Er trat an, um zu gewinnen. Mit der Deutlichkeit des Ergebnisses hatte Julian Stipp aber nicht gerechnet. Mit 80 Prozent der Stimmen wurde der gebürtige Limbacher zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Er löst damit nach 16 Jahren Michael Jann ab. Stipp spricht mit MORITZ über seinen überragenden Erfolg und welche Pläne er für Mosbach hat.
Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Wahl. Wie fühlt es sich an, so deutlich zu gewinnen?
Es war tatsächlich überraschend deutlich, selbst im Vergleich zu meiner Bürgermeisterwahl 2016, wo ich mich mit fast 70 Prozent gegen neun Mitbewerber durchsetzen konnte. Das war schon eine Wucht. Richtig für mich realisiert, was da eigentlich passiert ist, habe ich auch erst in den Tagen danach. Ich empfinde großen Respekt und Demut vor diesem Ergebnis, weil es natürlich eine enorme Herausforderung bedeutet – eine, die ich sehr gerne annehme. Die Erwartungen sind groß, dessen bin ich mir bewusst. Ein so klares Votum gibt einem ein gutes Gefühl und ich glaube, es ist auch gut und wichtig für die Stadtgesellschaft insgesamt, dass es keine Spaltung gibt. Nichtsdestotrotz möchte ich aber auch Michael Jann für einen wirklich fairen Wahlkampf und das, was er in den letzten zwei Jahrzehnten für Mosbach geleistet hat, danken.
Wie erklären Sie sich die Deutlichkeit des Ergebnisses?
Es ist schwierig zu erklären, wenn man selbst der „Betroffene“ ist. Klar hat man gewisse Stimmungen auf der Straße und an den Haustüren in Mosbach wahrgenommen. Es herrschte eine große Neugierde, bei manchen war ein deutlicher Wechselwunsch zu erkennen. Aber Stimmungen sind noch lange keine Stimmen. Ich glaube, letztendlich war es eine Mischung aus verschiedenen Aspekten, die dann zu diesem für mich extrem erfreulichen Ergebnis geführt hat.
Wie hat sich der Wahlkampf für Sie gestaltet?
Zu Beginn des Jahres fiel ja meine Entscheidung, hier anzutreten, nachdem ich zuvor bereits mit dem Gedanken gespielt hatte. Dann geht es in eine intensive Vorbereitungsphase, die man ehrenamtlich neben dem eigentlich Hauptjob bestreitet – das ist ja auch alles recht zeitintensiv. Einer der wichtigsten Aspekte für mich war, eine Idee und ein Konzept für die Stadt zu entwickeln. Es ist ja wichtig, dass man eine Vision und eine Marschrichtung hat, wo man eine Stadt in Zukunft hinführen will. Ich kenne Mosbach seit frühesten Kindheitstagen, da ich ja aus der Region komme; trotzdem muss man sich für so eine Position nochmal ganz anders mit der Stadt beschäftigen.
Sie sind gebürtiger Limbacher, sind seit 2016 Bürgermeister von Salach – wie sind Sie dazu gekommen, für Mosbach zu kandidieren? Sprechen Orte, die auf „ach“ enden, Sie besonders an?
(lacht) Das ist mir noch gar nicht aufgefallen! Stimmt, merkwürdiger Zufall. Für das Amt in Salach wurde ich tatsächlich damals konkret vom damaligen Oberbürgermeister in Aalen angesprochen. Der Wahlkampf in Mosbach ist für mich als Limbacher eine gewisse Rückkehr in die Heimat. Ich habe mich hier immer wohlgefühlt, habe mir gleichzeitig immer mal wieder die Frage gestellt: Mensch, eine interessante Stadt mit vielen Chancen und Möglichkeiten – was würdest du denn hier kommunalpolitisch auf die Beine stellen? Das fand ich einfach spannend. Für mich ist es die Möglichkeit, meine Heimatregion mitzugestalten – das war dann auch ausschlaggebend für meine Motivation.
Können Sie uns etwas über Ihre Hintergründe verraten?
Ich habe nach dem Abitur Zivildienst in den Neckar-Odenwald-Kliniken am Standort Buchen gemacht. Anschließend habe ich in Mannheim Jura studiert, danach ging es ins Rechtsreferendariat am Landgericht in Heilbronn. Daneben betreibe ich seit 2009 auch Kommunalpolitik, ich war im Gemeinderat in Limbach, das Thema war mir immer schon sehr nah. Rechtswissenschaft ist ja von Themas Verwaltung auch nicht so weit weg, dazu kam dann die Lust, politisch etwas zu gestalten – das alles hat mich letzten Endes hierhin geführt.
Was sind die politischen Ziele und Ideen, die Sie für Mosbach haben?
Für Mosbach habe ich fünf Themenschwerpunkte benannt: Wohnen & Bauen, Umwelt & Mobilität, Bildung & Wirtschaft, Kultur & Soziales sowie das Thema Stadtgesellschaft. Gerade das Thema Wohnraum in Mosbach treibt mich herum. Hier gibt es viele soziale Gruppierungen, die um die gleiche Art von Wohnraum ringen, vor allem kleinerer und bezahlbarer Wohnraum. Ältere Menschen, die vielleicht nicht gerade die größte Rente haben, eine steigende Anzahl an Single-Haushalten, dazu kommen viele Studierende – all die brauchen irgendwo Wohnraum. Eine wichtige Aufgabe der Stadt wird es also sein, ganz aktiv an die Grundstückspolitik heranzugehen und den Wohnungsmarkt mitzugestalten. Dann haben wir die große Frage des Klimawandels, wir müssen die Verkehrswende hinbekommen – das Auto darf nicht mehr allein im Fokus stehen. Auch die Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger spielt dabei eine wichtige Rolle: wie funktioniert beispielsweise der Übergang vom Zug zu einem Carsharing-Angebot. Ein Thema, das mir im Wahlkampf immer wieder begegnet ist, sind die einzelnen Stadtteile, die sich in einigen Fällen nicht zwangsläufig ausreichend gesehen und wertgeschätzt fühlen. Das ist ein fragiles Gebilde, bei der eine Spaltung in der Stadtgesellschaft vermieden werden muss. Alle müssen fair und gleich behandelt werden und das Gefühl haben, dass sie und ihre Probleme gesehen und ernst genommen werden.
Welche weiteren Themen sind Ihnen im Wahlkampf von Mosbacherinnen und Mosbachern entgegengetragen worden?
Viele wünschen sich mehr Treffpunkte bzw. Räumlichkeiten, wo sich Menschen begegnen können. Grade nach Corona ist das eine Position, die immer wichtiger wird. Es ist auch der Wunsch artikuliert worden, dass die Aufenthaltsqualität in der Stadt und im Stadtpark angehoben werden sollte. Die Studierenden bewegt die Frage, wie sie in die Stadtgesellschaft einbezogen werden und welchen Erlebniswert Mosbach bieten kann. Auch das Thema Freizeitgestaltung treibt vor allem die jungen Menschen um.
Was sind die größten Stärken von Mosbach und was die größten Herausforderungen?
Mosbach ist eine absolut schöne, quirlige Fachwerkstadt mit einem tollen Charme. Man merkt, dass sich die Menschen hier sehr stark engagieren. Eine große Stärke ist mit Sicherheit auch der Standort der Dualen Hochschule, das bietet richtig Potenzial. Daraus resultieren dann aber auch die Herausforderungen, zum Beispiel dass man der Dualen Hochschule Perspektiven bietet und „Hochschulstadt“ nicht nur etwas ist, was auf den Ortseingangsschildern steht.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit benachbarten Gemeinden in der Region?
Eine sehr wichtige. Mosbach ist ja auch Mitglied eines Gemeindeverwaltungsverbandes und als größte Stadt des Neckar-Odenwald-Kreises müssen wir diesem Anspruch auch gerecht werden. Ein weiterer interessanter Punkt: Zwischen der kreisfreien Stadt Heilbronn und der kreisfreien Stadt Heidelberg gibt es nur zwei große Kreisstädte, das sind Neckarsulm und Mosbach. Ich finde, dieser Blick muss auch Richtung Heilbronn und auf die Achse Heilbronn/Heidelberg gehen – auch dort muss Mosbach seinen Part finden.
Wie sieht nun die weitere Übergangsphase aus, bevor Sie dann zum 1. September das Amt in Mosbach antreten?
Richtig stressig (lacht)! Ich bin sehr gerne Bürgermeister von Salach und möchte das Amt vollständig bis zum letzten Tag ausfüllen, da wir dort sehr große Projekte angeschoben haben – eine ehemalige Industriebrache, die ein Projekt der internationalen Bauausstellung geworden ist, das würde ich schon noch gerne in den nächsten Wochen weiter mitverfolgen. Gleichzeitig gibt es aber auch Themen und Termine in Mosbach, die mich bewegen werden. Im Wahlkampf habe ich viele Eindrücke genommen, nun soll es bereits um erste Details gehen, für die viele Menschen mit Wünschen und Anregungen auf mich zukommen. Es ist also ein Balanceakt – schlussendlich eine Menge Arbeit für mich, aber das ist ja auch gut so.
Wird sich auch Ihr Lebensmittelpunkt nach Mosbach verlagern?
Ja, es ist fest geplant, dass ich als Oberbürgermeister dann auch hierhin umziehen werde. Ich möchte in Mosbach wohnen, arbeiten und leben, das ist mir sehr wichtig. Da ich familiär ungebunden bin, kommt es da auch zu keinen Schwierigkeiten oder Konflikten.
Wo in Mosbach wird man künftig Julian Stipp bei seinem Feierabendbier antreffen?
(lacht) Einen konkreten Ort kann ich Ihnen noch nicht nennen, aber das wird es definitiv geben. Mir sind die persönlichen Treffen und Gespräche auch abseits des Politikalltags sehr wichtig. Nur so kann ein gemeinsames Miteinander und eine Stadtgesellschaft funktionieren und da freue ich mich schon sehr drauf.
Zu Besuch im MORITZ Verlag: Julian Stipp (m.) mit Redakteur David Gerhold (l.) und Geschäftsführer Ingo Eckert