Foto: Stephen Bordeaux
Holger Kube Ventura
Über Konzerte, Ausstellungen und die Künstler wird viel geredet und geschrieben, doch die Menschen, die die Veranstaltungen auf die Beine stellen, kennen nur wenige. Das will MORITZ ändern. In einer unregelmäßigen Serie werden wir die Köpfe des regionalen Kulturbetriebes vorstellen. Den Anfang macht Holger Kube Ventura, Kunstvorstand der Kunsthalle Tübingen, der im März genau seit einem Jahr auf seinem Posten ist. Mit MORITZ-Redakteur Christoph Schwärzler sprach er über (regionale) Kunst sowie seine Schwerpunkte und zog eine Zwischenbilanz der vergangen zwölf Monate.
Welche Ausstellung haben Sie zuletzt besucht?
Das war zwar keine Ausstellung im eigentlichen Sinn, aber gestern zum Beispiel war ich auf der Art Karlsruhe. Da habe ich etwa 1.000 künstlerische Positionen gesehen.
Welche Künstler sind für Sie privat interessant? Welche Richtung sagt Ihnen besonders zu?
Grundsätzlich interessiere ich mich für alle Formen und alle Medien, dabei aber etwas weniger für abstrakte Richtungen und etwas mehr für Positionen, die sich mit gesellschaftlichen Themen beschäftigen und Bezüge zu einer Alltagswelt im weitesten Sinne herstellen. Ich will gar nicht sagen, dass das politische Positionen sind. Aber es sind oft Künstler, die sich einmischen wollen, die einen Kommentar geben wollen zu Themen, mit denen wir uns rumschlagen. Und wir, damit ist die Gesellschaft gemeint.
Ist es die Aufgabe des Künstlers, sich mit Politik und Gesellschaft auseinanderzusetzen?
Nein, nein, Künstler haben meiner Meinung nach gar keine Aufgaben. Künstler sollen machen was sie antreibt. Aber wenn Sie mich fragen, was mich am meisten interessiert, dann stimmt das so, wie ich es eben gesagt habe.
Sind Sie auch selbst künstlerisch tätig?
War ich mal. Da komme ich ursprünglich her, von der Fotografie, ich habe dann auch lange Jahre gemalt und Videos gemacht, aber das ist lange her.
Es gibt also in Zukunft keine Ausstellung mit Werken von Ihnen?
Nein, natürlich nicht. Dafür ist es bei mir auch nie professionell genug geworden. Aber ich weiß, was es bedeutet, Farbe anzureiben, zu zeichnen oder eben eine Videokamera zu bedienen. Es erlaubt einen anderen Blick auf Kunst, wenn man auch weiß, wie sie rein technisch oder von einem künstlerischen Vorhaben aus gesehen, entsteht.
Hilft Ihnen dieses Wissen ums Handwerk auch bei Ihrer Arbeit als Kurator, wenn sie beispielsweise eine Ausstellung planen?
Absolut. Ich weiß, was es bedeutet solche Sachen herzustellen und welche Fragen aufkommen, wenn man versucht, die geeignete Präsentation für ein Kunstwerk zu finden, das man selbst gemacht hat. Mir sind auch die, ich will nicht sagen Eitelkeiten, aber die Distanzlosigkeiten bekannt, die man als Autor eben haben kann, wenn es darum geht das eigene Werk zu präsentieren.
Sie sind jetzt vor ziemlich genau einem Jahr nach Tübingen gekommen. Den Schwaben wird ganz gerne nachgesagt, dass sie Leuten, die von Außerhalb kommen, gegenüber etwas reserviert auftreten. Sind Sie gut in Tübingen aufgenommen worden?
In der Stadt auf jeden Fall. Tübingen ist eine sehr freundliche Stadt, sehr weltoffen, sehr quirlig, sehr jung – und das gefällt mir gut.
Wie kam es dazu, dass Sie die Stelle in Tübingen bekommen haben?
Die Stelle war ausgeschrieben und ich habe mich einfach darauf beworben. Ich hatte keinerlei Flankenschutz, es gab niemanden der mich irgendwie empfohlen hat, oder so etwas. Es war ein ganz reguläres Verfahren.
Hatten Sie schon vorher mal Kontakt zur Kunsthalle?
Hatten Sie schon vorher mal Kontakt zur Kunsthalle?
Nein, bevor ich mich beworben habe, war ich nie in der Kunsthalle gewesen, tatsächlich war ich vorher sogar noch nie in Tübingen gewesen.
Wie fällt denn Ihre Bilanz für die vergangen zwölf Monate aus? Sind Sie zufrieden?
Das war eine Zeit, in der die Kunsthalle geschlossen war und wo ich genügend Zeit und Raum hatte, das kommende Programm intensiv vorzubereiten. Normalerweise fängt man in einer solchen Institution an und es gibt einen laufenden Betrieb. Da muss man parallel noch Teile des von jemand anderem geplanten Programms umsetzen, vielleicht auch Sachen, die man selbst nicht so richtig gut findet. Das war hier nicht der Fall. Es ist eine richtige Zäsur, die jetzt mit der neuen Ausstellung im März beginnt. Allerdings, das muss man eben auch sagen, in diesen zwölf Monaten hatte ich auch keine Erfolgserlebnisse, weil der Betrieb noch nicht lief und ich mir immer alles nur vorstellen und nach vorne planen konnte. Das ist gewissermaßen Arbeiten ohne Bodenhaftung, weil eben keine Ausstellung da steht, keine Leute kommen und es kein Feedback gibt. Deswegen freue ich mich jetzt auch sehr, dass es endlich los geht.
Die Kunsthalle war dreieinhalb Jahre geschlossen. Ist das Problemen beim Umbau geschuldet?
Ich war nicht die ganzen dreieinhalb Jahre dabei. Insofern kenne ich nicht alle Parameter, die da eine Rolle gespielt haben. Ich denke, es hat damit zu tun, dass ursprünglich kein neuer Anbau geplant war. Das hat sich erst im Laufe der Schließzeit oder der ersten Sanierungsphase ergeben, als überraschend noch ein zweiter Geldgeber eingestiegen ist. Und so hat sich diese lange Zeit dann addiert.
Wird es nach dieser langen Zeit schwierig werden, sich wieder als einer der Hotspots für Kunst in der Region zu etablieren oder ist der Ruf von früher noch so gut?
Beides, glaube ich. Einesteils sind dreieinhalb Jahre eine lange Zeit und gerade junge Leute, die vielleicht erst ein paar Semester in der Stadt sind, wissen gar nicht, dass es hier eine Kunsthalle gibt. Woher sollten sie das auch wissen? Sie waren nie da gewesen, man hörte nichts davon. Insofern ist für viele der Faden abgerissen oder überhaupt nicht erst da gewesen. Gleichzeitig sind aber natürlich die großen Erfolge der 80er und 90er Jahre für viele noch präsent. Davon wird ja auch gerne erzählt, von den Besucherschlangen und dem „Wunder von Tübingen“. Das ist halt so etwas wie ein Nimbus, der natürlich auch den Vorteil hat, dass die Kunsthalle Tübingen noch ein Name ist, an den man sich erinnert.
Was haben Sie für die Zukunft geplant?
Nach der Pilotausstellung „Kapitalströmung“ ist ein Projekt mit Shirin Neshat geplant, einer sehr berühmten iranischstämmigen Videokünstlerin. Mit ihr machen wir eine Einzelausstellung unter dem Titel „Frauen in Gesellschaft“. Das wird sicher spektakulär und wird sehr viele Leute nach Tübingen ziehen. Danach folgt eine weitere Einzelausstellung mit dem Künstler-Duo Andree Korpys und Markus Löffler, danach folgt wiederum ein Gruppenprojekt mit dem Titel „Pop Art im Kongo“.
Es klingt, als ob Sie den Schwerpunkt auf zeitgenössische Kunst legen statt beispielsweise die nächste Picasso-Ausstellung auf die Beine zu stellen.
Richtig, und dafür wurde ich auch auserwählt. Ich mache das, womit ich mich beworben habe. Etwas anderes könnte ich auch gar nicht. Selbst wenn ich es wollte, wäre ich nicht der Richtige, um eine Picasso-Ausstellung zu machen. Das wird es unter meiner Leitung also nicht geben.
Gibt es momentan spannende Künstler in der Region, wo sie sagen würden, da könnte man mal etwas machen?
Das ist absolut vorstellbar. Ich habe schon einige interessante Leute kennengelernt. Bei der Pilotausstellung im März ist auch ein Trio aus Stuttgart dabei, allerdings nur im Begleitprogramm in Form von Pop-up-Konzerten beziehungsweise einer Performance.
Sie haben Anglistik, Erziehungswissenschaften und Kunstgeschichte studiert. Hatten Sie von Anfang an die Absicht, später mal als Kurator zu arbeiten oder wollten Sie beruflich eigentlich ganz wo anders hin?
Ich sage immer ganz gerne, dass ich ein Allrounder bin. Weil ich alle Seiten des Kunstbetriebs kenne und oft die Spur gewechselt habe. Meine Biographie hat sich gewissermaßen ergeben. Ich hatte nicht von Anfang an vor, Kurator zu werden, oder Kunstwissenschaftler, oder Künstler. Es gab immer verschiedene Schwerpunkte.