwungen aus, knüpft neue Kontakte. Damit einher geht aber auch eine große Gefahr: Dieses Bubble-Leben hat nichts mit der Realität zu tun. Deswegen habe ich es immer sehr geschätzt, dass ich meinen Wohnsitz in Leinfelden behalten habe, viel auch zuhause war. Und das bringt mich jetzt auch in diese Region. Die Umsetzung der Entscheidungen, die in dieser Bubble oft ohne Überblick über die Lebensrealität getroffen werden, findet hier statt.
Sie sind seit der Jugend begeisterter Reiter. Bringen Sie die Reiterei weiterhin in Ihrem Terminplan unter?
Ich glaube, jetzt, wo ich aus Berlin weg bin, fast noch besser. In Berlin gingen Sitzungswochen oft von 9 Uhr morgens bis Mitternacht, quasi non-stop. Selbst aufs Pferd konnte ich also nur sehr selten. Hier konnte ich bereits gute Kontakte knüpfen. Ich werde mir jetzt einen Stall suchen und dann versuchen, zweimal die Woche aktiv wieder zu reiten. Ansonsten bin ich gerne unter Menschen, habe einen großen Freundeskreis und koche sehr gerne. Ich bin vom Typ her sehr umtriebig und brauche immer mal wieder Auszeiten. Die nehme ich mir dann gerne in den Bergen oder in Niedersachsen.
Vita:
1989 – 1991 Commerzbank AG, Stuttgart, Bankkaufmann
1991 1992 ROTO Frank AG, Leinfelden-Echterdingen, Sachbearbeiter Export
1992 – 1998 Universität Konstanz & University of Rep. of Ireland, Verwaltungswissenschaft Public Administration Sciences
1999 – 2020 KÜHNER GmbH & Cie., Oppenweiler, Assistent der Geschäftsleitung / Leiter strategische Planung
2001 – 2003 LVI - Landesverband der Baden-Württ. Industrie e.V., Ostfildern, Referatsleiter
2003 – 2015 Wirtschaftsrat der CDU e.V., Landesgeschäftsführer Baden-Württemberg
2015 – 2016 Selbständige Beratertätigkeit Public Affairs & Governmental Relations Drees & Sommer AG, Stuttgart & Berlin, Head of Public Affairs & External Relations | Prokurist
2017 – 2024 Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN), Leiter Hauptstadtbüro Berlin | Head of Public Affairs, Wolfsbeauftragter der FN
seit 2025 Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH, Geschäftsführer