Lang & Hüther
v.l. sonnenhofmitarbeiter erwin lang und neurowissenschaftler Prof.gerald Hüther beim besuch in göttingen
Über die Fachwelt hinaus ist der Neurowissenschaftler Prof. Gerald Hüther in aller Munde. Sein jüngstes Buch über Würde war für den Fachdienst im Sonnenhof Anlass, einen Besuch in dessen Göttinger Akademie für Potentialentfaltung abzustatten. Sonnenhofmitarbeiter und Kinaesthetics-Trainer Erwin Lang sprach mit dem Autor zunächst über menschliche Entwicklung. Ein Mensch, der in seiner kindlichen und jugendlichen Sozialisation sich nicht als Objekt, sondern als gleichwertiges Subjekt erfahren habe, sei gegenüber Verführungen und würdelosen Beziehungen weitgehend resistent, bleibe eher selbstbestimmt. Jedes Kind müsse also spüren, dass es um seiner selbst willen bedeutsam genug sei. Dass es bedingungslos geliebt werde. So einfach sei es, wir müssten es nur wollen, betonte Gerald Hüther. Im Mutterleib würden ausnahmslos alle Menschen einen idealen Zustand erleben: Einerseits eine enge Verbundenheit zur Mutter und andererseits das autonome, also selbsttätige Agieren und Wachsen. Im Leib der Mutter fände also eine erstmalige Grundlegung von Würde in uns Menschen statt. Würde werde uns Menschen also primär nicht durch ein Sollen oder ethisches Postulat normativ zugesprochen, vielmehr sei sie schon vom ersten Tag des Daseins an erfahrbar bzw. gegenwärtig. Sei das Kind auf der Welt, erlebe es ein mehr oder weniger an Würde. Im Bereich der Behindertenhilfe beziehungsweise in der Kinaesthetics, die sich im Sonnenhof immer mehr verbreite, so Lang, werde das Thema Würde unmittelbar aufgegriffen.
Denn im Vordergrund stünden nicht die Beeinträchtigungen, sondern die Qualität der Erfahrungen, die Menschen bei den vielgestaltigen Interaktionen machen würden. Das zentrale Thema des kinaesthetischen Ansatzes sei die Auseinandersetzung mit der eigenen Bewegung und der des Gegenübers, um nicht zuletzt für unbewusste Bewegungsmuster sensibler zu werden und neue Bewegungsvarianten zu entwickeln. Was ein gutes Angebot sei, komme wesentlich auf die Interaktionspartner an. Die Erfahrungen in der Kinaesthetics werden durch die Gedankengänge des emeritierten Professors gestützt. »Hohe Einigkeit besteht auch in der Sichtweise, dass Entwicklung bei jedem Menschen, ob schwerstmehrfach behindert oder hochbegabt, immer stattfindet«, berichtet Erwin Lang in Übereinstimmung mit Hüther. In der praktischen Arbeit mit Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf, so setzt er fort, gebe es beispielsweise Momente während eines Oberschenkel-Transfers, bei dem beide Interaktionspartner in tiefer Verbundenheit gleichzeitig Potentialentwicklung erleben würden. Auf diese Weise sei Würde erfahrbar, wie einst im Mutterleib. »Diese Momente haben eine besondere Magie. Weil die Energie laut Professor Hüther im Gehirn effektiver eingesetzt werden kann durch gezielte Bewegungen.« Manchmal sei es nur eine kleine Bewegung in eine andere Richtung, die den Unterschied mache. Für Kinaesthetics-Trainer Erwin Lang war der Besuch in Göttingen inspirierend: Der Austausch und dessen Transfer in den Alltag rege die Arbeit vieler seiner Kollegen an.
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