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Johannes Oerding
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Johannes Oerding
Der Singer-Songwriter Johannes Oerding spielt am 31. Juli als Headliner auf dem Marktplatz-Open Air in Balingen. Unser Redakteur Thomas Moegen sprach mit dem Wahl-Hamburger über seine Texte, seine Fans, Urlaubserlebnisse und das Zuslassen von Emotionen.
MORITZ: Dein Album „Alles brennt“ kam im Januar 2015 raus. Wann kommt Deine nächste Scheibe?
Johannes Oerding: Im Moment nutze ich jede Pause zwischen den Live-Konzerten im Studio für die Arbeit an den Songs zum neuen Album, das vielleicht im April oder Mai 2017 erscheinet. Die Produktion eines Albums dauert schon zweieinhalb Jahre. Wir nehmen uns diese Zeit, damit es gut wird. Beim Komponieren kann ich jedes Instrument zumindest andeuten, für die richtig filigranen Dinge müssen dann richtige Musiker her (lacht). Meine Jungs eben, von denen jeder echt Mann seines Faches ist. Unsere Band ist seit neun Jahren wirklich ein eingeschworener Haufen und wir freuen uns, dass die gemeinsame Vision aufgeht und wir alle lange genug dabei geblieben sind und daran geglaubt haben. Wir ernten jetzt so ein bisschen, was wir all die Jahre gesät haben. 2015 waren wir zusammen 250 Tage auf Tour. Obwohl es natürlich auch manchmal Stress und Generve gibt, arbeiten wir respektvoll und auf Augenhöhe zusammen. Am Ende wollen wir ja alle Musik machen und eine gute Zeit haben.
MORITZ: Dein Album „Alles brennt“ von 2015 wurde zum Hit und mit Platin und Gold ausgezeichnet. Deine Auftritte sind meistens ausverkauft. Der Erfolgsdruck aus dem vergangen Jahr ist jetzt doch weg, oder?
Johannes Oerding: Ja, ich betrachte viele Dinge jetzt entspannter. Das Schöne ist, man hat jetzt auch die Chance, hin und wieder einfach auch mal „Nein“ zu sagen. Das ist ganz gut. Ich habe nicht das Gefühl, irgendwas zu verpassen, wenn ich mal was nicht mache. Als ich auf dem Weg war, mich zu etablieren, dachte ich, dass ich möglichst alles mitnehmen muss und alle Möglichkeiten ergreifen sollte, die sich mir boten. Ich habe jetzt einen guten Schub im Rücken und denke, egal, was passiert, es kann auf keinen Fall schief gehen.
MORITZ: Was war der Schlüssel zu Deinem/Euren Erfolg?
Johannes Oerding: Rückblickend kann man sagen, dass der musikalische Erfolg langsam gekommen, aber gesund und stetig und in kleinen Schritten gewachsen ist. Die Ziele konnten wir so immer ganz gut verpacken und diese „Reise“ besser verarbeiten. Schwieriger ist es, wenn man als Künstler von null auf hundert durch die Decke geht. Da kann man schon mal eher einen Knacks kriegen. Aber nach über mittlerweile 15 Jahren gibt es auch viele nette Leute dich rum, die dir mal einen Nackenschlag geben und sagen „he, komm mal wieder runter“.
MORITZ: Woher nimmst Du die Einfälle für Deine Texte?
Johannes Oerding: Songwriting darf kein Handwerk sein und es geht mir leichter von der Hand, wenn ich etwas selbst erlebt habe. Ich verarbeite viele Eindrücke und bin immer auf der Suche nach Lyrik und schönen Bildern. Ich liebe Hotels, weil ständig Menschen ein- und ausgehen, neue Gesichter auftauchen und Gespräche durch die Luft schwirren, die man mit einem Ohr immer mitkriegt. Wenn man über das Leben singt, muss man Teil der stetigen Veränderung sein. Wenn ich immer nur in meinen vier Wänden sitzen würde, könnte ich vielleicht meine fünf Probleme aufschreiben, aber das habe ich, glaube ich, schon getan. Man muss sich Input von der Straße holen, muss unter Leute und auf andere Konzerte gehen. Es ist wichtig, mit offenen Augen und Ohren durchs Leben wandeln. Ich wohne hier in Hamburg mittendrin und betreibe als Hobby eine Art Feldforschung bei Newcomern in kleinen Clubs oder Kollegen wie Lindenberg, Grönemeyer, Maffay oder Bourani. Die Hamburger Musikszene, vielleicht sogar die deutsche, ist recht überschaubar, wir sind gut vernetzt und treffen uns oft, denn irgendjemand spielt immer in der Stadt.
MORITZ: Wie gehst Du mit Deinem Bekanntheitsgrad um?
Johannes Oerding: Gerade im Internet kursiert sehr viel über mich. Über den Musiker Johannes Oerding und die ganzen Live-Geschichten wird sehr viel geschrieben, aber ich versuche auch, mir wenigstens ein bisschen Privat-Leben zu erhalten.
MORITZ: Wir möchten aber natürlich auch den Menschen Johannes Oerding kennen lernen.
Johannes Oerding (lacht, einladend): Ja, fragen Sie, fragen Sie!
MORITZ: Wo fühlst Du Dich wohler? Auf dem Land oder in der Großstadt?
Johannes Oerding: Ich bin zwar Dorfjunge durch und durch, aber ich konnte es eben dann auch kaum abwarten, irgendwann letztlich da auch raus zu kommen. Ich hatte schon immer irgendwie das Gefühl, unterwegs zu sein und ein bisschen mehr sehen zu wollen, als eben nur bis zum Ortsschild und nicht weiter. Da bin ich in meiner Familie eigentlich der Einzige (lacht), die anderen sind alle da geblieben. Es hat sich schon sehr, sehr früh abgezeichnet, dass ich immer gerne unterwegs war, immer auf der Straße, in Hotels, beim Camping oder im Urlaub. Das war immer mein Ding und ist eine Super-Voraussetzung für den Job, den ich heute mache. Mit der Band und Freunden, die mittlerweile wie eine Familie für mich sind, auf Tour zu sein, erzeugt so eine Art Klassenfahrtsgefühl.
MORITZ: Ist das ein Leben aus dem Koffer?
Johannes Oerding: Ich bin selten zu Hause. Wenn ich dann zu Hause bin, wird dann die Wäsche gewaschen, um den nächsten Koffer aufzufüllen. Trotzdem bin ich nach wie vor ein großer Familienmensch und freue mich immer, wenn ich in meine alte Heimat fahre und dort mittlerweile meine lieben Neffen, Nichten, Geschwister und alle anderen sehe. Es gibt ja genügend Anlässe, dass man dort vorbeischaut. Und wenn ich dann auf Tour bin, kommen mich ja auch alle besuchen. Die Familie bleibt für mich eines der höchsten Güter und besitzt für mich einen sehr hohen Stellenwert.
MORITZ: Entweder unterwegs oder bei der Familie in der Heimat? Was sagt Deine Freundin Ina dazu?
Johannes Oerding (lacht): Sie kommt aus einer ähnlich großen Familie wie ich. Von daher kennt sie das ja auch und sie ist genau so viel unterwegs wie ich. Beim Thema Familie haben wir dieselbe Sichtweise.
MORITZ: Ihr führt eine Art Fernbeziehung. Plant ihr, demnächst zusammen zu ziehen?
Johannes Oerding: So wie es jetzt ist, funktioniert es sehr, sehr gut. In unseren schnelllebigen Jobs kann man nichts planen. Und wieso sollten wir, wenn es gerade so gut läuft, denn etwas ändern? Wir lassen alles auf uns zu kommen.
MORITZ: Was lernt ihr voneinander?
Johannes Oerding: Wir sind zwar beide Musiker, aber jeder hat seine Steckenpferde. Textlich-inhaltlich und für TV-Auftritte gibt sie mir Tipps. Zu Live-Konzerten und dem Einsatz von Instrumenten habe ich Hinweise für sie. Ich glaube, es macht eine gute Beziehung aus, dass man den einen nicht mit seinen Sachen alleine lässt, sondern versucht, sich gegenseitig zu unterstützen.
MORITZ: Im Juli und August hast Du 20 Auftritte. Ist die Live-Tour Dein Urlaub?
Johannes Oerding: Ja, das kann man so sagen. Wenn alles steht und eingespielt ist, die Abläufe klar sind, ist es wirklich echt entspannend, unterwegs zu sein oder auch die Zeitlöcher zwischen den Konzerten zu genießen. Den letzten richtigen Urlaub hatte ich im Januar. Er war etwas ausgedehnter und größer, um mal den Kopf klar zu kriegen. Der nächste längere Urlaub wird es wieder in zwei Jahren sein, denn mein Kalender ist bis dahin rappelvoll.
MORITZ: Wo warst Du denn im letzten Urlaub?
Johannes Oerding: Ich war Backpacking in Thailand und Australien und bin einfach mal alleine losgelaufen. Das habe ich nämlich nach der Schule versäumt, als viele meiner Freunde Work and Travel gemacht haben. Damals habe ich gedacht, ich will jetzt Musik machen. Deswegen konnte ich das erst jetzt nachholen. Und warum nicht mal alleine Urlaub machen und schauen, was passiert? Das war eine gute Erfahrung, denn es waren viele Abenteuer dabei. Ein Fallschirmsprung, drei Tage und Nächte auf dem Boot übers Meer schippern oder mit einem Geländewagen durch den Dschungel. In so einem richtigen Jungsurlaub konnte ich auch Kindheitsträume wahr werden lassen. Da kam auch der alte Pfadfinder in mir durch und ich bin nach jedem Tag immer sofort eingeschlafen.
MORITZ: Deine Fans sind eher Frauen. Warum?
Johannes Oerding: Frauen entdecken die Musik zuerst und nehmen sie gut an und auf. Dann zwingen sie ihre Männer, mit zum Konzert zu kommen, aber nach einiger Zeit kommen die dann freiwillig mit. Das ist so derzeit die Entwicklung. Spaßeshalber spreche ich bei meinen Konzerten oft auch vom modernen Mann, der Gefühle auch zulässt und zu emotionaler Musik steht. Ich habe auch oft ein Problem damit, jemandem 1:1 meine Gefühle oder Stimmungen zu zeigen, aber lustiger weise kann ich mich vor vielen tausend Menschen auf die Bühne setzen und darüber singen. Jeder muss da für sich so eine Art Ventil finden, der eine zeigt es halt mehr als der andere. Und es wird immer Kerle mit harter Schale geben.
MORITZ: Was ist Deine Botschaft an die beiden Generationen, die jetzt so 20 bzw. 40 Jahre alt sind?
Johannes Oerding: Ich glaube, meine Generation war die, die relativ straight wusste, was sie wollte und nach dem Abi ging`s dann los. Ich weiß aber im Moment gar nicht, wie die ganz junge Generation so tickt. Ich habe immer das Gefühl, dass ist so die Generation Playstation, wo sich alles nur noch in der digitalen Welt abspielt. Wo da die Reise nochmal enden wird, da habe ich echt keine Ahnung. Mein Rat ist: Ab und zu mal das Handy beiseite zu legen und mit normalen Menschen sprechen. Und vielleicht auch Mädchen und Jungs kennenlernen, und zwar nicht nur über Chats, sondern vielleicht in einer ganz normalen Kneipe. Ich merke es ja manchmal auch bei mir. Man sitzt irgendwo zusammen mit Freunden und jeder hat sein Handy draußen und dann denke ich ,Mein Gott, was machen wir hier eigentlich?`. Ab und zu zwinge ich mich sogar, aufzustehen, obwohl ich schon fast eingeschlafen bin, um eine Zeile in das Handy einzutippen, bevor sie weg ist. Das wäre ja ärgerlich. Obwohl wir ja so die erste Generation sind, die damit aufgewachsen ist, bestimmt das oft zu sehr das Leben und wird mir manchmal oft zu viel.