Veranstaltungen und Restaurantbesuche sind untersagt. Zeitgleich sammeln sich bis zu 30 Kinder in einem Klassenzimmer oder 60 in einer Sporthalle - ohne Maske versteht sich. Der Einzelhandel bleibt geöffnet, private Treffen sind auf zwei Haushalte beschränkt, in Bus und Bahn stehen aber alle aufeinander. Wie passt das zusammen?
Schulsport, 8 Uhr morgens. Rund 60 Kinder tummeln sich in der Sporthalle, spielen sich die Fußbälle zu, toben, rennen – alles ganz normal, oder? Dumm nur, dass es außerhalb der Sporthalle alles andere als normal zugeht. Denn während die Kinder noch beim Schulsport und in den Klassenzimmern eng zusammensitzen, sind draußen Zusammenkünfte von mehr als zwei Haushalten streng verboten. Restaurants und Kinos sind tabu, auf dem Wochenmarkt, in den Fußgängerzonen und den Lebensmittel-Discountern wird hingegen regelmäßig auf das Abstandhalten verzichtet. Ausgehen scheint überhaupt nicht mehr möglich – es sei denn, man besucht einen Gottesdienst, der von den ganzen Regelungen natürlich ausgenommen ist. Die Maßnahmen treffen also nicht alle und schon gar nicht alle gleich, sondern nur einige – diese aber ganz besonders.
Da kommt bei vielen schnell Frust auf, vor allem in der Gastronomie, die sich sklavisch an die Vorschriften gehalten hat, die in den vergangenen Monaten Geld in die Hand genommen hat, zum Beispiel Plexiglastrennwände einziehen ließ, um sämtliche Sicherheits- und Hygienevorschriften akribisch einzuhalten. Es wurden schrankweise Formulare ausgefüllt, um Infektionsketten im Ernstfall exakt nachvollziehen zu können. Nun wird die Gastronomie im zweiten Lockdown wieder schonungslos über einen Kamm geschert und abgestraft. Ein ähnliches Bild in Konzert- und Theatersälen, in denen schon seit Monaten peinlichst genau durch limitierte, meist onlinebasierte Ticketverkäufe auf eingehaltene Abstände zwischen den Sitzen geachtet wurde. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda hatte sich sogar im Oktober noch zu der Aussage hinreißen lassen: »Gehen Sie ins Theater. Da sind Sie sicherer als zu Hause!« Das war vor dem neuen Lockdown, wohlgemerkt. Nun gilt wieder ein strenges Verbot in diesen um Sicherheit bemühten Einrichtungen. In den Schulen hingegen ist alles so wie bisher –zwar mit Maske, aber ohne viel Abstand. Ein mehr als fraglicher Widerspruch, vor allem, da regelmäßig Infektionsfälle aus genau diesen Schulen gemeldet werden. Aus Theatern oder Kinos ebenfalls? Fehlanzeige! Begründet werden die drakonischen Maßnahmen gegen Kultur und Gastronomie mit einer vermeintlichen »Alternativlosigkeit«. Diese wird allerdings kaum näher ausgeführt. Nicht zuletzt deshalb fühlen sich diese Gruppen von der Regierung bestenfalls im Stich gelassen, im schlimmsten Fall verraten.
Die Folge: Ein Rückgang der Infektionszahlen findet seit Beginn des zweiten Lockdowns im November nur schleichend bis überhaupt nicht statt. In vielen Regionen steigen die Zahlen sogar an, obwohl die vermeintlichen »Infektionsherde« Theater, Kino oder Restaurant ausnahmslos geschlossen sind. Richtig absurd wird es dann im Detail: Tattoo- und Massage-Studios mussten schließen, Friseure bleiben weiter geöffnet. Gottesdienste finden statt, Lesungen und Theater nicht. Wer sich zurzeit keine Filme im Kino ansehen kann, geht stattdessen in die geöffnete Bibliothek und leiht sie sich aus. Und Lieferanten haben nach wie vor sehr viel persönlichen Kontakt.
Corona wird Deutschland und die Welt voraussichtlich auch im kommenden Jahr noch begleiten. An den widersprüchlichen Maßnahmen sollte dann dringendst gearbeitet werden. Denn sonst trifft es wieder die Falschen.