Handelsbetriebe, Fachhändler, Solounternehmer, Gastronomen, Zulieferer – sie alle müssen in Zeiten der Coronakrise um ihr Überleben kämpfen. Die Maßnahmen von Bund und Ländern sind für viele dabei nur »ein Tropfen auf dem heißen Stein«.
Fehlende Bonität für KfW-Kredite
Der Aufruf von Thomas Gauß, Vorsitzender der Stadtinitiative Heilbronn und Sprecher des örtlichen Einzelhandels, ist verzweifelt: »Wir werden Geschäfte schließen müssen, wir werden leere Innenstädte haben, wir werden Gastronomen haben, die nicht mehr da sind!« Der Grund: Die vom Bund beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung reichen nicht aus, um die Existenz vieler Einzelhändler zu bewahren – und kommen in vielen Fällen gar nicht erst an.
So seien die angedachten Liquiditätshilfen über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durch die Tatsache, dass der Bund maximal 90 Prozent des Risikos übernimmt, der Rest jedoch durch die Banken getragen werden muss, ein Nadelöhr, durch das viele Händler nicht mehr durchkommen. Laut Gauss sei für die Banken das Risiko in vielen Fällen zu heiß und den Betriebe, die die Hilfen am dringendsten benötigen, fehle die Bonität.
Die Soforthilfemaßnahmen hingegen sind für Thomas Gauß »nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – einem sehr heißen Stein.« Die Schließungen sind für ihn im Anbetracht der aktuellen Lage und des Zieles, die Rate an Neuinfektionen abzuflachen, durchaus sinnvoll. »Nichtsdestotrotz sind wir als Händler massiv betroffen von dem, was passiert«, erklärt Gauß. »Die Hilfen kommen bei uns nicht an, die Hilfen sind mit viel zu hohen Hürden verbunden.« Die Einzelhändler tun zurzeit, was immer sie können – seien es Zusatzverkäufe oder Online-Alternativen. »Das reicht nicht aus, um unsere Mieten zu decken, das reicht nicht aus, um unsere anderen Kosten zu decken.«
Existenzängste
Gauß selbst ist als Geschäftsführer mehrerer Einzelhandelsbetriebe, darunter Saemann Sportkultur in Heilbronn, selbst aktiv von der Krise betroffen. »Ich habe 38 Mitarbeiter, denen ich weiterhin einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen möchte, und auch die eigene Existenz hängt zu 100 Prozent daran.« Das Ziel müsse deshalb sein, dass der Bund 100 Prozent des Risikos bei den KfW-Krediten übernehme. Darüber hinaus fordert die Stadtinitiative Heilbronn deutlich höhere Soforthilfemaßnahmen, eine längere Laufzeiten bei der Rückzahlung der KfW-Kredite, rückwirkend eine negative Einkommenssteuer sowie eine Änderung des Bilanzrichtliniengesetzes.
#VoicesOfRetail – die Stimmen des Einzelhandels
Unterdessen schließen sich in Deutschland derzeit viele Betriebe und Unternehmen unter dem Hashtag #VoicesOfRetail zusammen, um dem Einzelhandel und den vor dem Aus stehenden Betrieben eine gemeinsame Stimme zu geben. »Viele Fachhandelsgeschäfte sind Anziehungspunkte und sorgen für die Frequenz in den Innenstädten«, heißt es in der Initiative. »Entfallen diese Fachgeschäfte, veröden die Fußgängerzonen und die Gefahr steigt, dass sich auch Cafés und andere kleine Geschäfte – die Local Heroes – nicht halten können.« #VoicesOfRetail soll dabei ein Gewicht für die Entscheider in der Politik aufbauen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen, die aus dem mittelständischen Einzelhandel ausgehen, soll auf diese Weise transparenter gemacht werden.
Erste Betriebe aus der Region – unter anderem das Modehaus Kohlfink aus Heilbronn und das Apartment 72 aus Stuttgart – haben sich der Initiative bereits angeschlossen und posten unter dem Hashtag #VoicesOfRetail auf Facebook und Instagram. Weitere Informationen gibt es unter www.voicesofretail.de.