Foto: Robert Winter
Megaloh
Die Beginner sind nach 13 Jahren wieder am Start. Am 23.11. spielen sie in der Stuttgarter Schleyerhalle - die ursprünglich geplante Porsche Arena war dem Andrang nicht gewachsen. Nun steht auch der Support: Megaloh wird das Publikum anheizen.
Flashback Frühjahr 2013. Megaloh veröffentlichte auf dem NESOLA-Label von Max Herre sein erstes Major-Album “Endlich Unendlich”. Es zeigte einen gereiften Mann im Widerstreit der Identitäten und Realitäten. Einen Berliner mit Wurzeln in Nigeria. Einen in jeder Hinsicht “echten” MC, gesegnet mit vielleicht mehr Talent als jeder andere in diesem Land, aber jeden Morgen schuften gehen bei UPS. Das war einzigartig und beeindruckte Kritiker wie Kollegen, langjährige Fans wie notorische Skeptiker. “Endlich Unendlich” ging in die Top 10 der deutschen Albumcharts. Megaloh arbeitete mit so unterschiedlichen Künstlern wie Seeed, Schwesta Ewa oder den Stieber Twins. Er spielte zahllose Konzerte, umjubelt auf dem Splash! Festival, unplugged mit Max Herre.
So hat sich der Moabiter in der deutschen Hip-Hop-Szene einen einzigartigen Status erarbeitet. Auf seine Musik können sich alle einigen. Die Rap-Connaisseure. Die Jungs am Block. Die hippen Mädchen. Und vor die ganz normalen Menschen, die nur zu gut nachvollziehen können, wenn Megaloh von der Knochenmühle der körperlichen Arbeit berichtet, von den damit einhergehenden Selbstzweifeln, von dem Gefühl, plötzlich der Vater anderer Menschen Kinder sein zu müssen. “Endlich Unendlich” veränderte Leben: seines und das vieler Hörer.
Dieser Rolle als Bezugsperson wird Megaloh mit “Regenmacher” erneut gerecht. Noch mehr aber paart er sie mit dem Drang, als MC zu wachsen. Er begreift Rap als narratives Vehikel, aber eben auch als Kunstform. “Mit diesem Album schließt sich für mich ein Kreis. Zu Beginn meiner Karriere stand vor allem der Anspruch an mich als Rapper. Bei ‘Endlich Unendlich’ ging es dann darum, meine Geschichte zu erzählen. Mit diesem Album bringe ich beide Aspekte zusammen.”
Das ist die wahre Stärke des Megaloh von 2015: dass er Geschichten nicht nur erzählt, sondern sie in unmittelbar mitreißende Musik zu übersetzen weiß. Dass er so unterschiedliche Feature-Gäste wie Max Herre, Joy Denalane, MoTrip, Jan Delay, den Sänger Maxim, Tua von Die Orsons, Patrice oder den Leipziger Dancehall-Don Trettmann auf einem Album zusammenbringen kann – und dennoch einen unverwechselbaren Sound schafft.
Aktuelles Album: Regenmacher
Geprägt ist “Regenmacher” zudem von einer Öffnung vom Privaten ins Politische. Besonders deutlich wird dies auf dem Song “Wohin”, der die omnipräsente Flüchtlingsthematik aus der Perspektive eines Migranten selbst beschreibt. “Es hat mittlerweile ja jeder eine Meinung in dieser Frage”, so Megaloh, dessen Mutter im Biafra-Krieg Ende der sechziger Jahre selbst zur Flüchtenden wurde. “Aber die wenigsten beschäftigen sich ernsthaft damit. Deswegen war mir wichtig, Position zu beziehen.” Der Songtitel sagt eigentlich alles – auch wenn das Leid letztlich unbeschreiblich bleibt.
Der Bezug zur spirituellen Heimat Afrika ist auch auf musikalischer Ebene spürbar. Unter die vertrauten Versatzstücke aus Jazz, Funk und Soul mischen sich immer wieder Samples aus Nigeria und Ghana. Darunter ist eine bislang unveröffentlichte Aufnahme der Afrobeat-Legende Tony Allen. “Als ich 2012 in Nigeria war, habe ich eine starke Verbundenheit gefühlt und viel Vertrautes wahrgenommen: Gerüche, Klänge, Stimmungen, aber auch Gefühle und Haltungen. Es hat sich mir plötzlich sehr viel erschlossen, obwohl ich nur so kurz da war. Deswegen wollte ich den Gedanken der Diaspora auf dem Album auch musikalisch umsetzen.”
Megalohs musikalischer Wegbegleiter Ghanaian Stallion, der – unterstützt von KAHEDI (Max Herre, Genetikk, Joy Denalane) und Farhot (Haftbefehl, Selah Sue, Patrice) – den Großteil des Albums produziert hat, geht noch einen Abstraktionslevel weiter: “Uns ging es generell um eine Fusion aus alten und modernen Elementen.” So treffen futuristische Trap-Beats auf melancholische Livebläser und von Hand eingespielte Samples.
Der Regenmacher schreitet stet nach vorne. Doch er tut es auf der Traditionslinie von James Brown, Fela Kuti, Nas, den Soulquarians und Kendrick Lamar. Selbst in den vermeintlichen Style-Momenten – und davon gibt es auf “Regenmacher” jede Menge – geht es um Kontext, um Verbindung, um Ausblick. Ein Moabiter Volkstribun mit globaler Perspektive. Ein Mann, der seine Identität daraus bezogen hat, dass ihm niemand eine geben wollte. Ein Künstler mit einer außergewöhnlichen Gabe, der keinen Hehl aus der ganz und gar gewöhnlichen Möglichkeit des Scheiterns macht – und seinen Mitmenschen dadurch Hoffnung bringt.
“Was ich an der Figur des Regenmachers immer faszinierend fand, ist, dass er aus aufgeklärter Sicht ganz natürlichen Parametern der Natur unterworfen ist. Dennoch hat er eine spezielle Macht, die sowohl im Glauben seiner Mitmenschen an ihn als auch in seinem eigenen Glauben an sich selbst liegt. So geht es mir in gewisser Weise als Künstler. Und so geht es allen anderen Menschen letztlich auch.”