Seifenkistenrennen
Am ersten Juli-Wochenende dröhnen in Silverstone die Motoren und Sebastian Vettel & Co. fahren um den großen Preis von England. In Würtingen, am Rande der Schwäbischen Alb, geht es zwar leiser, aber auch rasant zur Sache: Mit bis zu 80 Stundenkilometern rauschen dann Seifenkisten die Strecke hinunter, um den deutschen Meister im Speed-Down zu ermitteln. Es winken Ruhm, Ehre und ein ordentlicher Adrenalin-Kick.
Das Kind im Manne – ja, diese Phrase kommt nicht von ungefähr. Mal ehrlich, welcher Kerl spielt denn nicht gerne? Und wenn es um Autos geht, dann setzen bei so manchem Y-Chromosomträger die Synapsen aus. Es gibt wohl keinen Vater auf dieser Welt, der nicht selbst schon einmal sich auf Juniors Bobby-Car gesetzt und damit ein paar Runden gedreht hat. Und es gibt auch eine ungezählte Anzahl derer, die schon mal an einer Seifenkiste rumgeschraubt und diese bemalt haben. Ja, ja, Spielzeuge, Autos und Männer – das ist seit jeher eine recht explosive Mischung.
In St. Johann auf der Schwäbischen Alb erreicht diese Mischung ihren Siedepunkt. Denn dort stürzen sich gestandene Kerle auf »getunten« Bobbycars und in Seifenkisten einen Abhang hinunter. Dort suchen sie den besonderen Adrenalin-Kick. Der Soifa-Bobby-Club (SBC) veranstaltet dort Jahr für Jahr Seifenkistenrennen, dieses Jahr kommen gar die Deutschen Meisterschaften dazu.
»Bis ins Ziel brauchen die Schnellsten um die 50 Sekunden«, erzählt Michael Kuhm, Vorsitzender des Soifa-Bobby-Clubs St. Johann (SBC). 838 Meter Länge, etwa 60 Meter Höhenunterschied, im Durchschnitt 10 Prozent Gefälle, eine Haarnadelkurve und Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern – das sind die Eck-Daten des kurvigen Kurses. »Vom Mond Ra«, heißt die Strecke, die es am 4. und 5. Juli in Würtingen zu bezwingen gilt. Den eigenen Filius würde hier wohl kaum einer ungeübt diese Strecke hinunterschicken. Denn bei all dem Spaß, ungefährlich ist das Unterfangen beileibe nicht. Nicht umsonst treten die Fahrer wie echte Rennpiloten in Lederkombi und mit Sturzhelm an den Start. Die Strecke wird mit bis zu 2.500 Reifen gesichert, der Kurs wird von der DEKRA abgenommen.
Zittern und Dauergrinsen
Spaß muss sein, aber (möglichst) sicher muss er sein. Schließlich geht es auch um einiges. Große Preisgelder sind nicht zu holen. Dafür aber »Ruhm und Ehre und eine ordentliche Portion Adrenalin«, sagt Horst Kietsch, der stellvertretende Vorsitzende des Soifa-Bobby-Clubs. »Auf der Strecke geht das Adrenalin hoch«, schwärmt er weiter. »Im Ziel bekommt man zwar dann das Zittern, aber das Dauergrinsen bleibt den ganzen Tag auf dem Gesicht.«
Es verwundert auch kaum jemanden, dass die Gefährte, die hier den Berg hinuntersausen, nicht viel mit dem gemein haben, was man im Spielwarenfachgeschäft um die Ecke kaufen kann. »Rund 100 Stunden steckt man schnell rein, bis so eine Seifenkiste fertig ist«, erklärt Kuhm. »Und wirklich fertig ist man eigentlich nie.« Über die Jahre hat der gelernte Industriemechaniker einige Gefährte auf die Räder gestellt. »Jeder mit etwas handwerklichem Geschick kann sich so ein Teil basteln«, sagt er. Das Basteln ist der zweite große Grund, um mit dem Sport anzufangen. »Ein Fahrzeug zu bauen, das funktioniert, und das Tüfteln an sich sind schon ein großer Reiz«, bestätigt Kietsch. In der Szene wird mit Carbon, Aluminium und Magnesium hantiert. Auch Teile aus dem 3D-Drucker sieht man. »Ein Fahrer aus Erfurt verbaute auch schon einen Trabantkotflügel«, erinnern sich die beiden. Natürlich lassen es sich auch die beiden Vorsitzenden nicht nehmen, selbst an den Start zu gehen. Kietsch fährt ein Dreirad mit Neigetechnik, Kuhm stürzt sich mit einem modifizierten Bobbycar den Berg hinunter. »Wir gehören auch zum verrückten Teil der Truppe«, erzählt der Vorsitzende lachend, »solche Kerle wie wir haben zwar einen CW-Wert wie eine Schrankwand, aber wir können mit sehr hohen Geschwindigkeiten in die Kurven fahren und das ist schon spektakulär.« In der Schikane verdampft dann schon einmal das eine oder andere Stück Gummi und die Plastikräder der Bobbycars müssen Federn lassen. Doch auch das kann das Kind im Manne nicht ausbremsen. Im Gegenteil. Denn dann gehen die Bastelei und der Spaß wieder von vorne los.
Deutsche Speed-Down Meisterschaften
Sa. 4. und So. 5. Juli, St. Johann-Würtingen www.soifa-bobby-club.de