Harry Mergel im Interview: Verantwortung in der Coronakrise
Veranstaltungsverbote, Schließungen, Verhaltensregeln – in Zeiten von Corona unternimmt Oberbürgermeister Harry Mergel alles, um die Ausbreitung zu verlangsamen. Mit MORITZ sprach er über die sich ständig verändernde Lage und was jeder einzelne Heilbronner tun kann.
Wie waren die vergangenen Wochen für Sie persönlich?
Wir erleben gerade eine Zeit, wie wir sie bisher nicht kannten und selbst bis vor kurzem auch nicht für möglich gehalten hätten. Das betrifft mich wie vermutlich alle Menschen. Dass ein Virus und die Gefahr einer Ansteckung unseren Alltag und unser Leben derart dominieren, hätte ich mir kaum vorstellen können. Die Lage hat eine solche Dynamik, dass anfangs das, was heute gilt, oft morgen oder sogar eine Stunde später schon überholt ist. Das ist schon sehr besonders.
Was war Ihre erste Reaktion, als Sie von Corona erfahren haben?
Ich glaube, da ging es mir wie vielen. Der Ausbruch des Virus in China schien erstmal weit weg. Eine globale Ausbreitung habe ich damals nicht geahnt – schon gar nicht, dass das Virus je eine solche Bedeutung für unser Land und gar unsere Stadt bekommen könnte. Natürlich hab ich die Reaktion und das Bemühen der chinesischen Behörden interessiert verfolgt – und wenn ich ehrlich bin, über manches gestaunt. Zum Beispiel wie dort binnen zwei Wochen ein neues Krankenhaus zur Behandlung infizierter Patienten hochgezogen worden ist und betriebsbereit war.
Wie treffen Sie die Entscheidungen bzgl. individueller Maßnahmen, um die Ausbreitung von Corona in Heilbronn einzuschränken?
Wir arbeiten auf allen Ebenen eng zusammen. Seit längerem steht das Städtische Gesundheitsamt in engem Austausch mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Heilbronn und den SLK-Kliniken sowie mit Landes- und Bundesbehörden. Wir haben schon früh Strukturen aufgebaut, um auf das Coronavirus angemessen reagieren zu können. Bereits am 28. Februar haben wir eine Lenkungsgruppe gebildet, in der wir unter meinem Vorsitz aktuelle Entwicklungen diskutieren und Entscheidungen abstimmen.
Welche Schließung oder Absage trifft die Stadt Ihrer Meinung nach am stärksten?
Dass Geschäfte und eingeschränkt Gastronomie geschlossen sind und auch keine Veranstaltungen mehr stattfinden, das ist ein großer Einschnitt in das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Einkaufen, Essen gehen oder einfach nur was trinken, gehört für die meisten zu einem guten Leben dazu. Viele haben sich auch auf Konzerte, Theatervorstellungen oder private Feiern gefreut - als Besucher oder auch als Mitwirkende, die sich teils lange darauf vorbereitet haben. Die Enttäuschung über all diese Absagen kann ich gut verstehen. Auch ich spüre diesen Einschnitt deutlich, halte ihn aber von Anfang an in dieser Situation für richtig. Die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten ist ebenfalls eine große Herausforderung. Trotz der Notbetreuung, die die Stadt vom ersten Tag an anbietet, bedeutet es für Familien wie für Kinder eine bisher nie gekannte Veränderung ihres Alltags.
Die Situation ändert sich beinahe täglich. Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Hinweis, den Bürger berücksichtigen sollten?
Bei allem täglichen Wandel, mit dem die Bürgerinnen und Bürger zurechtkommen müssen – das Wichtigste ist, dass jedem Einzelnen bewusst ist, dass er eine große Verantwortung trägt bei der Ausbreitung des Virus. Häufiges gründliches Händewaschen, in die Ellbeuge niesen und nicht in die Hand, auch kleinere Menschenansammlungen meiden und zu anderen mindestens 1,50 Meter Abstand halten – all das sollte längst jedem in Fleisch und Blut übergegangen sein. Je weniger Personen sich infizieren, desto weniger kann sich das Virus ausbreiten. Jeder sollte sich von Sorgfalt leiten lassen und nicht fahrlässig handeln.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Ich hoffe, dass die Zahl der Infizierten so langsam wie möglich steigt und das Gesundheitswesen weiterhin auf hohem Niveau arbeiten und jeden Kranken gut versorgen kann. Die Lage ist sehr dynamisch, dass ich längerfristige Prognosen nicht abgeben kann. Mit jedem Tag, jeder Stunde können sich die Dinge wieder ändern.
Gibt es rückblickend betrachtet etwas, das Sie anders gemacht hätten?
Die Dinge haben sich teilweise rasant verändert. Wir haben unsere Entscheidungen immer nach bestem Wissen und Gewissen abgewogen und uns untereinander abgestimmt, um praktikable Lösungen zu finden. Ich meine, dass uns das auch gelungen ist. Sicher haben wir auch mal einen Fehler gemacht, das lässt sich bei dieser Dynamik leider nicht vermeiden.