Der Landkreis Heilbronn war 2022 von politischen Entscheidungen, Herausforderungen und Überraschungen geprägt. Im Gespräch mit MORITZ-Redakteur David Gerhold blicken die Oberbürgemeister von Heilbronn und Neckarsulm auf 2022.
Heilbronner OB Harry Mergel
Auf ein Neues: Harry Mergel wurde 2022 erneut zum Oberbürgermeister von Heilbronn gewählt und begann damit seine zweite Amtszeit. Wie er auf die Fortschritte und Herausforderungen des vergangenen Jahres zurückblickt und was er für 2023 erwartet, erklärt Mergel im Interview mit MORITZ-Redakteur David Gerhold.
2022 war das Jahr, in dem Sie erneut zum Oberbürgermeister wiedergewählt wurden. Wie hat sich das angefühlt?
Es war ein überwältigendes Gefühl, als ich das Ergebnis erfahren habe: Mit 81,5 Prozent der Stimmen in meine zweite Amtszeit gewählt zu werden, darüber habe ich mich sehr gefreut. Für dieses großartige Ergebnis und das damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen bin ich außerordentlich dankbar.
Was waren die prägendsten Themen für Heilbronn im vergangenen Jahr?
Wir haben das dritte Jahr in Folge im Krisenmodus gearbeitet. Nach Corona kam der russische Angriff auf die Ukraine mit Folgeauswirkungen auf die ganze Welt und nun meistern wir die Energiekrise. Unter großem Einsatz und nicht immer einfachen Rahmenbedingungen sind wir für die Bürgerinnen und Bürger da und treiben die Stadtentwicklung weiter voran. Sehr aufschlussreich war für mich der Stadtkongress Frequencity im April, als uns namhafte Experten bescheinigten, in unserer Stadt und gerade auch der Innenstadt vieles schon gut zu machen. Nach Monaten der Entbehrung konnten endlich wieder kulturelle Veranstaltungen und fröhliche Feste stattfinden. Wir haben den Stadtgarten umgestaltet und sind mit dem neuen Parkhotel und der Harmonie wieder präsent auf der Landkarte für Tagungen und Kongresse. Ein besonders schönes Ereignis war der Deutsche Kita-Preis, mit dem unsere Olgakrippe als beste Kita Deutschlands ausgezeichnet wurde. Die Freude der Kinder und der Erzieherinnen bei der Preisübergabe zu erleben, war sehr berührend.
Inwieweit konnten Sie Ihre Vorhaben für das Jahr umsetzen?
Mein Credo ist, die Welt beziehungsweise die Stadt jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Auch in schwierigen Zeiten investieren wir permanent in die Entwicklung der Stadt, um die Aufenthaltsqualität weiter zu stärken und sie als attraktive Stadt wahrzunehmen. Im Sommer haben wir den ersten Schulneubau seit mehr als 40 Jahren, die Gerhart-Hauptmann-Schule, eingeweiht und die umfassende Sanierung der Dammschulen fertiggestellt. Als Beitrag zur Mobilitätswende bauen wir mit verschiedensten Maßnahmen die Radinfrastruktur - wie dem Lückenschluss zwischen Badstraße und Kurt-Schumacher-Platz - weiter aus. Und mit unserer Tochter Stadtsiedlung entstehen allein im Hochgelegen bei den SLK-Kliniken 500 neue Wohnungen, die Hälfte davon wird gefördert mit günstigen Eingangsmieten. Wir sind also in vielen Bereichen aktiv.
Wie wurden Bereiche wie Digitalisierung oder auch der Glasfaserausbau vorangetrieben?
Die Bitkom-Studie führt uns bundesweit auf Platz zwei im Ranking Digitale Stadtverwaltung. Das ist ein schöner Erfolg, der uns weiter antreibt, die Dynamik im Ausbau der Digitalisierung beizubehalten. Beim Glasfaserausbau wollen wir bis in zehn Jahren 95 Prozent der Privathaushalte und Unternehmen in Wohn- und Mischgebieten Zugang zu einem glasfaserbasierten, gigabitfähigen Internetzugang erhalten. Der Ausbau in Biberach hat bereits begonnen, Kirchhausen steht kurz bevor. Wir brauchen schnelles Internet, um uns als starker Wirtschaftsstandort stetig weiterzuentwickeln.
In der Vergangenheit haben Sie häufig die Themen Klimaschutz sowie die Schaffung einer klimaneutralen Stadt angesprochen. Welche Fortschritte gibt es in diesem Bereich?
Wir wollen bis spätestens 2040 treibhausgasneutral sein in Heilbronn, wenn möglich sogar schon 2035 – der Gemeinderat wird im Januar darüber beschließen. Das schaffen wir aber nur, wenn alle, also neben der Stadtverwaltung auch die Bürgerschaft und die Wirtschaft, an einem Strang ziehen. Deshalb haben wir im Sommer einen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbeirat ins Leben gerufen, in dem alle wichtigen Akteure vertreten sind. Darüber hinaus investieren wir weiter in die energetische Sanierung unseres eigenen Gebäudebestands und bauen die erneuerbaren Energien massiv aus. Ein weiterer Schritt ist die Erstellung einer Kommunalen Wärmenetzplanung, die Ende 2023 vorliegen soll.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für 2023?
Sicher ist eine davon, die Energiekrise zu bewältigen und dabei nicht nur wirtschaftlich zu denken, sondern auch jene Mitbürgerinnen und Mitbürger zu unterstützen, die es ohne Hilfe nicht schaffen. Da müssen wir auch als Gesellschaft zusammenstehen. Für uns als Stadt bleiben die Haushalte der nächsten Jahre eine Herausforderung, auch wenn wir das Jahr 2022 finanziell mit einem sehr guten Ergebnis abschließen können. Und als Arbeitgeber werden wir weitere Anstrengungen unternehmen müssen, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Die Stadt ist ein attraktiver Arbeitgeber in unserer Region mit vielen interessanten Aufgaben.
Neckarsulmer OB Steffen Hertwig
In Neckarsulm war das Jahr 2022 von großen Entscheidungen geprägt, die auch über die Stadtgrenzen hinaus Schlagzeilen machten. Nach vielen Diskussionen und langer Unsicherheit wurde das AQUAtoll Erlebnisbad endgültig geschlossen. Oberbürgermeister Steffen Hertwig erklärt, wie es in Zukunft mit dem Gelände weitergehen soll und welche Themen die Stadt darüber hinaus im vergangenen Jahr beschäftigt haben.
Wie blicken Sie auf das Jahr 2022 zurück?
Hinter uns liegt ein Krisenjahr, wie wir es in diesem Ausmaß nicht erwartet haben. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Energie- und Klimakrise und schließlich die steigende Inflation. Die negativen Schlagzeilen lösen Unsicherheit aus, bei manchen vielleicht auch Angst. Und dennoch: Wir dürfen uns von den Unsicherheiten nicht lähmen lassen, sondern wir müssen uns den Krisen stellen und unsere Zukunft mutig und aktiv gestalten. Das Rad dreht sich weiter, auch und gerade bei uns in Neckarsulm.
Welche politischen Themen haben Neckarsulm dabei besonders beschäftigt?
Wir haben in diesem Jahr schweren Herzens die Entscheidung getroffen, das AQUAtoll Erlebnisbad für immer zu schließen. Ausschlaggebend für das endgültige Aus waren die hohen Kosten für die Sanierung und Attraktivierung von fast 40 Millionen Euro. Außerdem hätte die Stadt jedes Jahr zwei Millionen Euro an Betriebskosten zahlen müssen. Das war nicht vertretbar. Angesichts der kommunalen Pflichtaufgaben müssen wir verantwortungsvoll mit den Finanzen der Stadt umgehen. Wir richten den Fokus jetzt auf die großen Zukunftsthemen Bildung und Betreuung, Mobilität, Klimaschutz und Digitalisierung. In diesem Jahr haben wir ein kommunales Klimaschutzkonzept entwickelt. Und wir haben ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, um Energie einzusparen.
Wie haben Sie die Diskussionen um die Schließung des Aquatolls wahrgenommen?
Natürlich sind mit dem AQUAtoll Erlebnisbad Emotionen verbunden. Viele verbinden schöne Erinnerungen mit dem Bad. Mir persönlich geht es nicht anders: Auch mir fällt der Abschied schwer. Ich war ein großer Freund dieser Freizeiteinrichtung mit der großartigen Architektur. Aber wir mussten diese Entscheidung mit dem Verstand, nicht mit dem Herzen treffen. Es gab leider keinen anderen Weg.
Gab es Aspekte, die Sie 2022 besonders überrascht haben?
Besonders positiv überrascht war ich von der Hilfsbereitschaft der Neckarsulmer Bevölkerung: Von den rund 250 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die in Neckarsulm Zuflucht gefunden haben, sind die meisten in privaten Wohnungen untergebracht.
Positiv war auch die Entwicklung der Corona-Pandemie. Anfang des Jahres war eine Entspannung noch nicht in Sicht. Doch dann konnten wir wieder unsere traditionellen Veranstaltungen in gewohntem Rahmen feiern, so zum Beispiel das Ganzhornfest und den Weihnachtsmarkt „Adventszauber“. Veranstaltungshöhepunkt im Sommer war das Neckarsulmer Stadtfest mit Familienprogramm. Dieses Fest, das zum 1250. Stadtjubiläum 2021 geplant war, konnten wir wegen Corona erst in diesem Jahr nachholen.
Welche Pläne gibt es für 2023?
Die großen Zukunftsthemen werden uns auch im neuen Jahr beschäftigen. Nach der Abkehr vom B 27-Anschluss arbeiten wir an alternativen Maßnahmen, um die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Das Regierungspräsidium Stuttgart wird die untersuchten Varianten für den vierspurigen Ausbau der B 27 vorlegen, Und wir planen eine Ideenwerkstatt zum AQUAtoll-Gelände. Dabei sammeln wir Ideen und Vorschläge, wie das AQUAtoll-Grundstück und das bestehende Gebäude weiter genutzt werden könnten.