Auch Odenwald und Kraichgau waren 2022 von politischen Entscheidungen, Herausforderungen und Überraschungen geprägt. Im Gespräch mit MORITZ-Redakteur David Gerhold blicken die (Ober-)Bürgemeister von Mosbach, Sinsheim, Buchen und Eberbach auf ein bewegtes Jahr zurück und schauen auf 2022.
Julian Stipp, Oberbürgermeister Mosbach:
2022 war das Jahr Ihrer Wahl. Wie waren Ihre ersten Monate als Mosbacher Oberbürgermeister?
Die Zeit war sehr intensiv und interessant. Es gab zahlreiche neue Themen, Begegnungen und Entscheidungen, die zügig zu treffen waren.
Wie wurden Sie von den Mosbacherinnen und Mosbachern angenommen?
Ich fühle mich gut in der Stadtgesellschaft aufgenommen. Die Begegnungen sind von Offenheit und wertschätzendem Interesse geprägt. Zudem kann ich auf ein kompetentes und engagiertes Rathaus-Team bauen.
Was haben Sie als größte politische Herausforderungen wahrgenommen?
Die ersten Tage waren davon geprägt, zügig Entscheidungen bei unserem Kultur- und Tagungszentrum „Alte Mälzerei“ zu treffen. Ich denke, es ist unserem Team rund um Interimsgeschäftsführer Fabian Weiß gelungen, die Einrichtung wieder in ruhigere Fahrwasser zu lenken. Unabhängig davon bleiben die großen Themen unserer Zeit – vor allem die Energiekosten treiben die Menschen derzeit um. Ich bin froh, dass unsere Stadtwerke durch eine umsichtige Einkaufspolitik und gute Kommunikation zumindest extreme Härten abmildern konnten.
Welche Themen haben für Mosbach in diesem Jahr eine besonders wichtige Rolle gespielt?
Natürlich war die OB-Wahl in diesem Jahr in Mosbach ein großes Thema. Zudem finden in der gesamten Stadt derzeit intensive Bautätigkeiten statt, die wir als Verwaltung eng begleiten. Mit dem Integrationsplan treiben wir die Grundlagen für ein Mosbach voran, das allen Menschen Heimat bietet. Auch die Diskussionen um die „Alte Mälzerei“ haben sehr schnell ein entschiedenes Handeln erfordert.
Welche Ziele haben Sie für 2023?
Intern werden wir die Verwaltung an einigen Stellen neu aufstellen, um die anstehenden Aufgaben noch gezielter anzugehen. Wir hoffen, dass wir im Jahr 2023 in ein neues Sanierungsgebiet „Obertor“ aufgenommen werden, um die städtebauliche Entwicklung an zentraler Stelle auch im Hinblick auf die Entwicklung der Dualen Hochschule entschieden vorantreiben zu können. Wichtig bleiben die zahlreichen baulichen Projekte in allen Stadtteilen, die maßgebend zur weiteren sozialen und öko
Jörg Albrecht, Oberbürgermeister Sinsheim
Welche Themen haben Sinsheim 2022 besonders beschäftigt?
Insbesondere zu Jahresbeginn waren die anhaltende Corona-Pandemie und ihre nachhaltigen wirtschaftlichen Folgen weiterhin wichtige Themen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine, der Krieg und seine Folgen haben die angespannte wirtschaftliche Lage natürlich noch verstärkt. Nicht weniger schwerwiegend war und ist aber selbstverständlich die mit dem Krieg einhergehende humanitäre Katastrophe. Auch in Sinsheim haben wir Hilfsgütertransporte organisiert und uns um die Unterbringung Geflüchteter gekümmert, immer im engen Austausch mit Behörden und der Ukraine-Hilfe Sinsheim, die die Stadt unterstützt. Die Energiekrise und ihre Folgen treibt uns natürlich auch in Sinsheim um. Dennoch ist es uns gelungen, wichtige städtische Projekte weiter voranzutreiben, dazu gehören insbesondere die Sanierung der Kraichgau Realschule, der Plan des Feuerwehrgerätehauses und der weitere Kindergartenausbau. So konnten wir im Sommer offiziell die Eröffnung des Kindergartens Südstadtpiraten feiern. Zu den erfreulichen Themen des Jahres gehören sicher die traditionellen Feste, die wir nach der langen Coronapause wieder feiern durften. Fohlenmarkt, Stadtfest, Sinsheimer Herbst und unser Weihnachtsmarkt haben wieder zahlreiche Besucher nach Sinsheim gelockt und uns schöne Stunden und Begegnungen beschert.
Was war Ihnen persönlich dabei besonders wichtig?
Persönlich liegt mir der Zusammenhalt in unserer Stadt und unserer Gesellschaft besonders am Herzen. Das große Ziel ist es, zur Normalität zurückzukehren.
Inwieweit spielte das Thema Klimaschutz in diesem Jahr eine Rolle in Sinsheim?
Klimaschutz ist für die Stadt Sinsheim schon seit Jahren ein Schlüsselthema. Bereits lange vor Ausbruch der aktuellen Krise hat die Stadt wesentliche Maßnahmen ergriffen. Der Schutz der Umwelt war dabei ebenso ein wesentlicher Aspekt wie das sich aus den Maßnahmen ergebende Einsparpotenzial. Die Straßenbeleuchtung wurde bereits in Teilen auf LED umgerüstet, Gebäude wurden energetisch saniert, öffentliche Gebäude wie die Carl-Orff-Schule, die Dr.-Sieber-Halle, das Rathaus und das Freibad an das Fernwärmenetz angeschlossen, und auf öffentlichen Dachflächen wurden Photovoltaikanlagen installiert, so zuletzt auf dem Dach des neuen Kindergartens Südstadtpiraten. Die Stadt hat weitere Maßnahmen eingeleitet und weitere Schritte geprüft. Insbesondere beim Thema Heizen bietet das Senken der Solltemperatur in Gebäuden auf 19 Grad Celsius ein immenses Einsparpotenzial. Lüftungsanlagen werden auf ein minimal notwendiges Maß reduziert. Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung im Oktober beschlossen, die nächtliche Straßenbeleuchtung von 1:00 bis 4:00 Uhr nachts abzuschalten. Von Einsetzen der Dämmerung am Abend bis 1:00 Uhr sowie von 4:00 Uhr bis zur Morgendämmerung gilt halbe Beleuchtungsstärke. Klimaschutz geht uns alle an. Nicht erst seit diesem Jahr, wobei die Brisanz 2022 sicher noch einmal deutlicher in den Fokus gerückt ist.
Was waren die größten Herausforderungen 2022 für Sie?
Die großen Themen des Jahres brachten die größten Herausforderungen mit sich: Ukraine-Krieg (humanitäre Hilfe, Unterbringung und Unterstützung für Geflüchtete), Energiekrise, Inflation und städtische Haushaltsplanungen in angespannter wirtschaftlicher Situation werden uns auch über den Jahreswechsel hinaus beschäftigen. An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, einen ausdrücklichen Dank an alle Bürgerinnen und Bürger Sinsheims, an die Mitarbeitenden der Stadt und den Gemeinderat für das Verständnis und die anhaltende Unterstützung auszusprechen. Gemeinsam und im gegenseitigen Zusammenhalt lassen sich die Herausforderungen der aktuellen Zeit bewältigen.
Welche Entwicklungen sehen Sie für die Stadt im kommenden Jahr?
2023 wird sich sicher weiter herausfordernd gestalten. Entscheidend wird sein, wie sich die weltpolitische Lage entwickelt. Wir fahren auf Sicht und planen weiterhin mit der gebotenen Vorsicht ohne die Zuversicht zu verlieren, um unsere Stadt auch zukünftig nachhaltig weiterzuentwickeln.
Roland Burger, Bürgermeister Buchen
Wie hat sich das Jahr 2022 für Buchen dargestellt?
Seit Ende Februar durchlebt unser Land eine „Zeitenwende“. Wir sind unverhofft von einer Krise in die nächste „geschlittert“: Zu Corona kamen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Fortsetzung der Lieferketten-Problematik, die Energiekrise, die Inflation und steigende Zinsen. Mit dem Ergebnis, dass weltweit Menschen und auch Teile der deutschen Bevölkerung mittlerweile in Sorge um ihr tägliches Auskommen leben. So geht nun auch in Buchen ein erneut von weltweiten Krisen geprägtes Jahr zu Ende, ein Jahr, das auch uns in Deutschland die Zerbrechlichkeit von vermeintlichen Sicherheiten gezeigt und einiges abverlangt hat. Insbesondere aufgrund des Ukrainekrieges sind die Flüchtlingszahlen stark angestiegen. Aktuell leben rd. 350 Geflüchtete in unserer kleinen Stadt. 130 Menschen aus der Ukraine haben in Buchen Aufnahme gefunden.
Welche Themen standen für Sie besonders im Vordergrund?
Das Jahr war geprägt durch Großprojekte. Wir haben große Schritte in Richtung Energiewende unternommen und dabei mehrere Projekte angestoßen. Windkraftprojekte in Hainstadt und im Bereich Einbach, Oberneudorf und Hollerbach, für alle Stadtteile eine kommunale Wärmeplanung in Auftrag gegeben und eine Machbarkeitsstudie für ein Nahwärmenetz im Baugebiet Marienhöhe auf den Weg gebracht. Der Gemeinderat hat weiterhin beschlossen, dass in Buchen 90 Hektar Freiflächen-Photovoltaikanlagen gebaut werden können. Im Rinschheimer Gewann „Kleinhansenhöhe“ gehen wir als Stadt mit der ZEAG über die neu gegründete EE Bürgerenergie Buchen GmbH & Co. KG mit gutem Beispiel voran und realisieren einen rd. 20 Hektar großen Solarpark. Zudem wurde an einem Radwegekonzept gearbeitet und ein Carsharing-Angebot etabliert.
Inwieweit konnten Ihre Vorhaben, insbesondere im Bereich Infrastruktur, umgesetzt werden?
Neben der Teilfertigstellung des rd. 30 Mio. € teuren Ausbaus des Burghardt-Gymnasiums werden aktuell rd. 5 Mio. € in die Generalsanierung der Sport- und Spielhalle Buchen investiert. 4 Mio. € fließen in einen viergruppigen Kindergartenneubau der bereits im nächsten Sommer als Sportkindergarten in Betrieb gehen soll. Der Glasfaserausbau im FTTH-Standard ist für Stadtteile Waldhausen, Oberneudorf, Unterneudorf und Hollerbach anschlusstechnisch fertiggestellt. Gut voran gekommen sind wir auch bei der Entwicklung von Baugebieten in Buchen und in den mehreren Stadtteilen.
Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat?
Die vielen unklugen Aktionen über die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ haben mich überrascht. Dass die drohende Klimakatstrophe aktives Handeln erfordert ist klar. Dass Menschen Kunstwerke schänden und sich an Straßen festkleben sind allerdings Ausdrucksformen des Protestes, die – ich zitiere den Bundesjustizminister – „zum Teil ins Kriminelle hineinreichen“. Sie stellen m. E. eine breite gesellschaftliche Unterstützung für mehr und entschiedeneren Klimaschutz aber eher in Frage als sie der Sache nutzen. Gut gemeint – aber schlecht gemacht.
Wie sehen Sie die Entwicklung Buchens im kommenden Jahr? Was steht auf der Agenda?
Ich bin optimistisch gestimmt. Buchen ist ein Mittelzentrum mit zentralörtlichen Funktionen. Eine wirklich anziehende kleine Stadt mit einer sehr guten Infrastruktur, die wir aktuell weiter festigen und ausbauen. Ab Juni 2023 feiern wir das Jubiläum „1250 Jahre Ersterwähnung der Stadt Buchen“ mit einem besonderen Fokus auf die Kernstadt. Ab Januar 2024 bis wiederum zur Jahresmitte liegt der Schwerpunkt auf dem Jubiläum „50 Jahre neue Stadt Buchen“. Dabei rücken wir die nach der Gemeindereform entstandene neue Stadt Buchen und hier insbesondere die Stadtteile in den Fokus. Die Vorbereitungen für eine ganze Reihe von Veranstaltungen laufen auf Hochtouren. Förmlicher Auftakt ist der Festakt am 28. Juni 2023 in der Stadthalle. Dem schließt sich am 1. und 2. Juli ein großes Altstadtfest an. Es gibt viele gute Gründe um sich auf das neue Jahr zu freuen…..
Peter Reichert, Bürgermeister Eberbach
Welche Themen haben Eberbach 2022 besonders geprägt?
Ich denke es waren vor allem Themen, die sehr viele Menschen in unserer Stadt, in unserem Land, in Europa und auf der ganzen Welt in diesem Jahr interessiert und geprägt haben. Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation, Klimakrise sowie leider immer noch die Corona-Krise. In unserer Stadt gab es den ersten Bürgerentscheid, wir haben außerdem im Gemeinderat weitreichende Beschlüsse gefasst, unter anderem auch die weitere Planungsvergabe zum Ersatzneubau unseres Hallenbades. Es war ein ereignisreiches Jahr, wir erwarten mit Spannung, wie sich derzeitige Umstände entwickeln werden und hoffen auf Frieden in Europa und auf der Welt.
Was stand dabei für Sie persönlich besonders im Vordergrund?
All die bereit genannten Themen haben mich beschäftigt. Es ist mir dabei immer wichtig zu verstehen, wie sich diese Umstände und Vorkommnisse auf unsere Stadt, auf die Menschen die hier leben und arbeiten und auf unser Umfeld auswirken. Die Vorkommnisse beeinflussen unser Leben. Es stellen sich viele Fragen: Wird es den Menschen weiterhin gut gehen? Können alle mit den Gegebenheiten umgehen? Wie gelingt es Menschen mit geringem Einkommen die steigenden Kosten zu bewältigen? Bleiben die Arbeitsplätze erhalten? Gelingt es geflüchtete Menschen, die Hilfe brauchen, bei uns aufzunehmen? Können und müssen wir als Stadt unterstützen? In meinen zwischenzeitlich 19 Jahren als Bürgermeister mussten wir als Stadt, aber ich denke auch jeder Mensch, noch nie mit so vielen „Herausforderungen“ parallel umgehen.
Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat?
Die Nachricht, dass wir, meine Frau und ich in diesem Jahr Großeltern werden. Unsere beiden Enkel wurden geboren, die größte Überraschung 2022 und das große Wunder der Menschwerdung für uns. Eine böse Überraschung war der Beginn des Krieges in der Ukraine. Für mich war Krieg in Europa nicht vorstellbar.
Welche Rolle hat das Thema Klimaschutz bzw. Klimaneutralität in Eberbach gespielt?
Das Thema spielt in unserer Stadt eine zentrale Rolle. Eberbach will bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Das ist für uns eine weitere Herausforderung, die wir in dieser Dimension nicht kannten und deshalb lernen müssen, wie wir all die Aufgaben, die zu lösen sind um dieses Ziel zu erreichen, angehen müssen. Der Weg hin zum Bürgerentscheid, sowie der positive Ausgang mit dem Ergebnis der Verpachtung städtischer Flächen zur Errichtung von Windkraftanlagen, zeigt die Wichtigkeit und Dringlichkeit beim Klimaschutz.
Welche Themen bzw. Ziele sehen Sie für die Stadt im kommenden Jahr?
Wir stehen in Eberbach vor großen Herausforderungen. Viele Investitionen sind zu tätigen, um die Infrastruktur für alle Menschen, die hier leben und arbeiten zu erhalten und auszubauen. Alle laufenden Maßnahmen sind fortzuführen und abzuschließen. Die Liste der Themen, mit denen wir uns beschäftigen werden, sprengt den Rahmen dieses Interviews. Die Krisen werden uns weiter beschäftigen. Wir müssen mit den Entwicklungen in unserem Land umgehen, darauf sind wir gespannt und hoffen dabei auf nicht allzu viele negative Nachrichten. Ich hoffe und arbeite dafür, dass die Menschen in unserer Stadt weiterhin gerne und gut leben können, mit all Ihren Bedürfnissen und in all Ihren Lebenslagen.