Leere Geschäfte, Abstand im Restaurant, Maskenpflicht – durch Corona hat sich die ohnehin angespannte Lage der aussterbenden Innenstädte nur noch verschärft. Nun wird in der Politik eine verkehrsfreie Innenstadt gefordert – aus Umweltschutzgründen. Doch ein solcher Beschluss könnte den Todesstoß für den örtlichen Handel und die Gastronomie bedeuten, fürchtet nicht nur die Stadtinitiative Heilbronn.
»Blankes Entsetzen«, herrsche bei den Heilbronner Einzelhändlern und Gastronomen. Man sei enttäuscht und fühle sich von der Politik im Stich gelassen. So beschreibt Thomas Gauß, Vorstand der Stadtinitiative Heilbronn, die aktuelle Situation. Er bezieht sich auf die Forderung der SPD-Fraktion im Heilbronner Gemeinderat, ein weitgehend autofreies Zentrum zu schaffen. Konkret geht es dabei zunächst um den Rückbau von Parkplätzen, das Anheben von Gebühren und Durchfahrverbote zu bestimmten Uhrzeiten – ein Thema, das laut Thomas Gauß zu keinem unpassenderen Zeitpunkt hätte kommen können. »Eigentlich hatten wir erwartet, dass man die Prioritäten in der Politik aktuell darauf legt, wie man die durch Corona entstandenen Probleme löst«, so Gauß. »Stattdessen fühlen sich viele Einzelhändler durch Forderungen wie diese zusätzlich im Stich gelassen.«
So seien Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen und zum Schutz der Umwelt zwar grundsätzlich zu begrüßen, die Forderung der Sozialdemokraten ist für die Stadtinitiative allerdings der völlig falsche Ansatz. »Auf diese Weise würden zu viele wichtige Verkehrsanbindungen verloren gehen.« Gerade die Stadt Heilbronn lebe von der wirtschaftlichen Kaufkraft aus dem Umland. Die ÖPNV-Verkehrsanbindung dort beschreibt Gauß als »dürftig«, viele seien auf ein Auto angewiesen. Wenn die Zufahrtswege zur Innenstadt nun aber zukünftig für Kraftfahrzeuge, wie gefordert, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt befahrbar sind, könnten zahlreiche Bürger stattdessen zukünftig auf Online-Angebote setzen. Die Folge: Ein Aussterben der Innenstadt, was nicht zuletzt durch einen daraus resultierenden, vermehrten Einsatz von Lieferfahrzeugen keine besonders umweltschonende Lösung wäre. »Was wir wirklich benötigen, ist ein zielführender und durchdachter Ansatz«, betont Thomas Gauß. »Auf diese Weise würden wir aber lediglich neue Probleme schaffen, die wir dann im Nachhinein wieder ausbügeln müssen.« Um die Verkehrssituation zu verbessern, gibt es zahlreiche Alternativvorschläge, unter anderem ein durchdachtes Verkehrsleitsystem und die Möglichkeit einer flüssigen, emissionsreduzierten Anfahrt in die Parkhäuser.
Nicht nur die Stadtinitiative Heilbronn rät deshalb von vorschnellen Beschlüssen ab und wünscht sich ein Umdenken in den Prioritäten. Zahlreiche Einzelhändler, Gastronomen und Veranstalter leiden durch Corona unter Einbußen und verringerter Kundschaft. Die Heilbronner Innenstadt steckt in einer ernsten Lage, die durch den Wirtschaftskreislauf auch Auswirkungen auf andere Branchen hat. Gauß: »Wir sitzen alle in einem Boot – das ist nicht nur ein Problem für ein paar Einzelhändler, das ist ein Problem für ganz Heilbronn.« In Zeiten wie diesen brauche die Innenstadt zusätzliche Unterstützung, anstatt durch weitere Einschränkungen mit zusätzlichen Problemen kämpfen zu müssen. Bis dahin gilt der Aufruf von Gauß an alle Heilbronner: »Lieber den lokalen Handel unterstützen als beim großen amerikanischen Online-Riesen zu bestellen.«