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Foto: Theater unter den Kuppeln
Statist bei Aida
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Foto: Theater unter den Kuppeln
Statist bei Aida
Was passiert eigentlich hinter den Kulissen einer Musicalproduktion? Wie fühlt es sich an, bei einem Stück auf der Bühne zu stehen? Diesen Fragen konnte MORITZ-Redakteur Christoph Schwärzler als Statist bei »Aida – Das Musical« im Theater unter den Kuppeln nachgehen.
In der Schule musste ich nicht, später bot sich nicht die Möglichkeit, aber jetzt packe ich die Gelegenheit beim Schopfe und betrete die Bretter, die die Welt bedeuten. Ich darf bei »Aida« mitspielen. Natürlich nicht in einer Hauptrolle, aber dafür in gleich drei Statistenrollen. Das Theater unter den Kuppeln in Leinfelden-Stetten ermöglicht es mir und das ganz ohne Proben. Um 18 Uhr treffe ich den angehenden Studenten Dennis Heise, der zehn Jahre Theatererfahrung hat und mich an diesem Abend durch meine Statisten-Premiere leitet. Er wird dafür sorgen, dass ich zur richtigen Zeit im richtigen Kostüm am richtigen Platz auf der Bühne stehe. Damit ich einen Überblick bekomme, drehen wir erst einmal eine Runde durch die Gänge hinter und unter der Bühne. Im ersten Moment sehe ich nur ein wahres Labyrinth aus Gängen, Treppen und Räumen und habe kurz das Bedürfnis, Brotkrumen zu streuen. »Das gibt sich recht schnell«, beruhigt mich Heise und lotst mich in die Garderobe, wo ich meine Kostüme verstaue. »Richte dich am besten gleich ordentlich ein«, rät er mir. »Wenn die Vorstellung läuft, kommst du sonst in Hektik.« Obwohl es noch zweieinhalb Stunden sind, bis es los geht, ist schon viel Betrieb, neben, hinter und unter der Freilichtbühne. Bis 20.30 Uhr gibt es auch für mich noch genug zu tun, sodass bei mir überhaupt kein Lampenfieber aufkommen kann.
Vorbereitungen
Vom Zuschauerraum aus beobachte ich, wie die Tänzerinnen ihre Positionen für die Spa-Szene einnehmen und von Sara Crouch Rymer, einer der Choreographinnen, letzte Anweisungen erhalten. Und schon sind wir an der Reihe und ich bekomme meine Standpositionen als Minister gezeigt. Weiter geht es zum Schminken, wo mir Patrizia Johnson erklärt, dass sie die Konturen in meinem Gesicht deshalb nachzieht, damit man auch von den hinteren Reihen aus noch ein Gesicht erkennen kann. Anschließend schmeiße ich mich in das erste Kostüm und nehme, wenn auch mit leichter Verspätung, am Einsingen teil. Das Ensemble macht Lockerungsübungen, singt sich durch verschiedene Tonkapriolen und Oktaven. Mir bleibt nichts anderes übrig als leise mitzubrummen. Zum Schluss stellen sich alle im Kreis auf, fassen sich an den Händen, stampfen mit den Füßen und stimmen sich so auf den Auftritt ein. »Jetzt geht es los«, warnt mich Heise. Und schon finde ich mich als Museumsbesucher gekleidet an einem der Bühneneingänge wieder. Falsch machen kann ich an sich nichts, hat er gesagt, »halte dich im Hintergrund und vor allem: Bleib in deiner Rolle«, ermahnt er mich. Ich werde es beherzigen.
It‘s Showtime
Der Gong schlägt drei Mal, ich nehme die Brille ab und betrete zum ersten Mal vor Zuschauern die Bühne. Dass ich, dank der fehlenden Brille, nicht alles ganz genau sehe, ist gut. Es hilft, das jetzt doch spürbare Lampenfieber zu senken. Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe und friere auf das Zeichen von Schauspieler Christoph Fickert hin meine Bewegungen ein. Die Szene vergeht so schnell, wie sie begonnen hat und wir verlassen die Bühne. Bis zu meinem nächsten Auftritt bleibt mir genug Zeit, um mich umzuziehen und das Stück einige Szenen lang mit den anderen wartenden Darstellern von der Seite aus zu verfolgen. Als dann die Luftschlangen ins Publikum fliegen, wird es für Heise und mich Zeit zur Bühne zu wetzen, wir haben unseren Auftritt als Minister. Vom hinteren Bühnenzugang aus betreten wir als in schwarz gekleidete Hofbeamte die Bühne. Meine Aufgabe: Dastehen und gefährlich aussehen. Das sollte machbar sein. Nächster Kostümwechsel. Jedes Mal wenn ich in die Garderobe komme, sieht es hier noch wilder aus. Überall türmen sich Kostümteile. Ich verwandle mich in einen nubischen Sklaven. »Denk daran, du kommst von einem harten Arbeitstag aus den Kupferminen und dir geht‘s richtig dreckig«, brieft mich Dennis Heise. »Wenn es dir nur schlecht ginge, wäre das schon eine richtige Verbesserung.«
Viel Bühnenzeit
Dank meiner drei Kostüme und des Einfallsreichtums meines Begleiters stehe ich mehr auf, als neben der Bühne. Ursprünglich sollte ich nur bei wenigen Szenen mitwirken, aber so bin ich, zumindest gefühlt, den größten Teil des Musicals aktiv dabei. Während der Vorstellung fällt Heise immer noch eine Szene ein, in der ich mitmachen könnte. »Dann kommst du eben als Minister mit« oder »mit den Sklavenklamotten könntest du auch ein Bettler auf dem Markt sein«, höre ich ihn sagen. »Du stehst ja mehr auf der Bühne als ich«, schmunzelt Darsteller Christoph Fickert beim Umziehen zwischen zwei Szenen. Die Stimmung unter den Schauspielern ist super, alle verstehen sich prima, blödeln beim Umziehen und in den Pausen herum. »Hoffentlich fängt es jetzt nicht an zu regnen«, witzelt eine Sklavin in der Pause. »Bisher hat sich ‚die Sonne Nubiens‘ immer als wahrer Regentanz erwiesen.« Wir haben Glück, es bleibt trocken. Doch zurück zum Stück: Ich speise als Minister beim Festbankett und brumme als Sklave beim Finale des ersten Akts »Die Sonne Nubiens« mit, ich feiere im zweiten Akt die Hochzeit von Radames und Amneris und höre im Gerichtsaal das Todesurteil gegen Radames und Aida, bis ich nach zwei Stunden im Epilog wieder als Museumsbesucher vor den Vitrinen stehe. Mit jedem Auftritt hat mir die Sache mehr Spaß gemacht und ich merke kaum, dass es schon spät und vor allem lausig kalt geworden ist. Beim Schlussapplaus stehe ich zwischen den anderen Darstellern und bemerke, dass ich sehr breit und sehr zufrieden grinse. Der Applaus hallt laut in meinen Ohren und ich kann auch bei der zweiten Applausrunde kaum genug davon bekommen. Als ich mich dann verabschiede, fragt Christoph Fickert halb im Scherz: »Dann sehen wir dich also jetzt öfter hier, oder?« Ich hätte eigentlich nicht übel Lust dazu.