Feinstaub Stuttgart
Stell dir vor es ist Feinstaubalarm und keinen interessiert es. Mitte Januar hat Stuttgart zum ersten Mal Feinstaubalarm ausgelöst und die Bürger aufgefordert, freiwillig auf das Auto zu verzichten. Erfolg hatte dieser Appell keinen. Kaum einer ließ das Auto stehen und die Feinstaubkonzentration in der Luft erreichte an allen Tagen des Nicht-Fahr-Gebotes gesudheitsgefährdende Dimensionen.
Es herrscht dicke Luft im Kessel – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Stuttgarter Innenstadt zwischen Marienplatz und Neckartor ächzt unter einer dicken Smog-Glocke und krebserregender Feinstaub gefährdet die Gesundheit seiner Bewohner. Darum hat die Landeshauptstadt Mitte Januar zum ersten Mal Feinstaub-Alarm ausgelöst und die Bürger dazu aufgerufen, freiwillig das Auto stehen und Kaminöfen auszulassen. Das hat allerdings erst recht zu dicker Luft geführt. Denn im ersten Anlauf ist der Feinstaubalarm ein Muster ohne Wert geblieben. Der Stuttgarter Verkehrsleitzentrale zufolge ist der Autoverkehr in der Stadt um lediglich drei Prozent zurückgegangen. Der EU-weite Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft wurde hingegen an sämtlichen Tagen des Feinstaubalarms deutlich überschritten – in der Spitze um das Dreifache.
Kaum einer lässt das Auto stehen
Darum herrscht jetzt erst recht dicke Luft in Stuttgart. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ist darüber verschnupft, dass sein Appell an das »Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger« auf taube Ohren gestoßen ist und droht »ordnungspolitische Maßnahmen« an. »Wir müssen in Stuttgart die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid einhalten, besser noch: deutlich unterschreiten – am besten freiwillig, notfalls unter Zwang«, so Kuhn. Ähnlich äußert sich Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): »Der Feinstaubalarm wird leider noch nicht ernst genug genommen.« Hermann fordert den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und das Bilden von Fahrgemeinschaften.
Das bringt natürlich Berufspendler und Menschen, die dringend auf das eigene Fahrzeug angewiesen sind, auf die Palme, die darin keine echten Alternativen sehen. Denn ein drastischer Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist im aktuellen Entwurf des Nahverkehrsplans nicht vorgesehen. Und die Menschen, die vor den Toren der Stadt wohnen und in der Stadt arbeiten, müssen die S-Bahnhöfe ja auch erst einmal erreichen. Dort stehen allerdings bereits jetzt nicht annähernd genug Park & Ride-Plätze zur Verfügung.
Und Umweltschützer sowie die Anwohner der vom Feinstaub am stärksten belasteten Ecken der Landeshauptstadt sind sowohl über Autofahrer verärgert, die sich nicht an das Nicht-Fahr-Gebot halten, als auch von der Politik enttäuscht, die die Maßnahmen nicht unter Zwang durchsetzt.
Stuttgart steckt in einem Dilemma
In Stuttgart steckt man also in einem echten Dilemma und guter Rat ist teuer. Die Luftbelastung muss reduzieren werden, da sonst Millionenstrafen von der EU drohen. Durch die Kessellage ist der Luftaustausch in der Stadt aber immer ungenügend und bei Inversionswetterlage kaum noch vorhanden. Außerdem ist der Autoverkehr, der in Stuttgart zu 45 Prozent am Feistaubaufkommen beteiligt ist, eben auch nur ein Teil des Problems. Private Haushalte, Industrie und Energieversorger blasen noch einmal die gleiche Menge der krebserregenden Mikropartikel in die Luft. Natürlich muss man irgendwo ansetzen und selbstverständlich muss jeder seinen Teil beitragen. Doch bei Überschreitung des Grenzwertes von weit mehr als 100 Prozent, wie am Neckartor bei Inversionswetterlage regelmäßig üblich, würde selbst eine komplett autofreie Innenstadt das Problem nicht lösen. Weiterführende Maßnahmen sind also dringend erforderlich – Lösungen aber leider (noch) nicht in Sicht.
Infos zum Feinstaubalarm
Seit Januar 2016 wird in Stuttgart Feinstaubalarm ausgelöst, sobald der Deutsche Wetterdienst (DWD) an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Tagen ein stark eingeschränktes Austauschvermögen der Atmosphäre prognostiziert. Ziel ist es, die Belastung der Luft mit den krebserrenden Mikropartikeln deutlich zu senken. Die EU gibt einen Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft vor. Dieser darf an maximal 35 Tagen überschritten werden, sonst drohen ab 2020 empfindliche Strafen. An der Messstation Neckartor wurde dieser Wert 2015 an 72 Tagen überschritten.