In einer Zeit, in der Blogs, Social Media, Foren und Websites noch Zukunftsmusik waren, waren Fanzines in Subkulturen ein beliebtes Medium. Sie dienten dazu, Informationen zu verbreiten, sich auszutauschen und das Subkulturelle zu pflegen. Wirtschaftlichkeit spielte dabei oft nur eine eher untergeordnete Rolle.
Derartige Zeitschriften zeichnen sich nicht zuletzt durch ihre handgemachte und hochglänzende Optik aus. Allerdings kann gerade in einer Welt der ständig verfügbaren Digitalinformationen das unnachahmliche Selbermacher-Flair überzeugen. Bloß, wie erstellt man ein solches Zine?
1. Eine (kurze) Geschichte des Fanzines
Der Grund, warum Fanzines überhaupt aufkamen, ist schnell erklärt: Als sich in den 1930er Jahren erstmals so etwas wie ein Nischeninteresse kleiner Zielgruppen ausbildete, gab es nicht genügend finanzielle Anreize, um zu dem Thema passende professionelle Magazine (in den USA sogenannte Promags) auf den Markt zu bringen.
Wohl gab es damals schon Special-Interest-Zeitschriften – etwa das bereits seit 1902 ununterbrochen veröffentlichte US-Magazin Popular Mechanics. Allerdings war (und ist) die Zielgruppe für Fanzines nochmals deutlich kleiner.
Damals, in den 1930ern, war es das Thema Science-Fiction. Diese Hefte drehten sich vornehmlich um das, was man heute als Fan Fiction bezeichnen würde.
Ferner hatten die Zines einen Newsletter-Charakter, informierten also beispielsweise über Neuerscheinungen und brachten Rezensionen und Ähnliches.
Nannte man diese Magazine zunächst Fanmags oder Letterzines, brachte der Schachspieler und SciFi-Fan Russ Chauvenet 1940 den bis heute bekannten Begriff in seinem Fanzine Detours ins Spiel.
Nischige Themen für eine kleine Zielgruppe
Insbesondere, als sich nach dem Krieg immer mehr Jugend- und andere Subkulturen entwickelten, wuchsen Fanzines mit.
- politische Gegenkultur in den 1950ern und 1960ern
- die Punkrock-Szene in den 1970ern.
- die in den 1980ern explodierenden Genres und Sub-Genres des Metal
- Feminismus, Umwelt- und Friedensbewegung in den 1970ern und 1980ern
- frühe Gamer- und Hacker- sowie Rollenspiel-Kultur in den 1970ern und 1980ern
- Themen wie Skaten, Graffiti, Breakdancing, DJing und Rap bis in die frühen 1990er
- die elektronische Musik der 1980er und 1990er
Das alles waren typische Kulturen, in denen das Fanzine Erfolge feiern konnte. Je nach Land kamen häufig noch verschiedene Sportarten hinzu, die dort nicht dem Mainstream angehörten. Außerdem ziehen sich Fotografie, Film und Literatur (und hier speziell zu SciFi und Horror) und immer wieder soziale und politische Themen wie ein roter Faden durch die ganze Zine-Geschichte.
Häufig war ihre Anhängerschar zu klein, um für herkömmliche Magazinverlage interessant zu sein. Ebenfalls gab es politische bzw. gesellschaftliche Erwägungen: Themen, mit denen klassische Verlage nichts zu tun haben wollten – egal, wie groß die Zahl möglicher Leser tatsächlich war.
Ein Papierprodukt wird digital
Vor allem, als ab den 1970ern Fotokopierer immer leichter zugänglich wurden, bekamen Fanzines einen großen Schub: Schließlich wurde dadurch eines der größten (finanziellen) Hindernisse zum Vervielfältigen und Drucken beseitigt. Dieser Erfolg hielt noch bis weit in die 1990er an.
Doch wie bei so vielen anderen Themen endete der Höhenflug ebenfalls mit dem breitgesellschaftlichen Erfolg des Internets. Schon bevor das World Wide Web aufkam, hatten sich papierne Zines der Tech-Szene in die Welt der netzwerkbasierenden Newsgroups und Newsletter verlagert. Mit dem Erfolg von Heimcomputern und dem Internet geschah das zirka ab Mitte der 1990er auch in vielen anderen Szenen.
Das Fanzine an sich gibt es zwar nach wie vor. In der Masse handelt es sich jedoch um Web- bzw. E-Zines – also rein digital erstellte und verbreitete Magazine.
2. Analoge Fanzines im digitalen Zeitalter – wer soll so etwas kaufen?
Ein Fanzine zu erstellen, ist mit Arbeit verbunden. Nicht nur gilt es, sinnvolle Themen zusammenzutragen und daraus spannenden Content zu kreieren. Ebenso muss das Ganze zu einem Layout zusammengestellt werden.
Nicht zuletzt benötigt ein Fanzine wenigstens ein Mindestmaß an Grafiken und Ähnlichem – häufig selbstgezeichnet.
Dennoch sollten Sie hier nicht mit klassischen Begriffen von Wirtschaftlichkeit agieren. Die meisten Fanzines hatten und haben höchstens eine Auflage im niedrigen vierstelligen Bereich. Bei vielen besteht die einzige Kostenrückerstattung sogar in Form freiwilliger Spenden in beliebiger Höhe. Das bedeutet:
- Niemand wird mit einem Fanzine Geld verdienen und erst recht nicht reich werden. Häufig ist es sogar eher so, dass man draufzahlt.
- Das primäre Ziel ist es, die Mitglieder einer Interessengruppe zu einem spezifischen Thema zusammenzubringen, seine Meinung zu sagen und sich austauschen zu können – und darüber das Themengebiet voranzubringen.
Der Reiz eines Franzines
Schon immer waren Fanzines etwas Besonderes – ein Erzeugnis buchstäblich „von Fans für Fans“ ohne jegliche Filter und immer auf Augenhöhe.
Dabei spielt der Retro-Charme eine Rolle. Außerdem suchen viele Menschen in einer Welt, in der das Digitale unser Lesen nachhaltig verändert hat, wieder nach einer Rückbesinnung. Hier kommt dem gedruckten Fanzine eines zupass: Seine digitalen Pendants sind qualitativ oft kaum noch von professionell erstellten E-Magazinen, Blogs und Websites zu unterscheiden.
Das Unfertige, Amateurhafte und die nichtkommerzielle Optik sind dadurch völlig verlorengegangen. Je nach Szene gibt es zudem genügend Fans, die kein Interesse daran haben, ein Magazin auf einem Bildschirm zu lesen; sie wollen etwas „Handfestes“.
Gerade wenn man bedenkt, dass
- die digitalen Techniken das heutige Erstellen eines papiernen Zines deutlich erleichtern,
- die Verbreitung aufgrund des Internets ebenfalls einfacher geworden ist und
- Fanzines schon immer nur für einige Hundert oder wenige Tausend Menschen gedacht waren,
kann ein modernes Druck-Zine durchaus auf einen kleinen Erfolg hoffen.
3. Fanzines erstellen und herausgeben – nicht mehr so schwierig wie einst
Wer früher ein Fanzine erstellen wollte, der musste nicht nur die meisten Positionen eines professionellen Redaktionsteams in Eigenregie ausüben.
Er musste außerdem mit Schreibmaschine, Schere, Stift und Klebstoff alles in mühevoller, zeitraubender und analoger Kleinarbeit bewerkstelligen.
Zwar könnte es heute ebenso funktionieren. Dank diverser digitaler Helfer kann es jedoch ein leichteres Unterfangen werden, ohne dabei an Charme einzubüßen.
Das Thema
Der Inhalt Ihres Franzines sollte ein Thema sein,
- das Sie aus persönlichen Gründen interessiert,
- in dem Sie sich gut bis sehr gut auskennen und
- es bislang eine nicht ausreichende mediale Abdeckung gibt.
Ende 2021 etwa entstand das no!pop : mag. in gedruckter Form. Ein Zine, das explizit „Bands und Kulturschaffenden im Raum Osnabrück, Münster, Bielefeld und in den umliegenden ländlichen Orten eine Plattform“ bieten soll. Etwas Vergleichbares wäre vielleicht ebenso für die Moritz-Regionen Stuttgart, Tübingen und Co. denkbar.
Erlaubt ist jedes Thema, von dem der Ersteller weiß, dass es wenigstens eine Handvoll Gleichgesinnte gibt. Speziell, wenn ein regionaler Touch integriert wird, kann das gelingen. Zuvor empfiehlt es sich, nach thematisch ähnlichen Zines zu suchen, um Überschneidungen zu verhindern.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang ebenfalls, sich zum Konzept Gedanken zu machen:
- Wie soll das Fanzine heißen?
- Soll es in jeder Ausgabe Konstanten geben, etwa bestimmte Rubriken?
- Welche konkreten Inhalte sollten vermittelt werden?
- Welcher Look wird angestrebt?
- Wie oft soll das Mag erscheinen?
- Was darf es in Sachen Zeit und Euros kosten?
Herkömmliche Magazine mögen professionell sein. Dennoch eignen sich solche Erzeugnisse aus einer ähnlichen thematischen Richtung sehr gut, um sich speziell als völliger Publishing-Neuling einen guten Überblick zur Herangehensweise zu verschaffen.
Ein Fanzine muss (und sollte) nicht aussehen wie ein Promag. Aber da es sich ebenfalls um ein Presseerzeugnis handelt, gibt es definitiv Parallelen, die genutzt werden dürfen.
Die Software
Nach wie vor ist es möglich, ein Zine analog zu erstellen. Wer es sich vereinfachen will, sollte zumindest einen Teil des Gestaltungsprozesses am Computer durchführen. Im Prinzip genügt es bereits, mit einem Open-Source-Schreibprogramm zu arbeiten – oder eben den kommerziellen Gegenstücken. Allerdings ist es mit diesen Programmen so eine Sache:
Zwar können Sie mit ihnen in Bild und Schrift layouten, allerdings sind diese Programme eben nicht auf das sogenannte Desktop Publishing hin optimiert. Sie machen die Arbeit also vielfach schwierig.
Das führt uns zu Desktop Publishing Softwares. Hier gibt es ebenfalls nichtkommerzielle und quelloffene Alternativen. Solche Softwares gestatten es, das Magazin in Form eines Grundgerüsts zu erstellen, das dann für jede Ausgabe nur noch mit Content gefüllt werden muss.
Übrigens: Wir empfehlen, jede fertiggestellte Ausgabe als PDF zu speichern. In vielen anderen Formaten kann sich beim Öffnen auf unterschiedlichen Endgeräten das Layout verschieben.
Das Schreiben an sich
Ausnahmen wie manche Fotografie-Fanzines bestätigen eine Regel: Ein Großteil des Fanzine-Contents ist schriftlicher Natur. Was sollte ein Fanzine diesbezüglich bieten?
- Das sprachliche Niveau sollte sich auf Augenhöhe mit dem Editor und seiner Zielgruppe befinden. Daher darf gerne im Rahmen der Szene umgangssprachlich geschrieben werden. Eine große Stärke von Fanzines, sie können hier deutlich flexibler sein als die meisten Promags.
- Es sollten die Grundregeln des guten Schreibens eingehalten werden. Etwa gleichbleibende grammatikalische Zeiträume oder keine vielzeiligen Schachtelsätze.
- Die Rechtschreibung sollte sich auf einem guten Level befinden. Außerdem sollte jeder Artikel gegengelesen werden, um Dopplungen, Weglassungen und Buchstabendreher zu korrigieren.
Niemand erwartet von einem Fanzine, so zu klingen wie ein professionelles Special-Interest-Magazin. Außerdem wird jeder Texter-Neuling erst mit der Zeit seinen eigenen Stil finden. Dennoch sollte zumindest für die erste Ausgabe eine unvoreingenommene Person das Heft lesen und sagen, ob sie alles versteht und flüssig lesen kann.
Die grafische Gestaltung
Die Desktop Publishing Software wird das Layouten sehr vereinfachen. Doch selbst, wenn das Zine in ganz klassischer Manier voller Fan Fiction und ähnlicher Kurzgeschichten steckt, so benötigt wenigstens die Titelseite irgendeine Form von Grafik – selbst, wenn sie bei jeder Ausgabe gleichbleibt. Außerdem soll es für den Magazintitel auf der Vorderseite und eventuell die Überschriften der Kategorien ebenfalls gleichbleibende Schriftarten geben.
- Der wichtigste Rat: Bei allem, was von Dritten stammt, ist Vorsicht geboten. Es ist mittlerweile leicht, versehentlich eine Urheberrechtsverletzung zu begehen. Zumal ein Fanzine ein kommerzielles, redaktionelles Produkt ist – das wirkt nochmals verschärfend.
- Ähnliche Vorsicht gilt beim Thema Schriftarten. Es gibt viele Fonts zum freien Download. Jedoch bedeutet das nicht automatisch, jeder davon sei für eine kommerzielle Nutzung freigegeben.
Wichtig: Ebenfalls ist ein Fanzine ganz offiziell ein Presseerzeugnis und unterliegt somit einer Impressumspflicht – sonst kann es saftige Bußgelder geben.
Abseits dieser trockenen rechtlichen Themen zur grafischen Gestaltung gilt: Je persönlicher, desto besser. Ein Fanzine lebt von einem Look, der nicht der Masse entspricht. Eigene Fotos (etwa von Veranstaltungen) und Zeichnungen sind deshalb immer gegenüber allen anderen Medien zu bevorzugen.
Falls es das Mag sowohl gedruckt als auch in einer E-Zine-Version gibt, können dazu ebenso QR-Codes gehören. Beispielsweise, um die Leser zu einem Ordner mit Konzertfotos zu leiten, die aus Platzgründen im gedruckten Heft nicht unterzubringen waren.
Ganz grob lässt sich hierzu folgendes sagen: Thematisch dicht an der Szene zu sein, einen authentischen Look zu haben, ist bei einem Fanzine ein gutes Stück wichtiger als ein feinabgestimmt perfekter Look.
Das Drucken
Wie kommt das Fanzine zu Papier und in diesem Format unter die Leute? Dafür gibt es primär drei Möglichkeiten:
- Zuhause ausdrucken: Das ist die „persönlichste“ Herangehensweise. Das meist nur A4 betragende Maximalformat ist nicht schlimm, die wenigsten Fanzines sind größer als A5 oder eben A4. Problemtisch ist dagegen der meist hohe Preis pro Stück. Extrem ist er bei Tintenstrahldruckern, selbst Laserdrucker sind teuer. Zudem ist keines dieser Geräte schnell.
- Am Kopierer ausdrucken: Dank Copyshops nach wie vor eine gängige Methode. Der typische „Kopierer-Look“ der alten Fanzines lässt sich jedoch mit heutigen Geräten nicht reproduzieren. Dafür sind sie einfach technisch zu gut. Wohl aber ist diese Methode in Sachen Zeit und Kosten dem heimischen Drucken deutlich überlegen.
- Vom Druckdienstleister machen lassen: Das klingt mitunter schon zu professionell und kompliziert – allerdings nur in der Theorie. In der Praxis gibt es allein bei uns in Stuttgart eine Menge Anlaufstellen dafür. So ist es mit wenigen Klicks möglich, den passenden Dienstleister zu finden.
Preislich kann das Ganze je nach Stückzahl und Verhandlungsgeschick dank oft digitaler Druckmethoden auf einem ähnlichen Niveau wie im Copyshop liegen.
Jedoch: Der Dienstleister kann unter anderem dabei helfen, einen Retro-Look zu kreieren. Außerdem wird das Mag fertig gebunden geliefert, das spart Arbeit.
Letztendlich kommt es hier abermals darauf an, wie viel Zeit, Geld und Aufwand investiert werden sollen.
Die Vermarktung
Das Fanzine ist fertig – aber außer dem Editor hat noch niemand etwas davon gehört. In diesem Fall kommen die Kontakte zur Szene ins Spiel, sprich
- Veranstaltungen,
- szeneinterne Bekannte,
- Szene-Shops,
- Foren,
- Social-Media-Gruppen.
Das sind typische Anlaufstellen, an die Sie sich wenden sollten. Sicherlich reichlich teuer, dafür hochwirksam wäre es, die erste Ausgabe (zumindest teilweise) in Form kostenloser Probeexemplare zu verteilen.
Sowieso wird es typischerweise auf ein Abonnement oder ein Versenden auf Bestellung hinauslaufen. So war es bereits bei den Fanzines der früheren Zeiten.
Wichtig: Natürlich ist bei diesem Unterfangen das steuerrechtliche Thema zu beachten. Das Mindeste wird eine Anmeldung nach der baden-württembergischen Kleinunternehmerregelung sein.
Die Collaborations
Einige langjährige Fanzines wurden und werden von einer einzigen Person erstellt.
In solchen Fällen läuft die Sache aber schnell auf eine Art zweiten Vollzeitjob hinaus. Viel Zeit für anderes bleibt dann nicht – höchstens, wenn das Mag nur im Quartalsturnus erscheint.
Allerdings ist es Praxis, unter anderem Leser zu Co-Editoren zu machen. Ferner gibt es vielleicht Größen aus der Szene, die ebenfalls nicht abgeneigt wären, das eine oder andere Wort beizutragen. Nicht zuletzt gibt es vielleicht Grafikkünstler, für die eine solche Kollaboration das perfekte Beispiel für eine Win-Win-Situation wäre.
Ein guter Chef seines eigenen Fanzines sollte immer versuchen, solche Menschen zu finden und mit ins Boot zu nehmen. Beileibe nicht nur, um den persönlichen Workload zu reduzieren, sondern ebenso, um dem Mag mehr Tiefe und Facettenreichtum zu verleihen.
4. Zusammenfassung und Fazit
Es mag aus der Zeit gefallen wirken, ein Fanzine vorzubereiten. Ein Magazin, das vielleicht nur von ein paar Hundert Menschen gelesen werden wird – wenn überhaupt. Doch gerade, weil es selbst in den extremen Nischen von Subkulturen, Musik und Hobby heute so vieles online gibt, kann ein Fanzine aus Papier so manchen mitnehmen.