Foto: Dharmeesh Patel
Nadia Murad Friedensnobelpreis
Im Dezember erhält die 25-jährige Jesidin Nadia Murad zusammen mit dem Kongolesen Denis Mukwege den mit 860.000 Euro dotierten Friedensnobelpreis. 2016 war sie schon einmal nominiert und wurde seitdem mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen geehrt. Seit 2015 lebt sie in Baden-Württemberg, davon bis 2017 etliche Monate unter strengster Geheimhaltung in Heilbronn.
Der erste Gratulant war der baden-württembergischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann: »Diese unglaublich starke, junge Frau machte uns allen deutlich, dass sie sich nicht als Opfer des sogenannten ‚Islamischen Staates‘ verstehen wollte, sondern als Überlebende mit Mut und Würde. Sie sagte mehrfach vor den Vereinten Nationen aus. Ihre Rede im Landtag von Baden-Württemberg vom 1. Dezember 2016 hat alle tief bewegt. Auch weiterhin werden wir Nadia Murad eine Heimat in unserem Land bieten, sie beschützen und in ihren Aufgaben als UN-Sonderbotschafterin unterstützen.«
Das Land Baden-Württemberg hat als einziges Bundesland eine eigene Hilfsaktion für verfolgte Jesidinnen aus dem Nordirak gestartet, angestoßen nach dem Flüchtlingsgipfel im Oktober 2014. Dort schilderten Vertreter des Zentralrats der Jesiden bei einem Treffen mit Kretschmann die dramatische Situation im Nordirak. Der sagte Hilfe zu und initiierte das Programm »Sonderkontingente für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak«. Über 1.000 Jesidinnen haben seither in Baden-Württemberg Schutz gefunden. Knapp 100 kamen nach Heilbronn. Nadia Murad wurde im August 2014 von IS-Kämpfern aus ihrem Heimatdorf im Nordirak entführt und nach Mossul verschleppt. Bei dem Genozid hat sie neben ihrer Mutter und ihren sechs Brüdern insgesamt 44 Familienmitglieder verloren. In Mossul wurde die damals 21-Jährige sexuell versklavt, mehrfach vergewaltigt, gefoltert, verkauft. Mit Hilfe einer Familie gelang ihr die Flucht. Sie hörte von dem baden-württembergischen Hilfsprogramm, nahm Kontakt auf und kam so 2015 nach Baden-Württemberg.
Auch Thomas Strobl, Innenminister und Heilbronner, gratulierte »von ganzem Herzen« und wertet die Entscheidung des Nobelkomitees als gut und klug. Nadia Murad habe sich entschieden, nicht zu verzweifeln, sondern aufzustehen und zu kämpfen. Strobl: »Es berührt, ihre Stimme, ihre Botschaft zu hören. Ich kann mir keine bessere Preisträgerin vorstellen.« Seit 2016 ist Nadia Murad UN-Sonderbotschafterin und Buchautorin. Sie macht auf die Qualen der Opfer von Menschenhandel aufmerksam. Vertreten wird sie von der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney-Alamudir. In ihrer knapp fünfminütigen Rede 2016 vor der UN-Generalversammlung, die um die Welt ging, redete Nadia Murad den Machthabern dieser Welt ins Gewissen und bat eindringlich darum, die Grenzen für Frauen und Kinder nicht zu schließen und die Täter juristisch zu verfolgen. Ihr Appell: »Wenn Enthauptungen, sexuelle Sklaverei und Kindesvergewaltigung euch nicht zum Handeln bringen, wann werdet ihr dann handeln?» Und weiter: »Diese Welt hat nur eine Grenze. Sie heißt Menschlichkeit.«
JESIDEN
Jesiden leben im Irak und sprechen überwiegend das nordkurdische Kurmancî. Sie leben streng endogam, dürfen nur innerhalb der Religionsgemeinschaft heiraten und geben den Glauben durch Geburt weiter. Von den 200.000 bis 800.000 Jesiden leben mehr als 100.000 in Deutschland, davon ein Teil in der Diaspora im niedersächsischen Celle. Einige Tausend leben in Syrien und wenige Hundert in der Türkei, wo sie im vergangenen Jahrhundert auf brutalste Weise verfolgt wurden. Seit August 2014 sind die Jesiden Opfer eines andauernden Genozids. Als sogenannte »Ungläubige« fliehen sie im Norden des Iraks vor Verfolgung, Versklavung und Ermordung durch die terroristisch agierende fundamentalistische Miliz »Islamischer Staat«.